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Sachgrundlose Befristung nur bei Ersteinstellung

Bei Vorbeschäftigung keine sachgrundlose Befristung  

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2019, Aktenzeichen 7AZR 409/16

Eine sachgrundlose Befristung zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien ist grundsätzlich nur bei der erstmaligen Einstellung zulässig.

Ein Sachbearbeiter war beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend von April 2013 bis März 2015 sachgrundlos befristet beschäftigt. Im Rahmen einer sachgrundlos befristeten Tätigkeit stand der Sachbearbeiter bereits von September 2001 bis Juni 2004 in einem Arbeitsverhältnis mit der Bundesrepublik Deutschland als Arbeitgeberin.

Der befristeten Einstellung im Jahr 2013 ging eine Initiative der Zentralen Auslands- und Fachvermittlung der Bundesagentur für Arbeit (ZAV) zur Einbeziehung schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker voraus, zu deren Unterstützung sich die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien bereit erklärt hatte.

Im April 2015 machte der Sachbearbeiter vor dem Arbeitsgericht seine Weiterbeschäftigung als Sachbearbeiter geltend. Sein Arbeitsvertrag sei nicht wirksam zu Ende März 2015 befristet worden, da kein Sachgrund im Sinne von § 14 Absatz 1 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) vorlag. Sein Arbeitsverhältnis bestehe zu unveränderten Bedingungen fort.

Die Arbeitgeberin argumentierte, das frühere Arbeitsverhältnis stehe der sachgrundlosen Befristung nicht entgegen. Das Ende des vorherigen Arbeitsverhältnisses liege mehr als 3 Jahre in Bezug auf die erneute Einstellung zurück. Diese Rechtsauffassung habe zum Zeitpunkt der Einstellung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprochen (BAG). Im Vertrauen auf diese Rechtsprechung sei der Arbeitsvertrag abgeschlossen worden.

Die Befristung sei jedenfalls sachlich gerechtfertigt, da sie aus sozialen Gründen erfolgte. Die vorübergehende Einstellung des Sachbearbeiters sei ohne entsprechenden Personalbedarf und außerhalb des Stellenplans nur aufgrund der Initiative zur Einbeziehung schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker erfolgt. Sie stelle eine reine Fördermaßnahme in Form einer berufspraktischen Qualifikation zugunsten des Sachbearbeiters dar. In der zweiten Hälfte der Beschäftigungszeit sei der Sachbearbeiter bei der Stellensuche unterstützt worden. Da der Sachbearbeiter nicht über den notwendigen Bildungsabschluss verfüge, sei eine Dauerbeschäftigung jedoch von vornherein ausgeschlossen gewesen.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Die Berufung des Sachbearbeiters wurde vom Landesarbeitsgericht (LAG) zurückgewiesen. Mit seiner Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Sachbearbeiter seine Klage weiter.

Das BAG entschied, mit der vom LAG gegebenen Begründung durfte die Befristungskontrollklage nicht abgewiesen werden. Das LAG habe angenommen, die länger als 3 Jahre zurückliegende Vorbeschäftigung stehe der sachgrundlos befristeten Tätigkeit nicht entgegen.

Das BAG könne auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen nicht entscheiden, ob die Vorinstanzen die Klage zu Recht abgewiesen haben.

Für die sachgrundlosen Befristungen seien die Grenzen für den maximalen Einsatz von jeweils zwei Jahren eingehalten worden. Die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags nach § 14 Absatz 2 Satz 1 TzBfG sei jedoch unzulässig, wenn mit demselben Arbeitgeber bereits zuvor ein befristetes oder unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden habe.

In vorliegendem Fall sei die Bundesrepublik Deutschland Arbeitgeberin für beide Arbeitsverhältnisse. Das Vorbeschäftigungsverhältnis habe mit derselben Arbeitgeberin im Sinne von § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG bestanden.

Ein vorhergehender Arbeitsvertrag habe mit derselben Arbeitgeberin bestanden, wenn bei beiden Verträgen dieselbe natürliche oder juristische Person Vertragspartner des Arbeitnehmers war. Vertragspartner des Sachbearbeiters war für beide Arbeitsverhältnisse die Bundesrepublik Deutschland und damit dieselbe juristische Person des öffentlichen Rechts. Die Vorbeschäftigung bestand bei derselben Arbeitgeberin. Hingegen sei nicht von Bedeutung, dass der Sachbearbeiter im Rahmen seiner Vorbeschäftigung im Zuständigkeitsbereich eines anderen Ministeriums der Bundesrepublik Deutschland tätig war.

Nach dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 6. Juni 2018 (- 1 BvL 7/14, 1 BvR 1375/14 -) hielt das BAG nicht mehr an seiner bisherigen Rechtsprechung fest, dass einer sachgrundlosen Befristung nicht entgegenstehe, wenn ein vorheriges Arbeitsverhältnis zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien mehr als 3 Jahre zurückliegt.

