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Vor Änderungskündigung sind andere Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen

Reduzierung der Arbeitszeit durch Änderungskündigung

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.11.2018, Aktenzeichen 10 Sa 630/18

Bevor eine Änderungskündigung zur Reduzierung der Arbeitszeit ausgesprochen wird, hat die Arbeitgeberin zu prüfen, ob dem betroffenen Arbeitnehmer andere Arbeiten zugewiesen werden können.

Eine Fachbereichsleiterin Bauen, Wohnen und Ordnung leitete in ihrem Fachbereich 7 Mitarbeiter.  Die Arbeitgeberin veranlasste eine externe Organisationsuntersuchung. Dabei wurde überprüft, ob die in der Verwaltung des Amtes eingesetzten Mitarbeiter hinsichtlich ihres Arbeitsvolumen ausgelastet und tarifgerecht eingruppiert waren. Die Untersuchung ergab unter anderem, dass die Fachbereichsleiterin nur etwa zu 30 Prozent ihrer Arbeitszeit ausgelastet sei. Streitig blieb dabei, ob das Gutachten alle Aufgaben der Fachbereichsleiterin erfasst hatte.

Im Juli 2017 wurde vom Amtsausschuss eine Änderung des Stellenplanes beschlossen. Daraus folgte, der Arbeitsumfang der Fachbereichsleiterin reduzierte sich zum März 2018 um 50 Prozent, unter Beibehalt der bisherigen Entgeltgruppe. Im September 2017 erhielt die Fachbereichsleiterin eine Änderungskündigung aus betriebsbedingten Gründen zur Reduzierung der Stelle auf 0,5 Vollbeschäftigteneinheiten. Als Begründung wurde die externe Stellenüberprüfung aufgeführt.

Im Oktober 2017 klagte die Fachbereichsleiterin vor dem Arbeitsgericht gegen die Änderungskündigung mit einer Änderungsschutzklage. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Dringende betriebliche Gründe lägen nicht vor. Die geänderten Arbeitsbedingungen seien unzumutbar. Es läge keine Unterauslastung im angegebenen Umfang von 70 Prozent vor. Entsprechend den Zeiterfassungsunterlagen hätten sich für die Jahre 2017 und 2018 Mehrarbeitsstunden von 60 und 66 Stunden ergeben. Das Ergebnis der Organisationsuntersuchung sei ihr nicht vollständig bekannt, deshalb könne sie sich nicht dazu erklären. Die Grundlagen des Gutachtens seien jedoch fehlerhaft, da die Fachbereichsleiterin und ihre Mitarbeiter keine Zahlen zugearbeitet hätten.

Der Aufgabenbereich der Fachbereichsleiterin ergebe sich aus dem Produktplan einschließlich der Produktbeschreibung aus dem Amtshaushalt. Mit der Reduzierung des Arbeitszeitvolumens könne sie ihre Pflichtaufgaben nicht mehr im erforderlichen Umfang wahrnehmen. Die Arbeitsplatzbeschreibung für ihre Stelle umfasse ebenfalls wesentlich mehr Aufgaben.

Das beklagte Land als Arbeitgeberin rechtfertigt die Änderungskündigung. Entsprechend dem erstellten Gutachten könnten die der Fachbereichsleiterin unterstellten Mitarbeiter ihre Aufgaben selbstständig ohne Anleitung und Kontrolle erledigen. In der Praxis finde auch keine Anleitung oder Überprüfung im angegebenen zeitlichen Umfang statt. Einige dem Fachbereich zugeordneten Bereiche würden von der Amtsdirektorin bzw. dem Fachdienst des Landkreises fachlich angeleitet. Die Städtebauförderung der amtsangehörigen Gemeinden stehe vor dem Abschluss.

