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Arbeitgeberin trägt gerechtfertigte Kosten des Betriebsrats

Rechtsanwaltskosten Betriebsrat

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.11.2017, Aktenzeichen 7 ABR 43/16

Honorarkosten für einen Rechtsanwalt in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren, das der Betriebsrat in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten darf, hat die Arbeitgeberin zu erstatten.

Der Betriebsrat in der Hauptverwaltung der Arbeitgeberin focht in einem Beschlussverfahren die Betriebsratswahl an. Das Arbeitsgericht erklärte im Juni 2013 die Betriebsratswahl für unwirksam. Der Betriebsrat legte gegen diesen Beschluss Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Im Dezember 2013 beschloss der Betriebsrat die Bestellung eines Wahlvorstandes zur Durchführung von Neuwahlen. Das LAG wies im Januar 2014 die Beschwerde des Betriebsrats zurück und ließ die Rechtsbeschwerde nicht zu. Der Betriebsrat legte im Februar 2014 Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesarbeitsgericht (BAG) ein. Im März 2014 fand die Neuwahl des Betriebsrats statt. Die Neuwahl wurde nicht angefochten.

Im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren teilte der Betriebsrat im April 2014 mit, die Beschwerde werde weder begründet noch zurückgenommen. Im Juni 2014 wurde die Beschwerde des Betriebsrats vom Bundesarbeitsgericht als unzulässig verworfen.

Die Kosten für das Wahlanfechtungsverfahren in der ersten und zweiten Instanz wurden von der Arbeitgeberin getragen. Die Vertretung des Betriebsrats im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren beglich die Arbeitgeberin jedoch nicht.

Der Betriebsrat trat seinen Anspruch gegenüber der Arbeitgeberin an den ihn vertretenden Rechtsanwalt ab. In einem Schreiben an die Arbeitgeberin forderte der Rechtsanwalt die Arbeitgeberin zur Zahlung der Kosten auf, die im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren entstanden waren, einschließlich seiner Anwaltsgebühren. Von der Arbeitgeberin wurden die Forderungen abgelehnt.

Das Arbeitsgericht wies die Anträge des beauftragten Rechtsanwalts ab. Die daraufhin eingelegte Beschwerde wurde vom Landesarbeitsgericht zurückgewiesen. Mit einer Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht verfolgte der beauftragte Rechtsanwalt seine Forderungen weiter.

Das Bundesarbeitsgericht stellte fest, die Rechtsbeschwerde sei unbegründet. Nach seiner Abtretungserklärung war der Betriebsrat nicht mehr Inhaber eines etwaigen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruchs aus § 40 Absatz 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz), deshalb könne er von der zu erwartenden Entscheidung auch nicht mehr in seinem betriebsverfassungsrechtlichen Recht betroffen sein.

Der Betriebsrat habe keinen Anspruch auf Zahlung aus abgetretenem Recht gemäß § 398 BGB (Bürgerliches Gesettzbuch) in Verbindung mit § 40 Absatz 1 BetrVG gegen die Arbeitgeberin. Der Betriebsrat habe keinen Anspruch auf Freistellung von den im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten erworben, den er abtreten konnte.

Nach § 40 Absatz 1 BetrVG trägt die Arbeitgeberin die durch die Tätigkeit des Betriebsrats entstehenden Kosten. Hierzu gehören auch die Honorarkosten für einen Rechtsanwalt, dessen Heranziehung in einem arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren der Betriebsrat in Wahrnehmung seiner betriebsverfassungsrechtlichen Rechte für erforderlich halten durfte.

Für die Prüfung der Erforderlichkeit habe der Betriebsrat die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts einerseits und die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin andererseits gegeneinander abzuwägen. Der Betriebsrat habe das Interesse der Arbeitgeberin an der Begrenzung ihrer Kostentragungspflicht zu beachten. Dabei habe er Maßstäbe einzuhalten, die er bei eigener Kostentragung anwenden würde, wenn er selbst oder seine beschließenden Mitglieder die Kosten tragen müsste.

