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Befristetes Arbeitsverhältnis im Rentenalter

Befristetes Arbeitsverhältnis nach Rentenbeginn

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.02.2015, Aktenzeichen 7 AZR 7/13

Eine befristete Beschäftigung nach dem Eintritt des Rentenalters kann sachlich gerechtfertigt sein, falls der Arbeitnehmer Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beziehen kann und die Befristung einer konkreten Personalplanung des Arbeitgebers dient. In diesem Fall wird der Arbeitnehmer nicht unzulässig wegen seines Alters diskriminiert.

Ein Logistikleiter setze nach arbeitsvertraglicher Vereinbarung mit der Arbeitgeberin sein Arbeitsverhältnis fort. Das Arbeitsverhältnis wurde dreimal verlängert. Nach der zweiten Verlängerung bat der Logistikleiter um eine weitere Verlängerung, da ihm eine Privatinsolvenz drohe. Die Arbeitgeberin ging auch auf diesen Verlängerungswunsch ein.

Einen weiteren Antrag auf Verlängerung lehnte die Arbeitgeberin ab. Der Logistikleiter klagte vor dem Arbeitsgericht. Eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nach Erreichen des Rentenalters setze eine konkrete wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers voraus. Die Arbeitgeberin sei informiert gewesen, dass eine Privatinsolvenz über sein persönliches Vermögen eröffnet werden soll. Die Befristung sei zudem wegen Altersdiskriminierung unwirksam und wegen der Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie der Anzahl der Verlängerungen rechtsmissbräuchlich.

Der Logistikleiter beantragte die Feststellung, das Arbeitsverhältnis habe nicht mit der letzten Verlängerung geendet und bestehe darüber hinaus fort.

Die Arbeitgeberin vertrat die Auffassung, die Ergänzungsvereinbarungen zum Arbeitsvertrag seien als Aufhebungsverträge anzusehen. Eine etwaige Befristung sei sachlich begründet, da sie einer Altersgrenzenregelung vergleichbar sei. Die letzte Verlängerung basierte auf dem betrieblichen Bedarf, eine Teilzeitkraft in der Disposition einzustellen, die vom Logistikleiter eingearbeitet werden sollte. Für die letzte Vertragsverlängerung hätten soziale Erwägungen und der Wunsch des Logistikleiters nach vorübergehender Weiterbeschäftigung im Vordergrund gestanden.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Berufung des Logistikleiters zurück. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Logistikleiter seine Klage weiter.

Das BAG hob das Urteil des LAG auf. Mit der vom LAG gegebenen Begründung dürfe die Klage nicht abgewiesen werden. Auf der Grundlage der bisherigen tatsächlichen Feststellungen könne nicht darüber befunden werden, ob die Klage begründet sei.

Das Urteil des LAG halte einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das LAG habe mit einer rechtsfehlerhaften Begründung angenommen, die Befristung des Arbeitsverhältnisses sei sachlich gerechtfertigt.

Durch das Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung (BGBl. I 2014 S. 787) mit Wirkung vom 1. Juli 2014 können die Arbeitsvertragsparteien, die eine Altersgrenzenregelung vereinbart haben, den Beendigungszeitpunkt durch Vereinbarung während des Arbeitsverhältnisses, ggf. auch mehrfach, hinausschieben. Damit soll es Vertragsparteien möglich sein, das Arbeitsverhältnis nach Erreichen der Regelaltersgrenze, einvernehmlich für einen vorher festgelegten Zeitraum rechtssicher fortzusetzen. Es wurde eine Übergangsregelung geschaffen, um den Abschluss laufender Projekte oder eine Neubesetzung des Arbeitsplatzes zu ermöglichen. Diese Vorschrift konnte im vorliegenden Fall nicht angewendet werden, da die Befristung rund 3 Jahre vor Inkrafttreten des Gesetzes abgeschlossen wurde.

Für die Befristung des Arbeitsverhältnisses war wegen der nathlos vorausgegangenen langjährigen Beschäftigung ein Sachgrund erforderlich. Die Begründung, das Interesse der Beklagten an einer sachgerechten und berechenbaren Personal- und Nachwuchsplanung habe Vorrang vor dem Interesse des durch den Bezug der Altersrente wirtschaftlich abgesicherten Klägers an der unbefristeten Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, halte einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.

Es könne sachlich gerechtfertigt sein, eine Altersgrenzenregelung in Kollektivnormen und individualrechtlichen Vereinbarungen zu erstellen, die auf das Erreichen eines bestimmten Lebensalters als Voraussetzung für den Bezug von Regelaltersrente abzielen. Damit werde berücksichtigt, dass das Arbeitsverhältnis eine wirtschaftliche Existenzgrundlage biete und dem Arbeitnehmer die Möglichkeit beruflicher Selbstverwirklichung.