Entsprechend der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) überschreite die Annahme, die sachgrundlose Befristung eines Arbeitsvertrags sei nur dann unzulässig, wenn eine Vorbeschäftigung weniger als drei Jahre zurückliegt, die Grenzen vertretbarer Auslegung gesetzlicher Vorgaben durch die Gerichte, weil der Gesetzgeber gerade dieses Regelungsmodell erkennbar nicht wollte.

In § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG komme die gesetzgeberische Grundentscheidung zum Ausdruck, dass sachgrundlose Befristungen zwischen denselben Arbeitsvertragsparteien grundsätzlich nur bei der erstmaligen Einstellung zulässig sein sollen. Der Gesetzgeber habe sich damit zugleich gegen eine zeitliche Begrenzung des Verbots entschieden.

Bestehe jedoch bei wiederholter Einstellung keine Gefahr der Kettenbefristung, welche die strukturelle Unterlegenheit der Beschäftigten ausnutzt, sei das Verbot der sachgrundlosen Befristung unzumutbar. Das gelte beispielsweise, falls eine Vorbeschäftigung sehr lange zurück liegt, ganz anders geartet oder von sehr kurzer Dauer war, etwa bei geringfügigen Nebenbeschäftigungen während der Schul- und Studien- oder Familienzeit, bei Werkstudierenden und studentischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Rahmen ihrer Berufsqualifizierung  oder bei einer erzwungenen oder freiwilligen Unterbrechung der Erwerbsbiographie, die mit einer beruflichen Neuorientierung oder einer Aus- und Weiterbildung einhergeht.

Die Voraussetzungen einer verfassungskonformen Beschränkung des Anwendungsbereichs von § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG lägen in diesem Fall nicht vor. Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genüge es nicht, dass das Vorbeschäftigungsverhältnis lang zurückliegt, es müsse vielmehr sehr lang zurückliegen. Das könne bei einem Zeitraum von ca. acht Jahren und neun Monaten nicht angenommen werden.

Während der Vorbeschäftigung war der Sachbearbeiter als Bürosachbearbeiter in der Mikrofilmstelle tätig. Damit hatte er keine gänzlich anders gearteten Tätigkeiten zu erledigen.

Die Vorbeschäftigung sei auch nicht von sehr kurzer Dauer gewesen, da die Laufzeit des Arbeitsverhältnisses zwei Jahre und zehn Monate betrug.

Der Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.

Entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin sei die Klage nicht deshalb abzuweisen, weil sie den Arbeitsvertrag mit dem Sachbearbeiter im Vertrauen auf die bisherige Rechtsprechung des BAG abgeschlossen hat. Das Vertrauen der Arbeitgeberin sei jedenfalls nicht derart schützenswert, dass die Klage entgegen der objektiven Rechtslage abzuweisen wäre.

Die Änderung einer ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sei auch unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes grundsätzlich dann unbedenklich, wenn sie hinreichend begründet ist und sich im Rahmen einer vorhersehbaren Entwicklung hält.

Da die Rechtsprechung des Senats aus dem Jahr 2011 im Zeitpunkt der Begründung des erneuten Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien noch nicht vom Bundesverfassungsgericht überprüft und bestätigt worden war, konnte und durfte die Arbeitgeberin den unveränderten Fortbestand der Rechtsprechung nicht als gesichert erachten. Sie habe die Möglichkeit in Betracht ziehen müssen, dass die vom BAG vorgenommene verfassungskonforme Auslegung von § 14 Absatz 2 Satz 2 TzBfG vor dem Bundesverfassungsgericht keinen Bestand haben könnte.

Aus der Kenntnis des Sachbearbeiters, dass die Arbeitgeberin ausschließlich einen befristeten Arbeitsvertrag abschließen wollte, könne sie kein schützenswertes Vertrauen in der Hinsicht ableiten, dass der Sachbearbeiter die Wirksamkeit der Befristungsvereinbarung nicht zur gerichtlichen Überprüfung stellen werde.

Die Arbeitgeberin habe sich darauf berufen, die Befristung sei aus sozialen Gründen vereinbart worden. Die vorübergehende Einstellung des Sachbearbeiters, ohne entsprechenden Personalbedarf und außerhalb des Stellenplans, sei nur im Rahmen der Initiative zur Einbeziehung schwerbehinderter Akademikerinnen und Akademiker erfolgt. Dieser Umstand könnte geeignet sein, die Befristung nach § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 6 TzBfG zu rechtfertigen. Das Landesarbeitsgericht werde die Wirksamkeit der Befristung unter diesem Gesichtspunkt zu beurteilen haben.

Die Revision des Sachbearbeiters führte zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht.