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Betriebsratswahl – Herausgabe privater Adressen für Briefwahl

Postadressen für den Wahlvorstand

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 10.08.2020, Aktenzeichen 16 TaBVGa 75/20

Im Rahmen einer beabsichtigten Betriebsratswahl in Form einer Briefwahl ist die Arbeitgeberin verpflichtet, dem Wahlvorstand die privaten Adressen sämtlicher Arbeitnehmer des Betriebs bekannt zu geben. 

Nach Ansicht des Wahlvorstands müsse die Arbeitgeberin sämtliche Postadressen der Mitarbeiter entsprechend § 24 Abs. 2 WahlO Betriebsverfassungsgesetz herausgeben. Der Wahlvorstand beantragte, der Arbeitgeberin aufzugeben, an den Wahlvorstand die postalischen Adressen aller bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer herauszugeben.

Die Arbeitgeberin argumentierte, es bestehe kein Anspruch auf die Herausgabe der postalischen Adressen. Ihr sei nicht glaubhaft gemacht worden, dass der Wahlvorstand die Betriebsratswahl beschlossen habe. Eine Wählerliste sei nicht aufgestellt worden. Etwaige Anträge auf Herausgabe von postalischen Adressen wären zu pauschal und weit gefasst. Die Mitarbeiter in der Verwaltung seien auch nicht mehr im Homeoffice sondern in ihren Büros tätig. Damit unterfielen sie nicht mehr der Regelung des § 24 Absatz 2 WahlO Betriebsverfassungsgesetz.

Der Datenschutz stehe einer Herausgabe der Adressen entgegen. Zudem fehle es zum jetzigen Zeitpunkt an einem Verfügungsgrund. Es sei keine Wählerliste erstellt und nicht der Kreis der wahlberechtigten Arbeitnehmer eingegrenzt. Es sei verfrüht, Rechte zur Durchführung einer Briefwahl geltend zu machen.

Das Landesarbeitsgericht entschied, die Beschwerde des Wahlvorstandes sei begründet. Der erforderliche Verfügungsanspruch liege vor. Der Wahlvorstand benötige die Adressen sämtlicher im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer um diesen die Unterlagen für die Briefwahl zu senden.

Nach § 24 Absatz 2 WahlO Betriebsverfassungsgesetz erhalten Wahlberechtigte, von denen dem Wahlvorstand bekannt ist, dass sie im Zeitpunkt der Wahl nach der Art ihres Beschäftigungsverhältnisses voraussichtlich nicht im Betrieb anwesend sein werden (insbesondere im Außendienst oder mit Telearbeit Beschäftigte und in Heimarbeit Beschäftigte) die in § 24 Absatz 1 WahlO bezeichneten Unterlagen, ohne dass es eines Verlangens der Wahlberechtigten bedarf.

Das gelte für den überwiegenden Teil der Fahrer, die von zuhause aus mit dem privaten Fahrrad tätig sind. Sie seien zwar im Stadtgebiet tätig, damit aber nicht am Wahltag in den Betriebsräumen anwesend. Fahrer die ein Dienstfahrrad verwenden dürfen, übernehmen dieses nicht am Ort der Stimmabgabe und können ihre Stimmabgabe nicht mit der Übergabe des Dienstfahrrads verbinden.

Ebenso könne dahinstehen, ob die Verwaltungsmitarbeiter wieder im Büro arbeiten, da ihr Arbeitsort nicht mit dem Ort der Stimmabgabe übereinstimmt.

Auf Antrag der Wahlberechtigten hat der Wahlvorstand ihnen die Briefwahlunterlagen unverzüglich zu übersenden. Dieser Forderung könnte der Wahlvorstand nicht nachkommen, wenn er wegen jeder Adresse bei der Arbeitgeberin vorstellig werden müsste.

Dem Wahlvorstand müssten vorab sämtliche Daten vorliegen, damit er im Einzelfall die Briefwahlunterlagen übermitteln kann. Das gelte auch bezüglich der Verwaltungsmitarbeiter.

 Der Wahlvorstand könne nicht auf die Einreichung eines erneuten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung verwiesen werden, da hierfür die Zeit zu knapp sein kann. Auch das nicht kooperative Verhalten der Arbeitgeberin gegenüber dem Wahlvorstand lasse befürchten, dass dieser kurzfristig benötigte Informationen von der Arbeitgeberin nicht freiwillig erhält.

Entsprechend § 2 Absatz 2 Satz 1 WahlO Betriebsverfassungsgesetz werde im Zusammenhang mit der Erstellung der Wählerliste geregelt, dass die Arbeitgeberin dem Wahlvorstand alle erforderlichen Auskünfte zu erteilen und die erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen habe.

Nur im Falle einer nichtigen Betriebsratswahl bestehe diese Verpflichtung nicht. Die voraussichtliche Anfechtbarkeit der Wahl genüge dagegen nicht. Nur in besonderen Ausnahmefällen, wenn gegen allgemeine Grundsätze jeder ordnungsgemäßen Wahl in so hohem Maße verstoßen werde, dass auch der Anschein einer dem Gesetz entsprechenden Wahl nicht mehr besteht, sei eine Betriebsratswahl nichtig.

Hinsichtlich der Mitteilung der Adressen bestünden keine datenschutzrechtlichen Bedenken. Die Daten werden von Arbeitgeberin rechtmäßig erhoben und mit dem Einverständnis der Arbeitnehmer verarbeitet.

Die Adressen benötige der Wahlvorstand zur Durchführung seiner ihm nach § 24 WahlO Betriebsverfassungsgesetz obliegenden gesetzlichen Verpflichtungen. Es kommt nicht entscheidend darauf an, dass sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht vollständig vorhersehen lasse, ob der Wahlvorstand tatsächlich alle privaten Anschriften der Arbeitnehmer benötigt. Zum jetzigen Zeitpunkt lasse sich dies nicht abschließend feststellen. Die Durchführung eines weiteren einstweiligen Verfügungsverfahrens nach einer erfolgten Weigerung der Arbeitgeberin im Falle eines Antrags von Wahlberechtigten auf Briefwahl nach § 24 Abs. 1 WahlO könnte jedoch aufgrund des Zeitablaufs im Hinblick auf die unmittelbar bevorstehende Betriebsratswahl zu spät sein.

Die Eilbedürftigkeit des Verfügungsgrundes ergebe sich, da die Betriebsratswahl bereits am 31. August 2020 (in 21 Tagen) stattfindet und ein Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren daher zu spät käme.

Eine Rechtsbeschwerde gegen diese Entscheidung ist nicht statthaft.