Stellenstreichungen im Haushaltsplan des Öffentlichen Dienstes würden eine von den Gerichten nicht überprüfbare Entscheidung darstellen. Der Arbeitgeberin obliege die Entscheidung, mit wie vielen Arbeitnehmern die Arbeitsaufgabe zu erledigen sei. Gerichte hätten nur die Befugnis zur Überprüfung der Entscheidung auf Unsachlichkeit, Unvernünftigkeit oder Willkür, nicht auf deren sachliche Rechtfertigung oder Zweckmäßigkeit.

Der Beschluss des Amtsausschusses zur Stellenreduzierung beruhe auf den Erkenntnissen der Untersuchung der Organisation. Die Aufgaben der Fachbereichsleiterin ergäben sich aus der Stellenbeschreibung, nicht aus dem Produktplan. Die von der Fachbereichsleiterin angegebenen Mehrstunden wären so nicht richtig, sondern lägen deutlich unter den angegebenen Werten. Die angegebenen Zeiten würden aber nur die Anwesenheit und keine Arbeitsleistung dokumentieren.

Das Gutachten sei nicht fehlerhaft. Die Mitarbeiter hätten einen Fragebogen ausgefüllt und gespeichert. Gemeinsam mit dem Interviewer sei in diesem Zusammenhang die Arbeitsplatzbeschreibung besprochen und korrigiert worden. Mit der Fachbereichsleiterin sei dieses Gespräch im April 2016 geführt worden. Ende August 2016 seien die Gespräche mit den Mitarbeitern geführt worden. Es habe keiner Sozialauswahl bedurft, da es nur eine weitere Stelle mit gleicher Entlohnung aber unterschiedlicher Fachtätigkeit gab.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Mit dem Beschluss des Amtsausschusses sei der Haushalts- und Stellenplan geändert worden. Diese Entscheidung sei weder offensichtlich unsachlich, unvernünftig oder willkürlich. Die Änderungskündigung sei nicht zu beanstanden, da das Amt dem Stellenplan Folge leisten müsse.

Die Fachbereichsleiterin legte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Die Änderung des Stellenplanes sei willkürlich. Der Beschluss bezüglich ihrer Änderungskündigung sei fehlerhaft und das Bedürfnis ihrer Beschäftigung sei nicht teilweise weggefallen. Das Amt verstoße gegen die Kommunalverfassung, wenn es die Hierarchieebene der Fachbereichsleitung Bauen und Ordnung wegfallen lasse. Es gebe Anhaltspunkte, dass die Auftragsvergabe für das Gutachten unseriös erfolgte. Die Vergabe erfolgte ohne Ausschreibung, obwohl der Schwellenwert für Ausschreibungen überschritten wurde. Die Fachbereichsleiter seien nicht einbezogen worden. Es gäbe Anhaltspunkte dafür, dass sie durch den Ausspruch einer unannehmbaren Kündigung aus dem Amt gedrängt werden solle, trotz bestehendem Beschäftigungsbedarf und -möglichkeit.

Die im Gutachten angenommene Unterauslastung bestehe in der Praxis nicht. Nach der Änderungskündigung könne die Fachbereichsleiterin keine Leitungstätigkeit mehr ausüben, die Mitarbeiter blieben ohne Kontrolle und Aufsicht. Das Gutachten berücksichtige auch nicht, dass die Fachbereichsleiterin die Amtsleiterin bei Abwesenheit zu vertreten habe. Entsprechend dem Gutachten hätten ihr auch Stellenanteile aus den überlasteten Bereichen übertragen werden können. Die Sozialauswahl sei fehlerhaft, da sie, die Fachbereichsleiterin, nach Einarbeitung auch die Aufgaben der Kämmerin übernehmen könne. Diese sei deutlich jünger und später beim Amt eingestellt worden.

