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Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt

Betriebsrätemodernisierungsgesetz (BMAS)

Gesetz zur Förderung der Betriebsratswahlen und der Betriebsratsarbeit in einer digitalen Arbeitswelt

Der Gesetzentwurf vom 31.März 2021 erleichtert die Gründung von Betriebsräten und stärkt den Schutz der hieran beteiligten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Er stärkt die Mitbestimmungsrechte beim Einsatz Künstlicher Intelligenz und bei der Ausgestaltung mobiler Arbeit in den Betrieben und erleichtert die Arbeit der Betriebsräte.

Im Sommer 2021 soll das neue Betriebsrätemodernisierungsgesetz (BMAS) verkündet und in Kraft gesetzt werden. Im Dezember 2020 wurde dazu ein Referentenentwurf vorgelegt und am 31. März 2021 ein Regierungsentwurf verabschiedet.

Notwendige Änderungen erfolgen vorrangig im Betriebsverfassungsgesetz und Kündigungsschutzgesetz. Sowie kleinere Änderungen am Sprecherausschussgesetz und der Werkstätten-Mitwirkungsverordnung.

Folgende Themen werden vom Gesetzentwurf umfasst und nachfolgend erläutert:

Kündigungsschutz bei Betriebsratsgründung, Vereinfachung des Wahlverfahrens für Betriebsräte – Stützunterschriften, Betriebsratssitzungen per Video- und Telekonferenz, Betriebliche Qualifizierung, Künstliche Intelligenz – KI, Datenschutz, Mitbestimmung bei mobiler Arbeit, Berufsausbildung.

Kündigungsschutz während Betriebsratsgründung

Die Ursachen für die abnehmende Vertretung durch Betriebsräte seien vielfältig. So sei es durchaus denkbar, dass Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besonders in kleinen Betrieben bewusst auf die Gründung eines Betriebsrats verzichten. Andererseits häuften sich Berichte, dass in manchen Betrieben Arbeitgeber mit zum Teil drastischen Mitteln die Gründung von Betriebsräten verhindern. In kleineren Betrieben könnten daneben die Formalien des regulären Wahlverfahrens eine Hemmschwelle darstellen, die es bei der Organisation einer Betriebsratswahl zu überwinden gilt. Vor diesem Hintergrund hat die Bundesregierung es sich zum Ziel gesetzt, die Gründung und Wahl von Betriebsräten zu fördern und zu erleichtern und zugleich die Fälle der Behinderungen von Betriebsratswahlen zu reduzieren.

Der Kündigungsschutz beginnt für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die erstmals einen Betriebsrat gründen möchten, erst mit der Einladung zur Wahlversammlung und umfasst nur die ersten drei in der Einladung genannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In der Praxis stellen die drei Einladenden häufig auch den aus drei Personen bestehenden Wahlvorstand. Fällt eine der drei Personen etwa wegen Krankheit aus oder wird eingeschüchtert, besteht die Gefahr, dass die Betriebsratswahl zunächst nicht erfolgreich durchgeführt werden kann, da nicht die erforderliche Anzahl an Wahlvorstandsmitgliedern vorhanden ist. Deshalb wird die Zahl der geschützten Einladenden auf sechs erhöht. Diese Erhöhung soll es mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, sich offen für die Betriebsratswahl zu engagieren. Denn oft stellen die drei Einladenden später auch den dreiköpfigen Wahlvorstand. Erkrankt eine einladende Person oder gibt ihr Engagement auf, so kann dies bei der bisherigen Anzahl dazu führen, dass es an Personen fehlt, die bereit sind, sich offen für die Wahlvorbereitung zu engagieren und sich als Wahlvorstand zur Wahl stellen.

Der Kündigungsschutz hat zwei Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssen:

Zum einen muss die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer eine Vorbereitungshandlung für die Errichtung eines Betriebsrats oder einer Bordvertretung unternommen haben.  Zum anderen muss die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer eine öffentlich beglaubigte Erklärung nach § 129 BGB mit dem Inhalt abgegeben haben, dass sie oder er die Absicht hat, einen Betriebsrat oder eine Bordvertretung zu errichten. Die Unterschrift unter die AbsichtserkIärung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers muss von einem Notar beglaubigt werden.

