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Altersversorgung – Wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin

Betriebliche Altersversorgung in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Lage der Arbeitgeberin

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.03.2015, Aktenzeichen 3 AZR 739/13

Wird ein Unternehmen, das betriebliche Altersversorgung gewährt, wirtschaftlich von einem anderen Unternehmen beherrscht, kann im Interesse des Werterhalts der Altersversorgung ein Berechnungsdurchgriff auf das beherrschende Unternehmen erfolgen.

 Ein ehemals Beschäftigter erhielt im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung seit April 1999 eine monatliche Betriebsrente. Das Betriebsergebnis seiner ehemaligen Arbeitgeberin verschlechterte sich bereits in den Jahren vor dem Rentenbeginn. Auf der Grundlage von Sozialplan und Interessenausgleich wurden Arbeitsplätze abgebaut und Arbeitsverhältnisse beendet. Im Jahr 1999 wurden Produktion und Vertrieb vollständig eingestellt und keine Arbeitnehmer mehr beschäftigt.

 Im Juni 1997 wurde die Unternehmensform der Arbeitgeberin geändert und ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag mit einem Konzernunternehmen abgeschlossen. Dieser Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag ging später durch Verschmelzung und Firmenänderung auf die Hauptgesellschafterin der Arbeitgeberin über. Bis zum Jahr 2011 waren die betrieblichen Ergebnisse überwiegend negativ. Das Unternehmen der Arbeitgeberin bestand hauptsächlich nur noch für den Zweck der Altersversorgung.

Insgesamt werden 248 Versorgungsberechtigte vom Unternehmen bedient. Jährlich wurden Anpassungsprüfungen nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung (BetrAVG) durchgeführt. Nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG ist die Prüfung insbesondere für die Anpassung der betrieblichen Altersversorgung an den Verbraucherpreisindex für Deutschland oder der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum vorgesehen.

Der ehemalige Beschäftigte begehrte mit seiner Klage die Anpassung seiner Betriebsrente an den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust zum 1.Juli 2011. Die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin stünde einer Anpassung der Betriebsrente nicht im Wege. Die Arbeitgeberin sei wegen eines Berechnungsdurchgriffs auf die wirtschaftliche Lage der beherrschenden Gesellschafterin zu einer Anpassung verpflichtet, da mit dieser ein Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag bestehe.

Er beantragte, die Arbeitgeberin zu verurteilen, einen Ausgleichsbetrag für die Vergangenheit sowie einen zukünftigen monatlichen Ausgleichsbetrag, der den bisherigen Betrag der betrieblichen Rente in der Höhe des Kaufkraftverlustes ergänzt, zu zahlen.  

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht (LAG) entsprach der Klage. Die Arbeitgeberin verfolgte mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) die Klageabweisung.

Das BAG befand, mit der vom LAG gegebenen Begründung hätte der Klage nicht stattgegeben werden dürfen. Es könne nicht abschließend festgestellt werden, ob die Entscheidung der Arbeitgeberin, die Betriebsrente nicht dem Kaufkraftverlust anzupassen, billigem Ermessen entspreche.

Die Arbeitgeberin war verpflichtet zum 1. Juni 2011 zu prüfen, ob die Betriebsrente an den seit Rentenbeginn eingetretenen Kaufkraftverlust angepasst werden muss.

Die Arbeitgeberin sei nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Rentenleistungen zu prüfen und darüber nach billigem Ermessen zu entscheiden.

Die Anpassungen wurden in der Vergangenheit alle drei Jahre zum 1.Juli geprüft und jeweils wegen der wirtschaftlichen Lage abgelehnt. Aus den Prüfzyklen der Vergangenheit ergab sich ein weiterer Prüfungstermin für den 1.Juli 2011.

Das LAG habe den Anpassungsbedarf anhand des Kaufkraftverlustes weitgehend richtig ermittelt. Die Ermittlung des Klägers lag geringfügig unter dem tatsächlich zu ermittelnden Wert. Das Gericht ist jedoch nach § 308 ZPO (Zivilprozessordnung) nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was sie nicht beantragt hat.