Die Arbeitgeberin erklärte in der Klageerwiderung, die Fachbereichsleiterin sei nicht Stellvertreterin der Amtsleiterin, sondern die Kämmerin. Es sei keine Hierarchieebene weggefallen, lediglich der Stellenanteil sei verkürzt worden. Aus Kostengründen könnten Aufgaben des Bereiches Gebäude- und Grundstücksmanagement nicht an den Bereich Bauen und Ordnung übertragen werden. Die Behauptung der persönlichen Antipathie der Amtsdirektorin sei ungerechtfertigt und werde zurückgewiesen. Die Änderungskündigung gehe auf den Beschluss des Amtsausschusses vom Juli 2017 zurück. Dieser sei nicht zu beanstanden. Die Grundlage hierfür bilde die Organisationsuntersuchung, welche fachlich fundiert sei.

Das LAG entschied, die Berufung sei begründet. Bei der Arbeitgeberin seien nicht Beschäftigungsmöglichkeiten im Umfang von 20 Stunden entfallen. Die beschlossene Änderung des Stellenplanes sei als unternehmerische Entscheidung hinzunehmen. Allerdings führe diese Entscheidung nicht zu dem geltend gemachten Änderungsbedarf und wirke sich nicht auf die Einsatzmöglichkeit der Fachbereichsleiterin aus.

Entsprechend der Organisationsuntersuchung wurde empfohlen, Aufgaben umzuverteilen, da einige Bereich unterlastet, andere überlastet seien. Zur Vermeidung der Änderungskündigung hätten der Fachbereichsleiterin Aufgaben zugewiesen werden müssen. Die freien Kapazitäten der Fachbereichsleiterin hätten mit Arbeitsaufgaben aus dem Fachbereich aufgefüllt werden können. Entsprechend dem Gutachten verblieb ein Arbeitsvolumen von 60% einer Vollzeitstelle. Dieses hätte der Fachbereichsleiterin zugewiesen werden müssen.

In den Grenzen von § 106 Satz 1 GewO (Gewerbeverordnung) und § 315 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ist es zulässig und einem Arbeitgeber möglich, Aufgaben zuzuweisen. Im Arbeitsvertrag sei lediglich vereinbart worden, dass die Fachbereichsleiterin als vollbeschäftigte Angestellte eingestellt werde. Arbeitnehmer im Öffentlichen Dienst würden nicht für eine bestimmte Tätigkeit, sondern für einen allgemein umschriebenen Aufgabenbereich eingestellt, der lediglich durch die Entgeltgruppe bezeichnet wird.

Das Direktionsrecht oder Weisungsrecht der Arbeitgeberin richte sich vor allem nach dem Inhalt des Arbeitsvertrages. Im Öffentlichen Dienst erstrecke sich das Weisungsrecht nach ständiger Rechtsprechung des BAG (Bundesarbeitsgericht) auf alle Tätigkeiten, die die Merkmale der Vergütungsgruppe erfüllen. Dem Arbeitnehmer könnten grundsätzlich auch neue Tätigkeiten zugewiesen werden, soweit sie den Merkmalen dieser Vergütungsgruppe entsprechen. Im Wege des Weisungsrechts könnten dem Arbeitnehmer jedoch keine Tätigkeiten einer niedrigeren Vergütungsgruppe übertragen werden, weil damit regelmäßig eine Änderung der vertraglich zugesagten Vergütung verbunden sei. Die Art der Beschäftigung könne ebenfalls nicht unbegrenzt durch das allgemeine Direktionsrecht abgeändert werden.

Da die Tätigkeit der Fachbereichsleiterin jedoch mit 50% einer Vollzeitkraft aus einem einzigen Arbeitsvorgang bestehe, könne ihr, ohne dass es eingruppierungsschädlich wäre, für weitere 50% eine geringerwertige Tätigkeit im Rahmen des § 106 GewO zugewiesen werden. Damit bleibe die Arbeit gleichwertig im Sinne der Rechtsprechung des BAG. Zwischen den Parteien sei unstreitig, dass insbesondere in kleineren Verwaltungseinheiten es den Verwaltungskräften zumutbar sei auch Sachbearbeitertätigkeiten zu übernehmen.

Die Revision zu dieser Entscheidung wurde nicht zugelassen.