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Betriebsteilübergang mit Personal

Betriebsteilübergang bei personallastigen Firmen

Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 22.05.2014, Aktenzeichen 8 AZR 1069/12

Wird eine wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortgeführt, liegt ein Betriebsübergang bzw. Betriebsteilübergang vor. Diese Einheit kann im wesentlichen auf menschlicher Arbeitskraft beruhen.

Ein Arbeitsvermittler war mehr als 5 Jahre über befristete Arbeitsverträge für eine Beschäftigungsförderungsgesellschaft (BFG), einer kommunale Anstalt öffentlichen Rechts. Dort wurden Beratungs- und Integrationsmaßnahmen als sogenannte aktive Arbeitsvermittlung, beauftragt von der zuständigen Stadtverwaltung durchgeführt. Gegen die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Dezember 2010 durch die letzte Befristung klagte der Angestellte erfolgreich.

Die aktive Arbeitsvermittlung wurde mit dem Beginn des Jahres 2011 von der Stadt selbst wahrgenommen. Das Personal wurde im wesentlichen von der BFG übernommen. Dafür wurden im Sommer 2010 neue Arbeitsverträge angeboten. Die Stadt hatte bis zum Beginn des Jahres 2011 keine eigenen Erfahrungen in der aktiven Arbeitsvermittlung.

Die Arbeitsvermittler der BFG arbeiteten nun als Fallmanager für die aktive Arbeitsvermittlung mit den für die passive Arbeitsvermittlung zuständigen Leistungssachbearbeitern, in denselben Abteilungen unter einheitlicher Leitung zusammen. Die für die aktive Arbeitsvermittlung notwendigen Arbeitsmittel und Daten wurden in Papierform (Ordner) und als Software übernommen. Die Tätigkeit der Fallmanager wurde gegenüber den früheren Aufgaben bei der BFG erweitert.

Seit dem 01.Januar 2011 war der Arbeitsvermittler nunmehr als Fallmanager per unbefristetem, schriftlichen Arbeitsvertrag beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Probezeit von 6 Monaten. Die Stadt kündigte das Arbeitsverhältnis am 14. Juni ordentlich zum 30. Juni 2011 unter Berufung auf die Probezeit.

Der Fallmanager legte eine Kündigungsschutzklage ein. Es liege ein Betriebsteilübergang vor. Nahezu alle Arbeitsvermittler seien als Fallmanager übernommen worden. Ebenso wurden Kunden, Akten, Mobiliar und Räume übernommen. Tätigkeiten und Organisation der Arbeitsvermittler seien nicht verändert worden. Die geplante Aufgabenerweiterung sei nur schrittweise erfolgt. Die Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Der Fallmanager beantragte festzustellen, dass die Kündigung nicht wirksam sei und er bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten Bedingungen als Fallmanager weiter beschäftigt wird.

Die Stadt beantragte Klageabweisung. Die Kündigung habe personenbezogene Gründe und sei in der Probezeit erfolgt. Der Fallmanager sei dem geänderten Anforderungsprofil für seine Tätigkeit nicht gewachsen gewesen. Es läge kein Betriebsteilübergang vor. Es handle sich um das Weiterführen von Aufgaben.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage ab. Im Rahmen der Revision fordert der Fallmanager die Wiederherstellung des Urteils des Arbeitsgerichtes.

Das BAG führt dazu aus:

 Ein Betriebsübergang oder Betriebsteilübergang iSv. § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG des Rates vom 12. März 2001 (ABl. EG L 82 vom 22. März 2001 S. 16) liegt vor, wenn ein neuer Rechtsträger eine bestehende wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer Identität fortführt (vgl. nur EuGH 6. März 2014 – C-458/12 – [Amatori ua.] Rn. 30 mwN; BAG 22. August 2013 – 8 AZR 521/12 – Rn. 40; 15. Dezember 2011 – 8 AZR 197/11 – Rn. 39).

Es müsse sich um eine auf Dauer angelegte Einheit handeln, deren Aufgaben nicht auf die Ausführung eines bestimmten Vorhabens beschränkt seien. Jede hinreichend strukturierte und selbständige Einheit von Personen und Sachen zur Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigenem Zweck erfülle diese Anforderung.  

