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Restmandat des Betriebsrats

Mandat des Betriebsrats nach Betriebsschließung

Landesarbeitsgericht Hessen, Urteil vom 13.07.2015, Aktenzeichen 16 TaBVGa 165/14

Ein Betriebsrat bleibt so lange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der im Zusammenhang mit dem Untergang eines Betriebs durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich ist.

Die Arbeitgeberin legte einen Betrieb ihres Unternehmens zum Jahresende 2013 still. Die Betriebsräume wurden gekündigt, sämtliche Arbeitnehmer von der Arbeit freigestellt und die Tätigkeit des Betriebs eingestellt. Für den Betriebsstandort war ein 3-köpfiger Betriebsrat tätig. Nach der Schließung überließ die Arbeitgeberin dem Betriebsratsvorsitzenden den bisher bereits vom Betriebsrat genutzten Firmen-Laptop. Der Betriebsrat verfügte über eine eigene betriebsinterne E-Mail-Adresse. Dem Betriebsratsvorsitzenden stand zusätzlich eine persönliche E-Mail-Adresse zur Verfügung. Ende Januar 2014 einigte sich der Betriebsrat mit der Arbeitgeberin auf die Möglichkeit, Besprechungsräume in einem anderen Betrieb der Arbeitgeberin nutzen zu können.

Zu diesem Zeitpunkt führten 3 im Betrieb beschäftigte Mitarbeiter, einschließlich des Betriebsratsvorsitzenden, Kündigungsschutzklagen.

Im Juni 2014 sperrte die Arbeitgeberin den elektronischen Zugang des Betriebsratsvorsitzenden zum Firmennetzwerk und widerrief ihre Zugangsgenehmigung zum Betrieb mit den Besprechungsräumen.

Der Betriebsrat antwortete daraufhin mit seiner Klage vor das Arbeitsgericht. Er beantragte im Rahmen seines Restmandats den Zugang zum nicht von der Stilllegung betroffenen Betriebsgebäude mit den Besprechungsräumen sowie zum Firmennetzwerk.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag des Betriebsrats statt.

Die Arbeitgeberin legte gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Beschwerde ein. Das Arbeitsgericht habe verkannt, dass der Betriebsrat nicht mehr bestehe. Der Betriebsratsvorsitzende sei kein Betriebsratsmitglied mehr. Die Arbeitgeberin habe den Betrieb geschlossen. Die Mietverträge wurden beendet, die Arbeitsverträge gekündigt und die Tätigkeit eingestellt.

Dem Betriebsratsvorsitzenden sei zum 30. April 2014 ordentlich gekündigt worden. Der Betriebsratsvorsitzende hatte in einem anderen Verfahren beim Arbeitsgericht erfolgreich gegen seine ordentliche Kündigung eine Kündigungsschutzklage eingereicht.

Am 18. Juni sprach die Arbeitgeberin eine außerordentliche Kündigung gegenüber dem Betriebsratsvorsitzenden aus. Die Arbeitgeberin sperrte den Zugang zum persönlichen E-Mail-Postfach sowie dem des Betriebsrats mit der Begründung, sämtliche Befugnisse des Betriebsrats seien erloschen.

Die Amtszeit des Betriebsrats habe gemäß § 21 S. 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) am 31. Mai 2014 geendet. Es bestehe kein Restmandat. Ende 2013 sei das Mandat des ehemaligen Betriebsrats nicht in ein Restmandat gewechselt, da zu diesem Zeitpunkt nicht alle Arbeitsverhältnisse rechtlich beendet gewesen seien. Tätigkeiten des Betriebsrats seien nicht mehr notwendig gewesen. Interessenausgleich und Sozialplan seien abgeschlossen, der ehemalige Betrieb tatsächlich stillgelegt. Abwicklungsarbeiten würden auch nicht mehr durchgeführt. Es bestehe kein Regelungsbedarf für ein Restmandat.

Weiterhin argumentierte die Arbeitgeberin, mit Ablauf der Kündigungsfrist zur ordentlichen Kündigung des Betriebsratsvorsitzenden sei seine Mitgliedschaft im Betriebsrat bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses erloschen. Die Mitgliedschaft des Betriebsratsvorsitzenden im Betriebsrat sei auf jeden Fall mit der außerordentlichen Kündigung vom 12. Juni 2014 beendet. Der Betriebsratsvorsitzende habe in einer eidesstattlichen Erklärung Führungskräfte der Begehung von Straftaten beschuldigt. Während eines Kündigungsrechtsstreits sei ein Betriebsratsmitglied zudem nach § 25 Abs. 1 S. 2 BetrVG verhindert.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei die außerordentliche Kündigung nicht offensichtlich unwirksam, da sie nicht der Zustimmung des Betriebsrats bedurft habe. Zum Zeitpunkt der außerordentlichen Kündigung habe kein Betriebsrat mehr bestanden. Die außerordentliche Kündigung beruhe ausschließlich auf den ehrverletzenden Äußerungen des Betriebsrats, sie stehe nicht im Zusammenhang mit der Betriebsstilllegung.