In der Praxis beginnen die Vorbereitungen häufig schon vor dem Einladungsschreiben. Diese Vorbereitungen können für Dritte, insbesondere den Arbeitgeber bereits erkennbar sein, obwohl sie ihm gegenüber meist aus Sorge vor Sanktionen nicht offengelegt werden, sondern dies erst mit dem Einladungsschreiben geschieht. Gleichzeitig kann es sich bei diesen Vorbereitungen um eine höchst riskante Phase für die engagierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer handeln. Sie genießen noch keinen speziellen Kündigungsschutz. Arbeitgeber, die gegen eine Betriebsratsgründung sind und selbst oder durch Dritte von den Vorbereitungen erfahren, könnten dies nutzen, um im Vorfeld die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einzuschüchtern, zum Beispiel mit der Androhung einer Kündigung.

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Vorbereitungshandlungen zur Errichtung eines Betriebsrats oder einer Bordvertretung unter den Voraussetzungen dieses Absatzes unternehmen, sind in dieser Zeit vor verhaltensbedingten- und personenbedingten ordentlichen Kündigungen geschützt. Notwendige betriebsbedingte ordentliche Kündigungen bleiben unverändert möglich.

Vereinfachung Wahlverfahren für Betriebsräte – Stützunterschriften

Um in kleinen Betrieben die Formalitäten der Wahl zu vereinfachen, wird die Anzahl der erforderlichen Stützunterschriften reduziert und in Betrieben mit bis zu 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer positiv festgeschrieben. In Betrieben mit bis zu 20 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern entfällt das Erfordernis einer Unterzeichnung der Wahlvorschläge gänzlich. In Betrieben mit mehr als 20 und bis zu 100 Wahlberechtigten erfolgt eine pauschale Absenkung auf mindestens zwei Stützunterschriften.

In Betrieben mit 21 bis 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ist weiterhin für Vorschläge, die erst auf der Wahlversammlung gemacht werden, keine Schriftform erforderlich. Die erforderlichen zwei Unterstützerinnen oder Unterstützer können die Unterstützung eines Wahlvorschlags also auch zum Beispiel per Handzeichen kundtun.

In Betrieben mit mehr als 100 wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bleibt es bei dem bisherigen Erfordernis der Unterzeichnung durch mindestens ein Zwanzigstel der wahlberechtigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. In jedem Fall genügt die Unterzeichnung durch fünfzig wahlberechtigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

Anfechtung der Betriebsratswahl

Eine Anfechtung der Betriebsratswahl durch den Arbeitgeber ist dann ausgeschlossen, wenn die Anfechtung auf der Unrichtigkeit der Wählerliste beruht. Für die Bereitstellung der Wählerlisten ist der Arbeitgeber verantwortlich und somit auch für unrichtige Angaben in den Wählerlisten.

Die Anfechtung ist auch durch die Wahlberechtigten ausgeschlossen, soweit sie die Unrichtigkeit der Wählerliste betrifft, falls nicht zuvor aus demselben Grund ordnungsgemäß Einspruch gegen die Richtigkeit der Wählerliste erhoben wurde.

Betriebsratssitzungen per Video- oder Telefonkonferenz

Grundsätzlich sollen Betriebsratssitzungen unter Anwesenheit der Betriebsratsmitglieder Vor-Ort als Präsenzsitzung stattfinden. Sitzungen und Beschlussfassungen können aber auch mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, wenn die erforderlichen Voraussetzungen eingehalten werden. Dabei können einzelne Mitglieder oder der gesamte Betriebsrat per Video- oder Telekonferenz einbezogen werden. Die Entscheidung über die Durchführung per Video- oder Telekonferenz liegt ausschließlich beim Betriebsrat. Der Arbeitgeber kann die Durchführung per Video- oder Telekonferenz nicht verlangen.

Die Durchführung als Präsenzsitzung ist gegenüber einer mittels Video- und Telefonkonferenz durchgeführten Betriebsratssitzung vorzugswürdig, da Körpersprache, Mimik oder Gestik nicht in gleicher Weise wahrgenommen werden können. Auch ein vertraulicher Einzelaustausch von einzelnen Betriebsratsmitgliedern, der für die Meinungsbildung wichtig sein kann, ist im elektronischen Konferenzmodus nicht möglich.

Widerspricht mindestens ein Viertel der Betriebsratsmitglieder der Durchführung per Video- oder Telekonferenz darf diese nicht durchgeführt werden. Dritte dürfen von dem Inhalt der Betriebsratssitzung keine Kenntnis erhalten. Deshalb muss eine verschlüsselte Verbindung für die Übertragung verwendet werden und die Teilnahme darf nur in nichtöffentlichen Räumen erfolgen. Sobald nicht teilnahmeberechtigte Personen den Raum betreten, ist unverzüglich darüber zu informieren. Die Vorgaben der Datenschutz-Grundverordnung sowie des Bundesdatenschutzgesetzes sind zu beachten. Der Arbeitgeber ist verpflichtet technische Sicherungsmaßnahmen zur Verfügung zu stellen. Für die Teilnahme von Menschen mit Behinderungen ist die Nutzung von Video- und Telefonkonferenzen barrierefrei zugänglich und nutzbar zu gestalten.

Betriebsratssitzungen, die mittels Video- oder Telefonkonferenz durchgeführt werden, dürfen nicht aufgezeichnet werden.

Eine Beschlussfassung der Betriebsratssitzung kann wirksam erfolgen, wenn einzelne oder alle Betriebsratsmitglieder mittels Video- und Telefonkonferenz an ihr teilnehmen.

Elektronische Unterzeichnung

Die Schriftform zur Unterzeichnung einer Betriebsvereinbarung ist auch dann gewahrt, wenn die Signatur elektronisch erfolgt.

Der Vorsitzende der Einigungsstelle darf Beschlüsse elektronisch unterzeichnen. Die Regelung überträgt die Möglichkeit zur Wahrung der Schriftform durch Verwendung von qualifizierten elektronischen Signaturen auch auf den Interessenausgleich und Sozialplan.

Datenschutz

Die Verantwortlichkeit für die Verarbeitung personenbezogener Daten durch den Betriebsrat liegt beim Arbeitgeber. Damit wird die seit Einführung des Datenschutzgesetzes umstrittene Regelung, dass der Betriebsrat dafür verantwortlich sein soll, abgelöst. Da der Betriebsrat nach außen keine rechtliche verselbständigte Institution darstellt, hält der Gesetzgeber diese neue Regelung für gerechtfertigt.

Der Betriebsrat agiert als institutionell unselbständiger Teil des für die Einhaltung des Datenschutzes verantwortlichen Arbeitgebers und hat bei der Verarbeitung personenbezogener, teils sensibler Beschäftigtendaten die datenschutzrechtlichen Vorschriften einzuhalten.

Die beiderseitige Unterstützungspflicht von Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften beruht auf der datenschutzrechtlichen Verantwortlichkeit des Arbeitgebers einerseits und der innerorganisatorischen Selbständigkeit und Weisungsfreiheit des Betriebsrats andererseits. Daher sind Arbeitgeber und Betriebsrat bei der Erfüllung der datenschutzrechtlichen Pflichten in vielfacher Weise auf gegenseitige Unterstützung angewiesen: So habe der Betriebsrat zum Beispiel keine Pflicht, ein eigenes Verzeichnis von Verarbeitungstätigkeiten zu führen. Das Verarbeitungsverzeichnis des Arbeitgebers muss jedoch auch die Verarbeitungstätigkeiten des Betriebsrats enthalten.

Innerhalb seines Zuständigkeitsbereiches hat der Betriebsrat eigenverantwortlich technische und organisatorische Maßnahmen zum Datenschutz umzusetzen. Der Arbeitgeber muss den Betriebsrat mit den hierfür notwendigen Sachmitteln ausstatten. Falls erforderlich, kann der Betriebsrat Beratung durch den betrieblichen Datenschutzbeauftragten in Anspruch nehmen.

Künstliche Intelligenz (KI)

Dem Betriebsrat ist ein vereinfachter Zugriff auf Sachverstand zu Fragen der künstlichen Intelligenz zu verschaffen. Das betrifft insbesondere seine Beurteilungsfähigkeit bei der Einführung und Anwendung von KI. Mit der neuen Regelung entfällt die Erforderlichkeit der Prüfung ob es notwendig ist, einen Sachverständigen hinzuzuziehen. Den Betriebsparteien steht es offen, zu vereinbaren, dass der Betriebsrat jederzeit auf einen ständigen Sachverständigen bei der Einführung oder Anwendung von KI zugreifen kann. Der Betriebsrat soll in die Lage versetzt werden, bei Fragen der KI schneller reagieren zu können. Für den Arbeitgeber werden hierdurch wichtige, zeitnahe Entscheidungen gefördert.

Der Betriebsrat hat auch bei Auswahlrichtlinien für Einstellungen, Versetzungen, Umgruppierungen und Kündigungen mitzuentscheiden, wenn bei der Aufstellung der Richtlinien KI zum Einsatz kommt. Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn eine KI-Anwendung eigenständig oder innerhalb eines von einem Dritten vorgegebenen Rahmens Auswahlrichtlinien aufstellt.

Mobile Arbeit

Dem Betriebsrat wird ein Mitbestimmungsrecht über die Ausgestaltung der mobilen Arbeiten, die mittels Informations- und Kommunikationstechnik erbracht werden, gegeben. Dazu gehören keine Arbeiten die ohne Informations- und Kommunikationstechnik erbracht werden können, wie etwa Fahrer oder Boten oder wenn sich die Mobilität zwingend aus der Art der Arbeit ergibt, wie etwa bei Handelsvertretern oder Monteuren. Ob überhaupt mobile Arbeit durchgeführt wird, bleibt in der Entscheidungsbefugnis des Arbeitgebers.

Zum mobilen Mitbestimmungsrecht gehören zum Beispiel Regelungen über den zeitlichen Umfang mobiler Arbeit, über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit in Bezug auf mobile Arbeit oder über den Ort, von welchem aus mobil gearbeitet werden kann und darf. Es können Regelungen zu konkreten Anwesenheitspflichten in der Betriebsstätte des Arbeitgebers, zur Erreichbarkeit, zum Umgang mit Arbeitsmitteln der mobilen Arbeit und über einzuhaltende Sicherheitsaspekte getroffen werden.

Keine Altersgrenze mehr für Auszubildende in Interessenvertretung

Auszubildende sind heute zunehmend häufig älter als 25 Jahre. Von den Ausländerinnen und Ausländern, die eine Ausbildung beginnen sind 27,8 Prozent 24 Jahre oder älter. Die Streichung der Altersgrenze bei Auszubildenden und das alleinige Abstellen auf deren Status trägt diesen gesellschaftlichen Realitäten Rechnung. Damit sind Auszubildende, die älter als 25 Jahre sind, nicht mehr von einer Interessenvertretung durch die Jugend- und Auszubildendenvertretung ausgeschlossen.

Bei der Berechnung des Schwellenwertes, ab dem eine Jugend- und Auszubildendenvertretung errichtet werden kann, werden künftig alle Auszubildenden unabhängig von ihrem Alter mitgezählt. Auszubildende sind künftig unabhängig von ihrem Alter passiv wahlberechtigt. Unabhängig von ihrem Alter bleiben Mitglieder der Jugend- und Auszubildendenvertretung, die als Auszubildende in das Gremium gewählt worden sind, auch nach Beendigung des Berufsausbildungsverhältnisses bis zum Ende ihrer Amtszeit Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung.

 Berufsbildung

Der Arbeitgeber hat mit dem Betriebsrat Fragen der Berufsbildung zu beraten. Kommt im Rahmen der Beratung keine Einigung über Maßnahmen der Berufsbildung zustande, können der Arbeitgeber oder der Betriebsrat die Einigungsstelle um Vermittlung anrufen. Die Einigungsstelle übernimmt in diesem Fall eine moderierende Funktion zwischen den Parteien und versucht, auf eine Einigung hinzuwirken. Ein Einigungszwang besteht nicht.