Eine wirtschaftliche Einheit könne im Wesentlichen auf menschlicher Arbeitskraft basieren, trotz des Fehlens nennenswerter materieller oder immaterieller Vermögenswerte. Die Wahrung der Identität der Einheit darf nach ihrer Übernahme nicht von dem Vorhandensein von Vermögenswerten abhängig sein. Die Identität der Einheit kann angenommen werden, wenn der neue Inhaber die bisherige Tätigkeit weiterführt und einen wesentlichen Teil des sachkundigen Personals übernimmt.

Die bloße Fortführung der Tätigkeit oder die reine Auftragsnachfolge stelle hingegen keinen Betriebsteilübergang dar.

BFG und die übernehmende Stadt seien juristische Personen des öffentlichen Rechts. Deshalb müsse es sich um wirtschaftliche Tätigkeiten handeln, damit ein Betriebsteilübergang angenommen werden könne. Die Übernahme hoheitlicher Tätigkeiten würde keinen Betriebsteilübergang begründen, da diese keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen.

Um wirtschaftliche Leistungen handele es sich etwa dann, wenn Dienste im allgemeinen Interesse und ohne Erwerbszweck im Wettbewerb mit Diensten von Wirtschaftsteilnehmern erbracht würden, die einen Erwerbszweck verfolgen.

Arbeitsvermittlung stelle grundsätzlich eine wirtschaftliche Tätigkeit dar. Sie könne auch von nicht-staatlichen Trägern erbracht werden.

Einseitige Entscheidungen staatlicher Einrichtungen statt Willensübereinstimmung, stünden der Annahme eines Betriebsteilüberganges jedoch nicht entgegen. Es spiele keine Rolle, ob das Eigentum an Betriebsmitteln übertragen worden sei.

Das BAG erklärt:

Die aktive Arbeitsvermittlung nach dem SGB II in den Abteilungen 3, 4 und 5 der BFG war eine wirtschaftliche Einheit iSv. § 613a Abs. 1 BGB iVm. der Richtlinie 2001/23/EG.

Die Stadt habe eine insgesamt funktionierende Belegschaft einschließlich Führungskräfte übernommen. Die Nutzung des Fachwissens der Führungskräfte sei für den Betriebsteilübergang bedeutend. Darin liege ein wesentlicher Umstand zur Fortführung der wirtschaftlichen Einheit unter Wahrung ihrer Identität. Die Stadt hatte vor der Übernahme keine eigenen Erfahrungen in der Koordinierung von aktiven Leistungen nach dem SGB II (Sozialgesetzbuch 2). Sie habe die Erfahrungen eines eingespielten Teams, einschließlich dessen Leitung genutzt.

Im Falle eines Überganges solle der wirksame Schutz der Rechte der Mitarbeiter gewährleistet werden. Die Regelungen in Richtlinie 2001/23/EG und im § 613a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) bezweckten die Kontinuität der bestehenden Arbeitsverhältnisse bei einem Inhaberwechsel zu gewährleisten und die Arbeitnehmer damit zu schützen. Der Schutz solle nicht aufgehoben werden können, indem der Erwerber sich entschließt, den Betriebsteil aufzulösen und in seine Betriebsstruktur einzugliedern. Es genüge, dass die funktionelle Verknüpfung zwischen den Produktionsfaktoren beibehalten würde, um dem Erwerber die Weiterführung derselben oder gleichartigen wirtschaftlichen Tätigkeit zu ermöglichen.

Wird die Grundtätigkeit durch andere Aufgaben erweitert, zerstöre das nicht die wirtschaftliche Identität, sondern baue lediglich darauf auf. Selbst ein Zeitanteil von 35% neuer Aufgaben ändere nichts an der Weiterführung der Kernaufgaben von Beratung und Vermittlung. Es komme auch nur auf den Stand zum Zeitpunkt des Übergangs an.

Es sei unbedeutend, dass mit dem Personal ein neuer Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Verträge, die zum Zeitpunkt des Übergangs bestanden, gingen vom Veräußerer zum Erwerber über.

Das Arbeitsverhältnis habe zum Zeitpunkt der Kündigung länger als 6 Monate bestanden und sei durch den Arbeitsvertrag entfristet worden. Bei Zugang der Kündigung sei die Wartezeit von 6 Monaten erfüllt und die Kündigung sei am Maßstab des Kündigungsschutzgesetzes zu messen. Die Stadt als Arbeitgeberin habe keine hinreichenden Kündigungsgründe im Sinne von §1 Abs. 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz) vorgetragen.   

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) urteilte, das Arbeitsverhältnis sei mit allen Rechten und Pflichten zum 01. Januar 2011 auf die Stadt übergegangen und nicht durch die Kündigung beendet worden.