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Nach Vorbeschäftigung keine sachgrundlose Befristung

Keine sachgrundlose Befristung bei Vorbeschäftigung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23. Januar 2019, Aktenzeichen 7 AZR 13/17

Die sachgrundlose Befristung soll nach der gesetzgeberischen Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beiträgt, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als Regelfall der Beschäftigung zu erhalten.

Ein Montierer war zunächst für 9 Monate bei einer Automobilherstellerin tätig. Nach einem Zeitraum von ca. 5 ½ Jahren wurde der Montierer erneut befristet zunächst für 6 Monate eingestellt. Im Rahmen von Zusatzvereinbarungen wurde das Arbeitsverhältnis 3-mal um jeweils 6 Monate verlängert und bestand somit über einen Zeitraum von 2 Jahren.

Nach dem Ablauf der dritten Befristungsverlängerung klagte der Montierer vor dem Arbeitsgericht. Er beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der dritten Befristung beendet worden sei. Die Arbeitgeberin habe ihn zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen, da bereits eine Vorbeschäftigung bestand.

Die Arbeitgeberin erwiderte, der Befristungskontrollantrag sei zu unbestimmt und damit unzulässig. Das frühere Arbeitsverhältnis stehe einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegen. Das Ende dieses Arbeitsverhältnisses liege mehr als 3 Jahre zurück und sei deshalb für die sachgrundlose Befristung nicht zu berücksichtigen. Diese Rechtsauffassung habe bei Abschluss des Arbeitsvertrages bestanden. Sie habe den Arbeitsvertrag im Vertrauen auf den Fortbestand dieser Rechtsprechung abgeschlossen.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Arbeitgeberin wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) zurückgewiesen. Mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin weiterhin die Klageabweisung.

Das BAG entschied, der Befristungskontrollklage sei zurecht stattgegeben worden. Das Arbeitsverhältnis habe nicht aufgrund der letzten Befristung geendet. Der Wirksamkeit der Befristung stehe § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) entgegen.

Eine sachgrundlose Befristung ist demnach nicht zulässig, wenn mit derselben Arbeitgeberin bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand. Das erste zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis stehe einer sachgrundlosen Befristung des neuen Arbeitsverhältnisses entgegen, obwohl zwischen beiden Arbeitsverhältnissen mehr als 3 Jahre liegen. Eine sachgrundlose Befristung zwischen denselben Arbeitsparteien sei entsprechend dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes (Urteil vom 6. Juni 2018, Aktenzeichen 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14) nur bei erstmaliger Einstellung zulässig.

Ausnahmen davon könne es nur in besonderen Fällen geben. Etwa, wenn eine Vorbeschäftigung sehr lange zurückliegt, ganz andersgeartet war oder von sehr kurzer Dauer gewesen ist. Das gelte etwa für geringfügige Nebenbeschäftigungen während der Schul-, Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergehe. Die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG lägen im vorliegenden Fall nicht vor.

Bei einem Zeitraum von fünfeinhalb Jahren könne nicht davon ausgegangen werden, dass es sich um einen sehr langen Zeitraum handele.

Bei einer erneuten Einstellung, fünf bis sechs Jahre nach dem Ende der Vorbeschäftigung, würde die Möglichkeit der sachgrundlosen Befristung allein wegen des Zeitablaufs den vom Gesetzgeber mit der Regelung in § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG verfolgten Zweck, das unbefristete Arbeitsverhältnis als Regelbeschäftigungsform zu erhalten, gefährden. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, deren soziale Sicherung und insbesondere auch die Versorgung im Alter maßgeblich an die Erwerbstätigkeit anknüpft, seien auf langfristige und unbefristete Arbeitsverhältnisse angewiesen. Die sachgrundlose Befristung solle daher nach der gesetzgeberischen Konzeption die Ausnahme bleiben, weil dies dazu beitrage, das unbefristete Dauerarbeitsverhältnis als Regelfall der Beschäftigung zu erhalten.

Die vom Montierer zu erbringenden Arbeitsleistungen waren in beiden Arbeitsverhältnissen sehr ähnlich, jeweils in der Fahrzeugmontage. Es handelte sich also nicht um völlig andersgeartete Aufgaben. Mit 9 Monaten sei das erste Arbeitsverhältnis auch nicht von sehr kurzer Dauer gewesen. Sonstige Umstände für eine verfassungskonforme Einschränkung seien nicht ersichtlich.

Höchstrichterliche Rechtsprechung sei kein Gesetzesrecht und erzeuge keine damit vergleichbare Rechtsbindung. Die über den Einzelfall hinausreichende Geltung fachgerichtlicher Gesetzesauslegung beruhe allein auf der Überzeugungskraft ihrer Gründe sowie der Autorität und den Kompetenzen des Gerichts. Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung halte.

Das Bundesarbeitsgericht sei bei der Auslegung und Anwendung spezifischen Verfassungsrechts nicht die höchste Instanz, sodass auch kein entsprechend geschütztes Vertrauen auf den Fortbestand einer höchstrichterlichen Rechtsprechung entstehen könne.

Da die Rechtsprechung des BAG aus dem Jahr 2011 im Zeitpunkt der Begründung des erneuten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien noch nicht vom Bundesverfassungsgericht überprüft und bestätigt worden war, konnte und durfte die Arbeitgeberin den unveränderten Fortbestand der Rechtsprechung nicht als gesichert erachten. Sie musste vielmehr die Möglichkeit in Betracht ziehen, dass die vom Senat vorgenommene verfassungskonforme Auslegung von § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.