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Lohn für Briefzusteller sittenwidrig?

Mindestlohn für Briefzusteller

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.04.2012, 5 AZR 630/10

Drei teilzeitbeschäftigte Briefzusteller in einem privaten Zustellunternehmen verlangten eine Vergütung, die der Entlohnung von Angestellten der Deutschen Post AG in der Vergütungsgruppe 3 entspricht. Sie betrachteten ihre Entlohnung als sittenwidrig. Die Forderungen beziehen sich konkret auf den Zeitraum Anfang Januar bis Ende November 2009.

Sollte die Differenzforderung nicht anerkannt werden, forderten die drei Kläger einen Mindestlohn von 9,80 Euro. Bezugspunkt der Kläger ist der Tarifvertrag Mindestlohn Briefdienstleistungen, ein zwischen dem Arbeitgeberverband der Postdienste e. V. und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossener Tarifvertrag.

Die beklagte Arbeitgeberin argumentiert, im Zeitungsvertrieb, nicht im Bereich der Briefdienstleistungen, tätig zu sein. Im Jahr 2009 wurden zu rund 70 % Zeitungen und Anzeigenblätter zugestellt, zu 30 % Briefe. Von 130 Angestellten waren 21 für die Briefzustellung tätig. Briefzusteller bekamen einheitliche Dienstkleidung, Dienstfahrrad und eine Belehrung über das Postgeheimnis. Die Beurteilung der Sittenwidrigkeit müsste sich am Wirtschaftszweig Zeitungsvertrieb orientieren, nicht am Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer der Deutschen Post AG (ETV-DP AG).

Das Bundesarbeitsgericht bestätigte die Auffassung, dass der ETV-DP AG nicht maßgebend für die Entlohnung der klagenden Mitarbeiter ist. Die Höhe der Vergütung der Kläger wird durch den Arbeitsvertrag bestimmt.

Zu klären war jedoch, ob der Arbeitsvertrag sittenwidrig gestaltet wurde. Eine Sittenwidrigkeit liegt laut BAG dann vor, wenn eine Unterschreitung von mehr als einem Drittel der im Wirtschaftszweig durchschnittlich gezahlten Tariflöhne feststellbar ist. Die wirtschaftliche Einordnung des Unternehmens richte sich nach der Klassifizierung des Statistischen Bundesamtes Deutschland.

Demnach wird die Deutsche Post AG dem Wirtschaftszweig „Postdienste von Universaldienstleistungsanbietern“ zugeordnet. Die Arbeitgeberin der Briefzusteller ist hingegen im Wirtschaftszweig „Sonstige Post-, Kurier- und Expressdienste“ einzuordnen.

Das BAG verglich dann die Stundenlöhne der Kläger mit dem § 3 Abs. 2 Buchst. b TV Mindestlohn Briefdienstleistungen. Der Stundenlohn von 7,87 Euro liegt bei etwa 80 % des Tarifvertrages Briefdienstleistungen. Damit bleibt der vereinbarte Stundenlohn deutlich über der Schwelle zur Sittenwidrigkeit, deren Richtwert bei 66,6 % liegt.

Alternativ wäre laut BAG die PostmindestlohnVO als Vergleichsbasis betrachtbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch die PostmindestlohnVO wegen Verstoßes gegen § 1 Abs. 3a AEntG aF. für unwirksam erklärt (28. Januar 2010 – 8 C 19.19 – BVerwGE 136, 54).

Die Klagen wurden vom Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung abgewiesen, aber die Revision zugelassen. Die Revisionen der Kläger wurden vom BAG als unbegründet abgewiesen.