Die Kostentragungspflicht der Arbeitgeberin entfalle bei einer offensichtlich aussichtslosen oder mutwilligen Rechtsverfolgung des Betriebsrats. Offensichtlich aussichtslos sei die Rechtsverfolgung, wenn die Rechtslage unzweifelhaft ist und das eingeleitete Beschlussverfahren zu einem Unterliegen des Betriebsrats führen muss. Mutwilligkeit kann vorliegen, wenn das Interesse des Arbeitgebers an der Begrenzung seiner Kostentragungspflicht missachtet wird.

Die Erforderlichkeit der Rechtsverfolgung habe der Betriebsrat für jeden Rechtszug gesondert zu prüfen. Er dürfe nicht bereits deshalb, weil er die Einleitung eines Beschlussverfahrens für erforderlich halten durfte, nach Beendigung der Instanz ohne Weiteres eine weitere Kostenbelastung der Arbeitgeberin durch die Durchführung des Rechtsmittel- bzw. Rechtsbehelfsverfahrens auslösen. Der Betriebsrat müsse prüfen, ob und mit welchen Argumenten ein Rechtsmittel gegen eine zu seinen Lasten ergangene Entscheidung erfolgversprechend ist.

Die Nichtzulassungsbeschwerde sei offensichtlich aussichtslos gewesen, da der Betriebsrat die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründet habe und sie allein zum Zwecke des Aufschubs der Rechtskraft des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts in dem Wahlanfechtungsverfahren einlegte. Es sei dem Betriebsrat um die Vermeidung einer betriebsratslosen Zeit gegangen, um die Belange der Belegschaft zu schützen und die Kontinuität der Arbeitnehmervertretung zu sichern. Für die Rechtsbeschwerde habe kein erheblicher Grund vorgelegen.

Der Betriebsrat durfte die Beauftragung des Rechtsanwalts mit der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht allein deshalb für erforderlich halten, um mit ihr den Eintritt der Rechtskraft des dem Wahlanfechtungsantrag stattgebenden Beschlusses des Landesarbeitsgerichts und damit eine betriebsratslose Zeit zu verhindern.

Der Betriebsrat könne nicht erwarten, dass die Arbeitgeberin die Kosten nach § 40 BetrVG trägt, falls ohne Zweifel ein Unterliegen beim Einleiten gerichtlicher Schritte zu erwarten ist. Das gelte auch, wenn die Nichtzulassungsbeschwerde in einem Wahlanfechtungsverfahren bei einer erfolgreichen Wahlanfechtung durchgeführt wird, um im Interesse der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamts den Eintritt einer betriebsratslosen Zeit zu verhindern.

Die betriebsverfassungsrechtlichen Befugnisse eines Betriebsrats, dessen Wahl erfolgreich nach § 19 BetrVG angefochten wurde, entfallen mit der Rechtskraft der die Unwirksamkeit der Betriebsratswahl aussprechenden gerichtlichen Entscheidung. Eine Weiterführung der Geschäfte bis zur Neuwahl eines Betriebsrats komme in einem solchen Fall nicht in Betracht. Für diesen Fall habe der Gesetzgeber von einer, die Weiterführung der Geschäfte ermöglichenden Übergangsregelung abgesehen, um der gerichtlichen Entscheidung über die Ungültigkeit der Betriebsratswahl und die Auflösung des Betriebsrats Geltung zu verschaffen. Ein ungültig gewählter Betriebsrat solle auch nicht nur vorübergehend weiter amtieren dürfen.

Diese Wirkung der erfolgreichen Wahlanfechtung könne der Betriebsrat auch nicht dadurch verhindern, dass er vor der Rechtskraft der gerichtlichen Entscheidung seinen Rücktritt beschließt. Der zurückgetretene Betriebsrat verliere mit der Rechtskraft der seine Wahl für unwirksam erklärenden gerichtlichen Entscheidung seine Befugnis zur Weiterführung der Betriebsratsgeschäfte.

Die Einlegung einer offensichtlich aussichtslosen kostenverursachenden Nichtzulassungsbeschwerde in einem Wahlanfechtungsverfahren, mit der allein die Fortführung der Geschäfte des Betriebsrats bis zur Neuwahl gesichert werden soll, die das Betriebsverfassungsgesetz ab Eintritt der Rechtskraft des der Wahlanfechtung stattgebenden Beschlusses gerade nicht vorsieht, wahre nicht das berechtigte Kosteninteresse der Arbeitgeberin.