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Befristetes Arbeitsverhältnis ohne Sachgrund bei Vorbeschäftigung unwirksam

Unwirksamkeit eines befristeten Arbeitsverhältnisses

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2016, Aktenzeichen 17 Sa 14/16

Eine Befristung des Arbeitsverhältnisses ohne Sachgrund ist bei Vorbeschäftigung unwirksam, unabhängig davon, wie lange die Vorbeschäftigung bei derselben Arbeitgeberin zurückliegt.

Ein Montierer war zunächst von November 2007 bis Juli 2008 als gewerblicher Arbeitnehmer in einem befristeten Arbeitsverhältnis beschäftigt. Ab Januar 2014 wurde der Montierer erneut befristet beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde dreimal nahtlos verlängert. Mit Ablauf der letzten Verlängerung endete das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2015.

Im Januar 2016 beantragte der Montierer beim Arbeitsgericht die Feststellung, die Befristung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2015 sei unwirksam und machte seine Weiterbeschäftigung geltend.

Die Arbeitgeberin habe das Arbeitsverhältnis nicht mehr ohne Sachgrund nach § 14 Absatz 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) befristen können, da seine Vorbeschäftigung in den Jahren 2007/2008 zu berücksichtigen sei. Das Vorbeschäftigungsverbot gelte zeitlich uneingeschränkt. Dem stehe nicht die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes (BAG) vom 6. April 2011 (7 AZR 16/09) entgegen, in der das BAG eine Dreijahresfrist erfunden und damit gegen die Gewaltenteilung nach Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz (GG) verstoßen habe.

Die Arbeitgeberin beantragte die Klageabweisung. Das Urteil des BAG sei so auszulegen, dass ein länger als 3 Jahre zurückliegendes Arbeitsverhältnis mit derselben Arbeitgeberin der Wirksamkeit einer weiteren sachgrundlosen Befristung nicht entgegenstehe. Die Auslegung des Montierers zum § 14 Absatz 2 TzBfG beeinträchtige die grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit der Arbeitnehmer. Arbeitgeberinnen würden unverhältnismäßig stark in ihrer Vertragsabschlussfreiheit eingeschränkt. Ältere Arbeitnehmer würden dadurch diskriminiert. Der Arbeitgeberin sei Vertrauensschutz zu gewähren, da sie ihre Einstellungspraxis bewusst an die Rechtsprechung des BAG angepasst und damit ein schützenswertes Vertrauen bezüglich der Befristungsregelung erlangt habe.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Arbeitsverhältnis habe nicht durch die letzte sachgrundlose Befristung geendet. Die Befristung verstoße gegen § 14 Absatz 2 TzBfG. Der Montierer sei bereits von November 2007 bis Juli 2008 als gewerblicher Mitarbeiter beschäftigt gewesen. Die Auslegung ergebe, der § 14 Absatz 2 TzBfG sei als absolutes, zeitlich unbegrenztes Ausschlussverbot zu interpretieren. Der Wortsinn „bereits zuvor“ sei fach- und umgangssprachlich eindeutig. Der Gesetzgeber habe sich für eine einmalige Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund entschieden.

Den Gerichten sei es verwehrt, ihre eigenen materiellen Gerechtigkeitsvorstellungen an die Stelle der Gesetzgebung zu setzen. Die Arbeitgeberin könne sich nicht auf den Vertrauensschutz der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BAG berufen. In einer Vielzahl von zweitinstanzlichen Entscheidungen sei zum Zeitpunkt der letzten Befristung eine gegenteilige Rechtsauffassung vertreten worden. In der einschlägigen Fachliteratur sei die Entscheidung des BAG heftig kritisiert worden.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes legte die Arbeitgeberin Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Das Arbeitsgericht habe sich unzureichend mit Wortlaut und Systematik von  § 14 Absatz 2 TzBfG auseinandergesetzt. § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG schließe ein einschränkendes Vorbeschäftigungsverbot nicht eindeutig aus. Der gesetzgeberische Wille könne nur soweit herangezogen werden, wie er im Gesetzestext seinen Niederschlag gefunden habe.

Das Vorbeschäftigungsverbot diene nach der Grundabsicht des Gesetzgebers nur dazu, den Missbrauch von Kettenarbeitsverhältnissen zu verhindern. Das Arbeitsgericht habe einer bestätigten höchstrichterlichen Rechtsprechung widersprochen, die erhebliche praktische Relevanz besitze. Das Arbeitsgericht habe es damit versäumt, der Arbeitgeberin in Verbindung mit der verfassungsrechtlich unzulässigen echten Rückwirkung, Vertrauensschutz zu gewähren. Das Urteil des Arbeitsgerichtes sei abzuändern, die Klage abzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht entschied, die Berufung sei unbegründet. Das Arbeitsgericht habe zutreffend entschieden, das Arbeitsverhältnis habe nicht aufgrund der letzten Befristung geendet. Der Montierer sei bis zum rechtskräftigen Abschluss des Rechtsstreits zu unveränderten Bedingungen weiter zu beschäftigen.

Nach § 14 Absatz 2 Satz 1 erster Halbsatz TzBfG ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages ohne Sachgrund bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig. Nach dem zweiten Halbsatz ist die kalendermäßig befristete Verlängerung innerhalb dieser 2 Jahre dreimalig zulässig. Eine sachgrundlose Befristung sei dann nicht zulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestand.