Im Zusammenhang mit dem Zugangsbegehren des Betriebsrats legte die Arbeitgeberin Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein.

Der Anspruch des Betriebsratsvorsitzenden auf seine E-Mail-Adresse sei weder notwendig noch wegen seiner ehrverletzenden Äußerungen zumutbar. Der Beschluss des Arbeitsgerichts sei bezüglich des 2. Absatzes aufzuheben, da dieser keine Beschränkung des Zugangsrechts auf den Zeitraum eines etwaigen Restmandats enthalte.

Der Betriebsrat hingegen vertrat die Auffassung er befinde sich weiterhin im Restmandat. Das Restmandat sei nicht abhängig von dem 4-jährigen Zeitraum, für den der Betriebsrat gewählt wird. Ein Restmandat gelte nach endgültiger Betriebsschließung, solange Betriebsratstätigkeiten anfielen.

Das LAG stellte fest, die Beschwerde der Arbeitgeberin sei nicht begründet. Der Betriebsrat habe ein Interesse daran, in der Phase der Betriebsabwicklung seine sich aus dem Restmandat ergebenden Pflichten nach § 21 b BetrVG wahrzunehmen. Dafür sei wegen der Gefahr eines unumkehrbaren Rechtsverlustes eine Befriedigungsverfügung anzuwenden. Die Interessen der Arbeitgeberin würden gewahrt, indem sie Gelegenheit erhält, ihren Standpunkt darzulegen und soweit erforderlich durch eidesstattliche Erklärung glaubhaft zu machen. Müsste ein Hauptsacheverfahren abgewartet werden, liefe dieses voraussichtlich ins Leere.

Das Arbeitsgericht habe den Anträgen des Betriebsrats im Wesentlichen zurecht stattgegeben. Die Arbeitgeberin habe dem Betriebsratsvorsitzenden für die Dauer des Restmandats Zutritt zu den Betriebsräumen und dem Besprechungsraum im benannten Betrieb der Arbeitgeberin zu gewähren.

 Das Restmandat des Betriebsrats ergebe sich aus § 21b BetrVG. Ein Betriebsrat bleibe solange im Amt, wie dies zur Wahrnehmung der im Zusammenhang mit dem Untergang eines Betriebs durch Stilllegung, Spaltung oder Zusammenlegung stehenden Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte erforderlich sei.

Das Restmandat sei erst beendet, wenn alle mit ihm zusammenhängenden Mitbestimmungsrechte ausgeübt sind oder kein Betriebsratsmitglied mehr bereit ist, sie auszuüben. Das Restmandat erstrecke sich auf alle im Zusammenhang mit der Stilllegung ergebenden betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechte. Dazu gehörten auch die Aufgaben, die daraus folgen, dass trotz Betriebsstilllegung noch nicht alle Arbeitsverhältnisse beendet sind. Hieraus folgt, dass der Betriebsrat vor jedem Kündigungsausspruch nach § 102 Abs. 1 BetrVG auch nach erfolgter Betriebsstilllegung zu hören ist, soweit die beabsichtigte Kündigung einen hinreichenden Bezug zur Betriebsstilllegung aufweist.

Auf die Wirksamkeit der gegen den Betriebsratsvorsitzenden ausgesprochenen außerordentlichen Kündigung komme es nicht an. Die Mitgliedschaft im Betriebsrat, der sich Restmandat befindet, ende nicht durch die Arbeitsverhältnisse seiner Mitglieder. Der § 24 Nr. 3 BetrVG sei auf den restmandatierten Betriebsrat nicht anwendbar.

Die Arbeitgeberin sei verpflichtet, dem Betriebsratsvorsitzenden Zutritt zu den Betriebsräumen zu gewähren. Die verfügte Sperre des elektronischen Zugangs vom Firmen-Laptop zum Betriebsnetzwerk sei aufzuheben und alle Zugänge und Rechte, einschließlich persönlichem E-Mail-Postfach, in dem Umfang wiederherzustellen, wie sie vor der Sperrung bestanden haben. Der Betriebsrat habe auch im Restmandat Anspruch auf erforderliche Sachmittel und technische Hilfsmittel. Das gelte ebenso für den Zugang zum Intranet und sowie ein E-Mail-Postfach. Da der Betriebsratsvorsitzende seinen persönlichen Account auch für die Betriebsratstätigkeit genutzt habe, und diese Adresse in der Belegschaft bekannt war, gelte auch dafür das Nutzungsrecht.

Die Zugangsberechtigung sei klar auf die Dauer des Restmandats begrenzt.

Die Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung wurde nicht zugelassen.
 
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