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Mitbestimmung bei der Berufsbildung außerbetrieblicher Mitarbeiter

Mitbestimmung des Betriebsrats bei Berufsbildung außerbetrieblicher Arbeitnehmer

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.04.2016, Aktenzeichen 1 ABR 2/14

Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Durchführung von Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung. Erfolgt die Ausbildung von Mitarbeitern eines ausländischen Tochterunternehmens, für eine Tätigkeit im externen Unternehmen, handelt es sich nicht um eine betriebliche Berufsbildungsmaßnahme.

Eine Arbeitnehmerin aus dem slowakischen Tochterunternehmen der Arbeitgeberin war entsprechend ihrem Entsendevertrag zur Einarbeitung im Stammhaus sowie für ein Trainings- und Ausbildungsprogramm im Logistikteam vorgesehen. Das Team sei bei der Abwicklung von Logistikarbeiten zu unterstützen. Die im Stammhaus geltenden Arbeitszeiten und Feiertagsregelungen seien zu beachten.

Der Betriebsrat verweigerte zunächst die erbetene Zustimmung, weil keine gültige Verleihererlaubnis nach dem AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) vorliege. Es habe keine Ausschreibung nach § 93 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) gegeben und es fehlten Angaben zur vorgesehenen Vergütung.

Im Beschlussverfahren vor dem Arbeitsgericht begehrte die Arbeitgeberin zunächst die Ersetzung der Zustimmung des Betriebsrats zur Einstellung der ausländischen Arbeitnehmerin. Später begehrte sie hauptsächlich die Feststellung, bei der Schulung handele es sich nicht um eine mitbestimmungspflichtige Personalmaßnahme. Es werde bereits eine weitere Arbeitnehmerin aus der Slowakei für voraussichtlich ein Jahr eingesetzt. Zukünftig könnten weitere Arbeitnehmer des slowakischen Tochterunternehmens zu Ausbildungszwecken eingesetzt werden.

Der Betriebsrat ging davon aus, es handele sich um eine erlaubnispflichtige Arbeitnehmerüberlassung. Das Konzernprivileg nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG könne nicht angewandt werden. Ebenso nicht die Bereichsausnahme nach  § 1 Abs. 3 Nr. 2a AÜG. Die Arbeitgeberin habe nicht darauf hingewiesen, dass es sich um eine Ausbildungsmaßnahme handele. Dafür hätte der Ausbildungs- bzw. Kooperationsvertrag vorgelegt werden müssen. Leiharbeitnehmer seien bei der Mitbestimmung wie Arbeiter des Betriebes anzusehen.

Der Betriebsrat beantragte Feststellungen zur Ausübung seines Mitbestimmungsrechtes über generell-abstrakte Maßnahmen bei Abschluss und Durchführung eines Kooperationsvertrages zwischen der Arbeitgeberin und dem slowakischen Tochterunternehmen bezüglich Schulungs- Fortbildungs- und Berufsbildungsmaßnahmen, zu Umfang und Methoden der Vermittlung von Kenntnissen, sowie Zeitpunkt und Inhalt.

Das Arbeitsgericht wies die Anträge des Betriebsrats ab. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Beschwerde des Betriebsrats zurück.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wies die Anträge des Betriebsrats als unberechtigt ab. Die Qualifikation der slowakischen Arbeitnehmerin sei eine Berufsbildungsmaßnahme, da Kenntnisse vermittelt werden, die der Ausfüllung ihres Arbeitsplatzes und ihrer beruflichen Tätigkeit dienten. Die umstrittene Berufsbildungsmaßnahme sei jedoch keine betriebliche Maßnahme. Es fehle die für die betriebliche Mitbestimmung nach § 98 BetrVG funktionelle Betriebsbezogenheit. Es sei auch ohne Belang, ob die Entsendung der zu schulenden Arbeitnehmer dem AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) unterliege.

Die Mitbestimmung nach §§ 96 ff. BetrVG ziele auf die bedeutsame Rolle der Berufsbildung. Die Teilnahme an betrieblicher Berufsbildung könne sich auf den Erhalt des Arbeitsplatzes oder einen beruflichen Aufstieg auswirken. Es solle gewährleistet sein, dass Arbeitnehmern eine berufliche Qualifikation nicht aus sachwidrigen Gründen vorenthalten werde.

Das Mitbestimmungsrecht greife nicht, wenn es sich um Berufsbildung von entsandten Arbeitnehmern für deren Beschäftigung bei dem entsendenden Vertragsarbeitgeber handele.

Es komme für die Mitbestimmung nicht darauf an, ob weitere ausländische Arbeitnehmer, die ebenfalls zu Schulungszwecken eingesetzt werden, als Leiharbeitnehmer anzusehen seien. Das BAG sieht keine vergleichbare Interessenlage bei Berufsbildungsmaßnahmen, die im qualifizierenden Unternehmen beschäftigte Arbeitnehmer betreffen, und solchen, die entsendete Arbeitnehmer für die Tätigkeit bei ihrem Vertragsarbeitgeber durchliefen. Es ginge hier nicht um die gleichberechtigte Teilnahme an Fort- und Weiterbildungsangeboten, sondern um eine Maßnahme, die nur die entsandten Mitarbeiter betreffe und ein etwaiges darauf bezogenes Mitbestimmungsrecht.

Ein Mitbestimmungsrecht über die zeitliche Lage von Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen stehe dem Betriebsrat bei betrieblichen Berufsbildungsmaßnahmen zu. Da es sich nicht um betriebliche Berufsbildung handele, könne der Betriebsrat keine Mitbestimmung beanspruchen.

Es läge auch keine Verletzung der Mitbestimmung nach  § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 BetrVG vor. Es gäbe keine Anhaltspunkte, dass die beiden entsandten Arbeitnehmerinnen abweichend von einem mitbestimmten Arbeitszeitregime qualifiziert wurden.