Ein Fortsetzungsverlangen eines Arbeitnehmers der bereits lange Zeit im Arbeitsverhältnis stehe, bestehe nur für eine begrenzte Zeit. Dem Interesse des Arbeitgebers, beizeiten geeigneten Nachwuchs einzustellen oder bereits beschäftigte Arbeitnehmer fördern zu können, wurde in der Rechtsprechung jedenfalls dann Vorrang vor dem Bestandsschutzinteresse des Arbeitnehmers eingeräumt, wenn der Arbeitnehmer Regelaltersrente beanspruchen konnte.

Der Arbeitnehmer verliere seinen Anspruch auf Arbeitsvergütung zum Zeitpunkt der vereinbarten Altersgrenze. Rechtlich sei der Anspruchsverlust nur zu rechtfertigen, wenn an die Stelle der Arbeitsvergütung der dauerhafte Bezug von Leistungen aus einer Altersversorgung trete. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung bei Ausscheiden durch eine Altersgrenze sei Bestandteil des Sachgrunds. Die Wirksamkeit einer Befristung sei jedoch nicht von der konkreten wirtschaftlichen Absicherung des Arbeitnehmers bei Erreichen der Altersgrenze abhängig.

Das LAG habe verkannt, dass für eine bei oder nach dem Erreichen des Renteneintrittsalters des Arbeitnehmers getroffene Vereinbarung der Arbeitsvertragsparteien über die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses die sachliche Rechtfertigung der Befristung nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG (Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge) vorausgesetzt werde. Das bedeute, der Arbeitnehmer könne Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen und die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses diene einer konkreten, im Zeitpunkt der Befristungsabrede bestehenden Personalplanung des Arbeitgebers, z.B. der Einarbeitung einer Ersatzkraft oder der Überbrückung bis zur Nachbesetzung der Stelle mit einer Ersatzkraft.

Allein der Umstand, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der Vereinbarung der Befristung das gesetzliche Rentenalter bereits erreicht habe, sei nicht geeignet, die Befristung des Arbeitsverhältnisses zu rechtfertigen. Erforderlich sei vielmehr, dass der Arbeitnehmer eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen könne. Die Anbindung an eine rentenrechtliche Versorgung sei, ebenso wie beim Ausscheiden durch eine auf das gesetzliche Rentenalter bezogene Altersgrenzenregelung, Bestandteil des Sachgrunds für die Befristung.

Der sich aus Art. 12 Abs. 1 GG (Grundgesetz) ergebenden Schutzpflicht sei bereits dann genügt, wenn der befristet beschäftigte Arbeitnehmer eine Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung beanspruchen könne. Die konkrete wirtschaftliche Absicherung des Arbeitnehmers, wie etwa die konkrete Höhe der Rentenauszahlung, sei für eine nach Erreichen des Renteneintrittsalters abgeschlossene Vereinbarung ohne Bedeutung.

Das Landesarbeitsgericht habe zwar festgestellt, dass der Kläger seit dem Erreichen der Regelaltersgrenze Altersrente beziehe. Es habe jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses der Einarbeitung einer Ersatzkraft dienen sollte.

Es könne auch nicht festgestellt werden, ob die Befristung deshalb nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG gerechtfertigt sei, weil sie der sozialen Überbrückung diente. Das sei der Fall, wenn es ohne den in der Person des Arbeitnehmers begründeten sozialen Zweck überhaupt nicht zum Abschluss eines Arbeitsvertrags, auch nicht eines befristeten Arbeitsvertrags, gekommen wäre. Seien jedoch die Interessen der Arbeitgeberin ausschlaggebend, könne nicht von sozialen Erwägungen ausgegangen werden.

Den in der Person des Arbeitnehmers liegenden sozialen Zweck für den Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrags müsse die Arbeitgeberin anhand nachprüfbarer Tatsachen darlegen und im Bestreitensfall beweisen. Das könnte der Fall sein, wenn die befristete Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses wegen der zu befürchtenden Verbraucherinsolvenz des Logistikleiters erfolgte und die vereinbarte Einarbeitung der Ersatzkraft durch den Vorgesetzten des Logistikleiters hätte erfolgen können.

Ein Sachgrund könne auch vorliegen, wenn ein Arbeitnehmer eine befristete Beschäftigung verlange. Dafür sei entscheidend, ob der Arbeitnehmer auch bei Angebot einer unbefristeten Beschäftigung nur an einer befristeten Beschäftigung interessiert wäre.

Es könne nicht festgestellt werden, dass der Logistikleiter unzulässig wegen seines Alters diskriminiert wurde. Die Befristung sei auch nicht wegen institutionellen Rechtsmissbrauchs unwirksam. Diene die Befristung einer konkreten Personal- oder Nachwuchsplanung, könne nicht von einer Diskriminierung ausgegangen werden.

Die Beschäftigung anhand von vier aufeinanderfolgenden Arbeitsverträgen stelle keinen institutionellen Rechtsmissbrauch dar.

Der Rechtsstreit wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.