Allein die wirtschaftliche Lage der ehemaligen Arbeitgeberin stand einer Anpassung der Betriebsrente an den Kaufkraftverlust zum 1. Juli 2011 entgegen.

Die wirtschaftliche Lage sei eine zukunftsbezogene Größe, das sie die zukünftige Belastbarkeit der Arbeitgeberin betrachte und eine Prognose voraussetze. Für die Prognose sei die bisherige Entwicklung über einen Zeitraum von mindestens 3 Jahren aus der Vergangenheit zu betrachten. Wirtschaftlich Daten nach dem Anpassungsstichtag bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Tatsacheninstanz könnten die Prognose bestätigen oder entkräften.

Werde ein Unternehmen durch die Betriebsrentenanpassung übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet, so sei die Ablehnung der Anpassung gerechtfertigt. Dafür sei zu betrachten, ob der Unternehmer noch über genügend Eigenkapital verfüge und eine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschafte.

Eine ungenügende Eigenkapitalverzinsung reiche bereits als Begründung aus, die Anpassung nicht finanzieren zu können. Dabei komme es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung an. Zum 1. Juli 2011 war die Prognose gerechtfertigt, dass bis zum nächsten Bewertungsstichtag 3 Jahre später keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erzielt wird.

Basierend auf den Verlusten in den Vorjahren durfte die Arbeitgeberin davon ausgehen, dass ihre Ertragskraft nicht ausreichen würde, um die Anpassung zu finanzieren.

Das LAG durfte jedoch nicht davon ausgehen, dass allein das Bestehen eines Beherrschungsvertrages einen Berechnungsdurchgriff rechtfertige. Es könne noch nicht entschieden werden, ob der Kaufkraftverlust der Betriebsrente anzupassen ist, weil ein Berechnungsdurchgriff auf die beherrschende Gesellschafterin erfolgen könne.

 Ist die Arbeitgeberin in einen Konzern eingebunden, verbleibt sie weiterhin als selbständige juristische Person und ihre juristische Vermögensmasse bleibt getrennt vom Konzern. Wird dem Versorgungsschuldner die günstige wirtschaftliche Lage eines anderen Konzernunternehmens im Wege des Berechnungsdurchgriffs zugerechnet, muss das Unternehmen eine Anpassung vornehmen, selbst wenn es selbst dazu wirtschaftlich nicht in der Lage ist, dem anderen Konzernunternehmen die Anpassung jedoch zugemutet werden kann. Die Stellung des Unternehmens als Versorgungsschuldner bleibt davon jedoch unberührt.

Das Bestehen eines Beherrschungsvertrags rechtfertige jedoch nicht ohne Weiteres einen Berechnungsdurchgriff. Der Berechnungsdurchgriff sei dann nicht gerechtfertigt, wenn sich die Gefahrenlage für die Betriebsrentner nicht verwirklicht hat. Damit gibt das BAG seine frühere gegenteilige Position der Rechtsprechung auf.

Der Berechnungszugriff könne nicht direkt auf § 302 AktG (Aktiengesetz) gestützt werden. Die beherrschte Gesellschaft bekomme mit dieser Regelung nur den Anspruch auf einen Ausgleich der im Geschäftsjahr entstandenen Verluste.

Als Versorgungsschuldner könne ein Unternehmen hingegen bereits dann die Anpassung der betrieblichen Renten ablehnen, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung oder unzureichendes Eigenkapital vorhanden sei. Mit dieser Betrachtungsweise seien Fälle denkbar, in denen eine Anpassung der Betriebsrenten, die sich auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens stützt, nicht zu einem Fehlbetrag führt, der zum Ausgleich verpflichtet, oder zu einem Fehlbetrag, der nicht in voller Höhe auszugleichen ist. Damit seit nicht gewährleistet, dass der Fehlbetrag immer in vollem Umfang ausgeglichen werde, was aber zur Vermeidung von Nachteilen für die Arbeitgeberin beim Berechnungsdurchgriff grundsätzlich erforderlich sei.

