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Vergütung von Bereitschaftsdienst zuhause

Bereitschaftsdienst zuhause kann als Arbeitszeit gelten

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21. Februar 2018, Aktenzeichen C-518/15

Ist ein Bereitschaftsdienst, der zuhause verbracht werden darf, so eingeschränkt, dass der Bereitschaft Leistende dem Ruf der Arbeitgeberin innerhalb von 8 Minuten zu folgen hat, gilt die Bereitschaftszeit als Arbeitszeit und ist entsprechend zu vergüten.

Ein Mitglied der freiwilligen Feuerwehr in der belgischen Stadt Nivelles musste sich in Zeiten der Rufbereitschaft in einer Entfernung aufhalten, die es bei normalem Verkehrsfluss erlaubt, die Feuerwehrkaserne innerhalb von 8 Minuten zu erreichen. Für den Bereitschaftsdienst zuhause wurde eine jährliche Entschädigung in gleicher Höhe festgelegt, wie für die Berufsmitglieder.

Zu den Aufgaben der freiwilligen Mitglieder der Feuerwehr gehört neben den Einsätzen die Wahrnehmung der Wach- und Bereitschaftsdienste in der Kaserne.

Das Mitglied der freiwilligen Feuerwehr steht seit 1980 im Dienst der Stadt Nivelle und ist seit 1981 freiwilliger Feuerwehrmann. Im Jahr 2009 strebte er ein Gerichtsverfahren gegen die Stadt Nivelle an, ihm einen vorläufigen Schadenersatz von einem Euro dafür zu zahlen, dass ihm in seinen Dienstjahren kein Arbeitsentgelt für seine Leistungen als freiwilliger Feuerwehrmann, insbesondere seinen Bereitschaftsdienst zu Hause, gezahlt worden sei. Das Arbeitsgericht Nivelle gab der Klage weitgehend statt.

Die Stadt Nivelle legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Rechtsmittel beim Arbeitsgerichtshof Brüssel ein. Der Arbeitsgerichtshof Brüssel setzte das Verfahren aus, um beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) zu klären, ob der Bereitschaftsdienst unter die Definition von Arbeitszeit im Sinne der europäischen Richtlinie 2003/88 falle.

Der EuGH wies darauf hin, dass die europäische Richtlinie 2003/88 grundsätzlich keine Anwendung auf die Vergütung von Arbeitnehmern finde. Die Richtlinie beschränke sich, bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung zu regeln, um den Schutz von Sicherheit und Gesundheit der Arbeitnehmer zu gewährleisten, mit Ausnahme der Regelung zum bezahlten Jahresurlaub.

Es komme nicht darauf an, dass es im anhängigen Rechtsstreit letztlich um die Frage des Arbeitsentgelts gehe, da es Sache des nationalen Gerichts sei, darüber zu entscheiden.

Die europäische Richtlinie 2003/88 sei auf die Tätigkeiten der Feuerwehr anwendbar. Nach einschlägiger ständiger Rechtsprechung sei jeder als Arbeitnehmer anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt. Das wesentliche Merkmal eines Arbeitsverhältnisses sei, dass jemand während einer bestimmten Zeit für einen anderen nach dessen Weisung Leistungen erbringt, für die er als Gegenleistung eine Vergütung erhält.

Die Rechtsnatur eines Arbeitsverhältnisses nach nationalem Recht habe keine Bedeutung für die Arbeitnehmereigenschaft im Sinne des Unionsrechts. Somit sei es im Sinne der Richtlinie 2003/88 ohne Bedeutung, dass der freiwillige Feuerwehrmann nach nationalem Recht nicht den Status eines Berufsfeuerwehrmanns hat. Er sei als Arbeitnehmer im Sinne der Richtlinie 2003/88 einzuordnen, da aus den dem Europäischen Gerichtshof zur Verfügung stehenden Informationen hervorgehe, dass er in den Feuerwehrdienst der Stadt Nivelles aufgenommen wurde und für diesen bestimmte tatsächliche und echte Tätigkeiten, die vergütet wurden, auf Weisung einer anderen Person ausgeübt habe.

Vom Artikel 2, der europäischen Richtlinie 2003/18, der die zentralen Begriffe definiert, dürfe nicht abgewichen werden. Das gelte insbesondere für die Begriffe Arbeitszeit und Ruhezeit. Die Mitgliedsstaaten haben jedoch das Recht, in ihrem jeweiligen nationalen Recht Regelungen zu treffen, die günstigere Arbeits- und Ruhezeiten für Arbeitnehmer vorsehen als die in der Richtlinie festgelegten. Den Mitgliedstaaten ist es jedoch nicht gestattet, eine weniger restriktive Definition des Begriffs Arbeitszeit beizubehalten oder einzuführen als die in Artikel 2 der europäischen Richtlinie 2003/88.

Die Mitgliedstaaten können somit in ihrem nationalen Recht bestimmen, dass das Arbeitsentgelt eines Arbeitnehmers für die Arbeitszeit von dem für die Ruhezeit abweicht, und dies sogar so weit, dass für letztere Zeiten gar kein Arbeitsentgelt gewährt wird. Die Mitgliedstaaten seien nicht verpflichtet, das Arbeitsentgelt für Bereitschaftszeiten zu Hause wie die im Ausgangsverfahren fraglichen in Abhängigkeit davon festzulegen, ob diese Zeiten als Arbeitszeit oder als Ruhezeit eingestuft werden.

Der freiwillige Feuerwehrmann war verpflichtet, einem Ruf seines Arbeitgebers zum Einsatzort innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, und musste an einem von seinem Arbeitgeber bestimmten Ort persönlich anwesend sein. Jedoch handelte es sich bei diesem Ort um seinen Wohnsitz.

Die Verpflichtung, persönlich an dem vom Arbeitgeber bestimmten Ort anwesend zu sein, sowie die Einschränkung, die sich aus geografischer und zeitlicher Sicht aus dem Erfordernis ergibt, sich innerhalb von acht Minuten am Arbeitsplatz einzufinden, können objektiv die Möglichkeiten eines Arbeitnehmers einschränken, sich seinen persönlichen und sozialen Interessen zu widmen.

Unter diesen Umständen fällt unter den Begriff Arbeitszeit eine Situation, in der ein Arbeitnehmer verpflichtet ist, die Zeit des Bereitschaftsdienstes zu Hause zu verbringen, für seinen Arbeitgeber verfügbar zu sein und sich innerhalb von acht Minuten an seinem Arbeitsplatz einfinden zu können.

Die Bereitschaftszeit, die ein Arbeitnehmer zu Hause verbringt und gleichzeitig der Verpflichtung unterliegt, einem Ruf des Arbeitgebers zum Einsatz innerhalb von acht Minuten Folge zu leisten, wodurch die Möglichkeit, anderen Tätigkeiten nachzugehen, erheblich eingeschränkt wird, ist als Arbeitszeit anzusehen.