Für die Auslegung von Gesetzen sei der objektivierte Wille des Gesetzgebers ausschlaggebend, in der Art, wie er sich aus dem Wortlaut, der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienten die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte, die einander nicht ausschlössen, sondern sich gegenseitig ergänzten. Unter ihnen habe keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen.

In keinem Fall dürfe richterliche Rechtsfindung das gesetzgeberische Ziel der Norm in einem wesentlichen Punkt verfehlen oder verfälschen oder an die Stelle der Regelungskonzeption des Gesetzgebers gar eine eigene treten lassen. Unter Anwendung dieser Methoden zur Gesetzesauslegung sei der § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG als zeitlich uneingeschränktes, absolutes Anschlussverbot zu interpretieren. Für dieses Auslegungsergebnis sprächen Wortlaut, Regelungssystematik, Entstehungsgeschichte und Normzweck.

Hätte der Gesetzgeber eine zeitliche Einschränkung gewollt, wäre diese sicherlich in die Formulierung des Gesetzestextes eingeflossen, so wie er es in anderen Sätzen des TzBfG getan hat.

Eine sachgrundlose Befristung sei nach dem Willen des Gesetzgebers nur bei einer Neueinstellung zulässig. Der Sinn des Wortes „Neueinstellung“ bezwecke ein zeitlich uneingeschränktes Anschlussverbot. Unter dem Begriff Neueinstellung werde ausdrücklich die erstmalige Beschäftigung eines Arbeitnehmers bei einer Arbeitgeberin verstanden. Die Formulierung „bereits zuvor“ könne nicht anders verstanden werden.

Eine unbewusste, versehentliche Regelung des Gesetzgebers könne ausgeschlossen werden. Trotz erheblicher Kritik während des Gesetzgebungsverfahrens habe sich der Gesetzgeber bewusst für eine nur einmalige Möglichkeit der Befristung ohne Sachgrund entschieden. Parlamentarische Initiativen zur zeitlichen Begrenzung des Vorbeschäftigungsverbotes oder der Lockerung des Verbotes der wiederholten Befristung fanden keine Mehrheit. Die Gesetzgebungsgeschichte spreche klar und unmissverständlich für das vertretene Auslegungsergebnis.

 Dies habe letztlich auch das Bundesarbeitsgericht einräumen müssen (Urteile des BAG vom 6. April 2011, Aktenzeichen 7 AZR 716/09 – Rn. 16 und Urteil vom 21. September 2011, Aktenzeichen 7 AZR 375/10 – Rn. 26), welches davon ausgehe, dass die Gesetzesgeschichte „eher“ auf ein zeitlich unbeschränktes Verbot der Vorbeschäftigung hindeute.

Angesichts des eindeutig zum Ausdruck gekommenen Willens des Gesetzgebers verbiete es sich, durch eine abweichende gegenteilige Auslegung, den unzweifelhaft wirklichen Willen in das Gegenteil zu verkehren.

Arbeitgeberinnen würden basierend auf der Lebenserfahrung nur bei betriebswirtschaftlicher Notwendigkeit zusätzliches Personal einstellen. Mit den hierfür vorliegenden betriebswirtschaftlichen Sachgründen sei die Einstellung von Arbeitnehmern trotz bestehender Vorbeschäftigung möglich. Mit dem vom LAG vertretenen Auslegungsergebnis sei auch keine mittelbare Diskriminierung älterer Arbeitnehmer zu befürchten. Bei Vorliegen eines Sachgrundes könne auch ein Arbeitnehmer, der bereits vor langer Zeit bei derselben Arbeitgeberin beschäftigt war, befristet zur Probe eingestellt werden.

Die Arbeitgeberin könne sich nicht auf Vertrauensschutz berufen. Es bestehe kein schutzwürdiges Vertrauen, wenn die fachgerichtliche Rechtsprechung auf so erhebliche Kritik stößt, dass der unveränderte Fortbestand der Rechtsprechung nicht gesichert scheint. Bis zur Entscheidung des BAG vom 06. April 2011 (Aktenzeichen 7 AZR 716/09) war das zeitlich unbeschränkte Anschlussverbot die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Literatur. Die Änderung in der Rechtsprechung des BAG sei wohl durch einen Personalwechsel zustand gekommen und erfolgte überraschend.

Angesichts der anschließenden deutlichen Kritik insbesondere an der Methodik der Urteilsfindung und die als verfassungsrechtlich bedenklich eingeschätzte Vorgehensweise, konnte die Arbeitgeberin Jahr 2015 nicht mehr von einem unveränderten Fortbestand dieser Rechtsprechung ausgehen. Spätestens seit der Vorlageentscheidung des Arbeitsgerichtes Braunschweig vom 03. April 2014 (Aktenzeichen 5 Ca 463/13) zur Prüfung vor dem Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen 1BvL 7/14) könne sich die Arbeitgeberin nicht mehr auf den Vertrauensschutz in die höchstrichterliche Rechtsprechung berufen.

Die Rechtsunwirksamkeit der Befristung habe zur Folge, dass der Arbeitsvertrag gemäß § 16 Absatz 1 TzBfG auf unbestimmte Zeit geschlossen wurde. Die Grundsätze zum allgemeinen Weiterbeschäftigungsanspruch bei unwirksamen Kündigungen gälten auch für die Entfristungsklage.

Die Revision zu dieser Entscheidung wurde zugelassen.