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Feststellung der betrieblichen Mitbestimmung des Betriebsrates

Unberechtigtes Feststellungsbegehren des Betriebsrats zur Mitbestimmung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.03.2016, Aktenzeichen 1 ABR 19/14

Der Betriebsrat kann nicht nachträglich feststellen lassen, dass eine bereits durchgeführte personelle Maßnahme mitbestimmungspflichtig gewesen sei. Allerdings kann der Betriebsrat abstrakt und losgelöst vom Einzelfall, festzustellen lassen, ob eine Maßnahme der Mitbestimmung unterfalle.

Einer Mitarbeiterin, die befristet im Sekretariat beschäftigt war, wurde für den Zeitraum von einem Monat das Aufgabengebiet einer Sekretärin übertragen, die während ihrer Zeit des Mutterschutzes nicht im Unternehmen tätig sein konnte. Anschließend wurde der Mitarbeiterin die Teamleitung übertragen. Gleichzeitig wurde das befristete Arbeitsverhältnis der Mitarbeiterin in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis umgewandelt. Die tarifliche Einstufung der Sekretärin wurde nicht verändert, jedoch bekam sie nun eine Teamzulage.

Der Betriebsrat wurde über diese personelle Maßnahme informiert und um Stellungnahme gebeten. Der Betriebsrat stimmte der Versetzung auf die Stelle der Sekretärin für den Zeitraum von Mutterschutz und Elternzeit sowie der unbefristeten Verlängerung des Arbeitsvertrages zu. Widerspruch legte der Betriebsrat zur Übertragung der Funktion der Teamleitung ein. Er habe bereits in einem früheren Schreiben die unzureichende Information über die Aufgaben dieser Teamleitungsstelle beanstandet.

Die Arbeitgeberin vertrat den Standpunkt, es bestehe kein Mitspracherecht bei der Übertragung von Leitungsfunktionen für Teams und Organisationseinheiten.

Der Betriebsrat leitete beim Arbeitsgericht ein Beschlussverfahren ein. Die Arbeitgeberin habe es zu unterlassen, ohne Zustimmung des Betriebsrats Versetzungen oder Umgruppierungen vorzunehmen, beziehungsweise ohne fehlende Zustimmung im gerichtlichen Beschlussverfahren.

In einem zusätzlichen Hilfsantrag verlangte der Betriebsrat die Feststellung, dass die Übertragung der Teamleitung und die damit verbundene Funktionszulage, der Zustimmung des Betriebsrats oder der gerichtlichen Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats bedurft hätte. Im weiteren Verfahrensverlauf ging es nur noch um diesen Hilfsantrag, der auf den persönlichen Fall der Mitarbeiterin zugeschnitten war.

Die Arbeitgeberin argumentierte, der Betriebsrat hätte die Aufhebung der personellen Maßnahme beantragen müssen.

Das Arbeitsgericht wies die Klage mit sämtlichen Anträgen des Betriebsrats ab. Der Betriebsrat legte beim Landesarbeitsgericht (LAG) Beschwerde gegen die Abweisung seines Hilfsantrages ein. Das LAG gab der Beschwerde des Betriebsrats gegen die Abweisung seines Hilfsantrages statt.

Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichtes.

Das BAG urteilte, das Feststellungsbegehren des Betriebsrats sei unzulässig. Es fehle das notwendige Interesse an einer alsbaldigen Feststellung nach § 256 Absatz 1 ZPO (Zivilprozessordnung).

Für eine auf die Vergangenheit gerichtete Feststellung, aus der sich keine Rechtsfeststellungen für die Zukunft ergäben, bestehe kein besonderes rechtliches Interesse.

Gerichte hätten nicht die Aufgabe, Beteiligten zu bescheinigen, dass sie im Recht waren oder eine Rechtsfrage gutachterlich zu klären.

Ein Betriebsrat habe kein rechtliches Interesse an einer gerichtlichen Feststellung, dass ihm bei einer bereits endgültig durchgeführten personellen Maßnahme ein Mitbestimmungsrecht zugestanden habe.

Übertragung von Teamleitung und die Gewährung der Funktionszulage lägen in der Vergangenheit und seien endgültig durchgeführt. Für den Fall einer Versetzung oder Umgruppierung hätte der Betriebsrat beantragen müssen, dass der Arbeitgeberin aufgegeben wird, die Versetzung aufzuheben und zu einer Umgruppierung oder Eingruppierung die Zustimmung einzuholen und im Falle einer Weigerung das gerichtliche Ersetzungsverfahren einzuleiten. Das seien die rechtlichen Mittel, die einem Betriebsrat zustehen, falls die Arbeitgeberin ohne seine Zustimmung personelle Maßnahmen endgültig vorgenommen habe. So könne der Betriebsrat erreichen, dass der betriebsverfassungswidrige Zustand beseitigt wird.

Prinzipiell könne der Betriebsrat die Frage, ob eine konkrete Maßnahme dem Mitbestimmungsrecht unterliege, losgelöst vom Einzelfall abstrakt feststellen lassen. Im vorliegenden Fall sei das nicht möglich. Der vom Betriebsrat gestellte allgemeine Feststellungsantrag wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen und war nicht mehr Bestandteil seiner Beschwerde. Das Begehren des Betriebsrats könne nunmehr allein als konkret auf die Maßnahme bezogener Antrag gewertet werden. Andere Auslegungen wären ein Verstoß gegen § 308 der ZPO. Somit habe der Betriebsrat kein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung.