Befristung im Arbeitsvertrag unbegründet
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.09.2013, Aktenzeichen 7 AZR 107/12
Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses ist ungültig, wenn beim Abschluss des Arbeitsvertrages nicht eindeutig der Wegfall der Arbeitsaufgabe erkennbar ist. Die Befristung eines Arbeitsauftrages gegenüber der Arbeitgeberin ist kein Grund das unternehmerische Risiko auf Beschäftigte abzuwälzen.
Kommunalen Trägern wurde die Möglichkeit eröffnet, anstelle der Bundesagentur für Arbeit die Grundsicherung für Arbeitssuchende zu übernehmen. Zunächst wurde im Sozialgesetzbuch eine Experimentierklausel (§ 6a SGB II) formuliert, die einen Experimentierzeitraum von Anfang Januar 2005 bis Ende Dezember 2010 beschrieb. In diesem Zeitraum sollte getestet werden, ob zukünftig eine dauerhafte Vergabe der Aufgaben an kommunale Träger erfolgen kann.
Der beklagte Landkreis organisierte in diesem Sinne ein Zentrum für Arbeit, in dem mehr als 120 Arbeitnehmer beschäftigt wurden. Die Klägerin war als Sachbearbeiterin nach den Regelungen des öffentlichen Dienstes angestellt. Der Arbeitsvertrag sah die Beschäftigung „für die Dauer der Zulassung des Landkreises L als kommunaler Träger der Grundsicherung für Arbeitssuchende, längstens bis zum 31.12.2010“ vor.
Mit § 6a Abs. 1 SGB II in der Fassung von Artikel 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Organisation der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 3. August 2010 (BGBl. I S. 1112) – gültig ab 11. August 2010 – wurde die unbefristete Verlängerung der Zulassungen kommunaler Träger für die Grundsicherung für Arbeitsuchende geregelt. Der Landkreis wurde zugelassener kommunaler Träger. Er übernahm über den Dezember 2010 hinaus 107 der befristeten Beschäftigten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Sachbearbeiterin wurde nicht übernommen.
Im Januar 2011 klagte die Sachbearbeiterin gegen die Befristung ihres Arbeitsverhältnisses, mit der Begründung, die Befristung sei unwirksam. Die Befristung sei nicht transparent und sachlich nicht gerechtfertigt. Die Arbeitgeberin hätte nicht mit Sicherheit davon ausgehen können, dass zu erledigenden Arbeitsaufgaben zum Befristungstermin entfallen würden.
Das Arbeitsgericht Emden (Urteil vom 3. Mai 2011 – 2 Ca 39/11) stellte fest, das Arbeitsverhältnis sei nicht durch die Befristung des Arbeitsverhältnisses beendet worden und entsprach dem Antrag der Sachbearbeiterin auf Weiterbeschäftigung. Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (Urteil vom 6. Dezember 2011 – 11 Sa 802/11) wies im Revisionsverfahren die Klage insgesamt ab. Vor dem Bundesarbeitsgericht verfolgte die Sachbearbeitung die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts.
Das BAG widmete sich ausschließlich mit der Frage, ob die Befristung gerechtfertigt war. Es entschied nicht über die Anträge auf Weiterbeschäftigung und Wiedereinstellung. Das BAG stufte diese Frage als Befristungskontrollklage nach § 17 Satz 1 TzBfG (Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge) ein.
Nach Ansicht des BAG bedarf die Befristung eines Arbeitsverhältnisses eines sachlichen Grunds, etwa weil der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung nur vorübergehend besteht.
Der Sachgrund des § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG setzt voraus, dass im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein dauerhafter betrieblicher Bedarf mehr besteht. Es genüge nicht wenn sich unbestimmt abzeichne, dass zukünftig die Tätigkeit der Arbeitnehmerin entbehrlich sein könnte.
Wird ein befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen, müsse die Arbeitgeberin eine Prognose unter Angabe konkreter Anhaltspunkte erstellen, warum nach der Befristung kein dauerhafter Bedarf betrieblicher Bedarf besteht. Diese Prognose wird als Teil des Sachgrundes zum Begründungsbestandteil der befristeten Beschäftigung.
Der Sachgrund nach § 14 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG dürfe sich nicht auf die Ungewissheit des Unternehmens über den zukünftigen Arbeitskräftebedarf stützen. Dieser Ungewissheit gehört zum unternehmerischen Risiko. Erhält das Unternehmen zeitlich befristete Aufträge von seinen Kunden, darf es das damit verbundene unternehmerische Risiko nicht auf seine Mitarbeiter in Form von befristeten Arbeitsverträgen abwälzen.
Nach Ansicht des BAG stützte sich die Prognose der Arbeitgeberin nur unzureichend auf die zum Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages geltende Gesetzeslage. Die Prognose hätte berücksichtigen müssen, dass die Grundsicherung für Arbeitssuchende eine Aufgabe ist, die als sozialstaatliche Daueraufgabe keiner zeitlichen Begrenzung unterliegt. Bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages sei bereits erkennbar gewesen, dass die in zeitlich begrenzter Trägerschaft übernommenen Aufgaben nicht wegfallen. Es handelte sich von staatlicher Seite um eine Erprobung, die aufzeigen sollte, wie künftig die Vergabe der Aufgaben zur Grundsicherung für Arbeitssuchende erfolgen kann. Es war lediglich unbekannt, in welcher Trägerschaft nach der Erprobungsphase die Aufgaben zukünftig erfüllt werden.
Die Argumentation der Befristung war für das BAG auch deshalb nicht besonders stichhaltig, weil sehr viele andere Arbeitnehmer nach dem Ende der Befristung unbefristet übernommen wurden.
Das BAG entschied:
Das Arbeitsverhältnis der Parteien hat nicht aufgrund der im Arbeitsvertrag vom 21. Oktober 2005 vereinbarten kalendermäßigen Befristung zum 31. Dezember 2010 geendet.