Ein Beherrschungsvertrag begründe eine Gefahrenlage für das durch § 16 Abs. 1 BetrAVG geschützte Interesse der Versorgungsberechtigten am Werterhalt der Betriebsrente. Bei Verwirklichung dieser Gefahrenlage erfolgt ein Berechnungsdurchgriff auf die wirtschaftliche Lage des herrschenden Unternehmens.

Der Gesetzgeber wolle eine schleichende Entwertung der Betriebsrenten selbst bei Einstellung der Betriebstätigkeit oder einer Liquidation vermeiden.

Wurden Weisungen der herrschenden Gesellschaft, die das Eigeninteresse der beherrschten Gesellschaft außer Acht lassen, nicht erteilt oder haben erteilte Weisungen nicht dazu geführt, dass sich die wirtschaftliche Lage des Versorgungsschuldners in einer Weise verschlechtert hat, die eine Betriebsrentenanpassung ausschließt, bestehe kein Grund für einen Berechnungsdurchgriff.

Hat sich die durch den Beherrschungsvertrag eröffnete Möglichkeit, wirtschaftliche Vorteile anderweitig anfallen zu lassen, zum Nachteil der Betriebsrentner verwirklicht, kann es auf eine beim beherrschten Unternehmen verbleibende angemessene Eigenkapitalverzinsung nicht mehr ankommen.

Es sei zunächst Aufgabe des Versorgungsempfängers darzulegen, dass die Voraussetzungen für einen Berechnungsdurchgriff vorliegen könnten. Dazu hat er das Bestehen eines Beherrschungsvertrags darzulegen und ggf. zu beweisen. Das sei dem Betriebsrentner zumutbar, da Beherrschungsverträge nach § 294 AktG in das Handelsregister einzutragen sind.

Zudem muss der Versorgungsempfänger darlegen, dass sich die dem Beherrschungsvertrag eigene Gefahrenlage verwirklicht hat. Hierfür reicht die bloße Behauptung einer entsprechenden Gefahrverwirklichung aus, da die zugrunde liegenden Vorgänge regelmäßig außerhalb der Wahrnehmung des Versorgungsempfängers liegen.

Es sei dann Sache des Arbeitgebers im Einzelnen nachvollziehbar darzulegen, dass sich die im Beherrschungsvertrag angelegte Gefahrenlage nicht verwirklicht habe.

Der Arbeitgeber hat dabei im Einzelnen substanziiert darzulegen, dass sich infolge der erteilten Weisungen des herrschenden Unternehmens die Gefahrenlage entweder nicht verwirklicht oder seine wirtschaftliche Lage nicht maßgeblich verschlechtert habe. Er kann aber auch detailliert darlegen, dass er auch ohne Weisungen nicht leistungsfähig und damit zur Anpassung der Betriebsrente nicht verpflichtet wäre. Pauschale Darlegungen genügen dabei nicht. Vielmehr hat der Arbeitgeber immer im Einzelnen nachvollziehbar vorzutragen, welche Weisungen ihm erteilt wurden und wie diese sich auf sein Unternehmen wirtschaftlich ausgewirkt haben.

Trägt der Arbeitgeber nichts vor, lässt er sich nicht substanziiert ein oder ist sein Sachvortrag nicht nachvollziehbar, so gilt die Behauptung des Versorgungsempfängers, die durch den Beherrschungsvertrag geschaffene Gefahrenlage habe sich verwirklicht, nach § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

Der ehemalige Beschäftigte hatte sich im bisherigen Verfahren ausschließlich auf die bisherige Rechtsprechung gestützt. Für die Durchführung eines fairen Verfahrens sollen beiden Parteien im Lichte der geänderten Rechtsprechung unter Berücksichtigung der Vorgaben des Senats zur Verteilung der Darlegungs- und Beweislast ergänzende Vorträge ermöglicht werden.

Der Rechtsstreit wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.