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Flashmob kann Streik unterstützen

Streikbegleitender Flashmob ist Arbeitskampf

Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 26.04.2014, Aktenzeichen 1 BvR 3185/09

Gewerkschaftlich organisierte Flasmobs sind generell ein zulässiges Mittel des Arbeitskampfes. Als streikbegleitende Aktionen der Gewerkschaft, mit denen tarifliche Ziele verfolgt werden, fallen Flashmobs unter den Schutzbereich von Artikel 9 Absatz 3 des Grundgesetzes urteilte das Bundesverfassungsgericht.

Ca. 40 bis 50 Mitglieder der Gewerkschaft ver.di nahmen in einer Filiale eines Mitgliedsunternehmens an einen Flashmob teil. Die Aktion wurde von der Gewerkschaft per SMS koordiniert. Zunächst wurden von drei Teilnehmern der Aktion Flugblätter verteilt und eine Arbeitnehmerin zur Teilnahme am Streik aufgefordert. Einige Streikteilnehmer trugen ver.di Jacken, andere trugen Sticker der Gewerkschaft. Später gingen die Teilnehmer in die Filiale und kauften dort in größeren Mengen sogenannte Cent-Artikel. Zusätzlich wurden etwa 40 Einkaufswagen vollgefüllt mit unverderblichen Waren im Ladengeschäft hinterlassen. Der Betriebsablauf in der Filiale wurde für einen Zeitraum zwischen 45 und 60 Minuten erheblich gestört.

Der Arbeitgeberverband Einzelhandelsunternehmen Berlin-Brandenburg legte gegen die Flasmob-Aktion der Gewerkschaft Klage ein. Er wollte erreichen, dass der Gewerkschaft untersagt wird, zukünftig zu Flashmob-Aktionen aufzurufen. Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Berufung wurde vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und die Revision vom Bundesarbeitsgericht (BAG) zurückgewiesen, da die Klage unbegründet sei.

Das BAG begründete, der Arbeitgeberverband könne nicht generell die Unterlassung von Flashmobs verlangen. Diese seien nicht generell rechtswidrig. Flashmobs seien zwar ein Eingriff in den Gewerbebetrieb, jedoch aus Sicht des Arbeitskampfrechtes gerechtfertigt. Streikbegleitende Flashmobs, mit denen tarifliche Ziele verfolgt würden, fielen unter den Schutzbereich von Artikel 9 Abs. 3 des Grundgesetzes. Maßstab für die Zulässigkeit von Flashmobs sei die Verhältnismäßigkeit. Flashmobs unterschieden sich deutlich von bisherigen Mitteln des Arbeitskampfes. Durch Flashmobs entstehe eine aktive Störung der Betriebsabläufe. Im Gegensatz zum Streik gäbe es keine Selbstschädigung der Teilnehmer durch Entfall des Vergütungsanspruches. Es bestehe auch die Gefahr, dass solche Aktionen durch die Beteiligung Dritter außer Kontrolle geraten. Flashmobs müssten deshalb klar als gewerkschaftliche Aktion gekennzeichnet werden. Die reine Möglichkeit, dass ein Flashmob außer Kontrolle geraten könne, genüge jedoch nicht, dieses Arbeitskampfmittel als rechtswidrig einzustufen. Der Arbeitgeberseite stünden geeignete Verteidigungsmittel gegen Flashmob-Aktionen zur Verfügung.

Der Arbeitgeberverband legte eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein. Er rügte die Verletzung mehrerer Artikel des Grundgesetzes. Insbesondere Artikel 9 Absatz 3, Artikel 12, Artikel 14, Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 sowie Artikel 9 Absatz 3 in Verbindung mit Artikel 20 Absatz 2 Satz 2 und Abs. 3 des Grundgesetzes.

Durch die Überdehnung des Schutzbereiches der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaft würde die Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes unzulässig eingeschränkt. Der Arbeitgeberverband vertrat die Auffassung Streik und Aussperrung seien grundsätzlich zulässig, Blockaden des Betriebsablaufes hingegen nicht. Die freie Wahl der Arbeitskampfmittel würde es nicht erlauben unbegrenzt neue Arbeitskampfmittel zu schaffen. Zulässiges Arbeitskampfmittel sei die Vorenthaltung der geschuldeten Leistung. Die Beteiligung Dritter sowie Eingriffe in Gesundheit, Freiheit und Eigentum schieden hingegen aus. Flashmobs seien schwer kontrollierbar. Die Gewerkschaft könne schlecht kontrollieren, dass sich alle Teilnehmer an die vorgegebenen Regeln halten.

Die Koalitionsfreiheit des Arbeitgeberverbandes würde verletzt, da er nicht über geeignete Gegenmittel verfüge. Das BAG genüge nicht den verfassungsrechtlichen Anforderungen, wenn es die Arbeitskampfmaßnahmen allein nach der Verhältnismäßigkeit beurteile.

Das Bundesverfassungsgericht sah keine Gründe für die Annahme der Verfassungsbeschwerde, da sie keine grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung habe.

Das Doppelgrundrecht des Art. 9 Abs. 3 GG schützt nicht nur Einzelne in ihrer Freiheit, eine Vereinigung zur Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu gründen, ihr beizutreten oder fernzubleiben oder sie zu verlassen. Geschützt ist auch die Koalition selbst in ihrem Bestand, ihrer organisatorischen Ausgestaltung und in ihren Betätigungen, sofern diese der Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen dienen.

Artikel 9 Absatz 3 überlasse den Koalitionen die Wahl ihrer Mittel, das gehe aus dem Freiheitsrecht der Koalitionen hervor. Das Grundgesetz schreibe nicht vor, welche Mittel für den Arbeitskampf anzuwenden seien. Durch den Einsatz von Kampfmaßnahmen solle kein einseitiges Übergewicht bei Tarifverhandlungen entstehen. Die Orientierung des BAG an der Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen sei nicht zu beanstanden.

Gewerkschaftlich getragene, auf Tarifverhandlungen bezogene sogenannte Flashmob-Aktionen der vorliegend zu beurteilenden Art fallen in den Schutzbereich der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG.

Das BAG habe zutreffend geurteilt, dass nicht die Art der Koalitionsmittel, sondern deren Ziel zu beurteilen sei. Im vorliegenden Fall sei klar das Ziel klar erkennbar, während der laufenden Tarifverhandlungen rechtmäßige Arbeitskampfziele zu unterstützen. Es handele sich um streikbegleitende Flashmob-Aktionen, die nicht mit Straftaten wie Hausfriedensbruch, Nötigung oder Sachbeschädigung verbunden seien.

Es gebe keine Einwände gegen die Ausführungen des BAG. Hausrecht und vorübergehende Stilllegung seien als wirksames Verteidigungsmittel anzusehen. Während der Stilllegung verlören die Arbeitswilligen ihren Lohnanspruch, was als ein die Kampfparität fördernder Effekt angesehen werde.