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Ist eine Kündigung wegen häufiger Erkrankungen sozial gerechtfertigt?

Kündigung wegen häufiger Erkrankungen

Arbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 17.05.2022, Aktenzeichen 14 Sa 825/21

Eine Kündigung wegen häufiger Erkrankungen ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn keine angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten angewandt werden können. Mit einem betrieblichen Wiedereingliederungsmanagement (bEM)können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden.

Das Arbeitsverhältnis eines Luftsicherheitsassistenten wurde von der Arbeitgeberin wegen häufiger Erkrankungen ordentlich personenbedingt gekündigt.

Im Jahr 2019 war der Luftsicherheitsassistent in neun Zeiträumen ab Juni 2019 an insgesamt 36 Arbeitstagen, im Jahr 2020 in 13 Zeiträumen an insgesamt 82 Arbeitstagen, arbeitsunfähig erkrankt.

Insbesondere litt der Luftsicherheitsassistent an Bronchitis, akuter Infektion der oberen Atemwege, Kreuz-, Lendenschmerz und Lumbago, Radikulopathie im Lumbosakral- sowie im Thorakolumbalbereich, Skoliose im Thorakalbereich, Gelenkschmerz im Unterschenkel, Gonarthrose, virusbedingter Darminfektion, Enteritis, Gastroenteritis und Kolitis und nicht näher bezeichneten Virusinfektionen sowie an Schwindel und Kopfschmerzen und an Problemen mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung. Weiterhin wurde eine Arbeitsunfähigkeit durch eine Erkrankung der Zähne bzw. des Zahnhalteapparates verursacht, eine andere durch Übelkeit und Erbrechen. Für 2 weitere Arbeitsunfähigkeiten mit jeweiliger Dauer von 3 Arbeitstagen sind die Ursachen nicht dargelegt.

Am 29.10.2020 fand ein Gespräch im Rahmen des bEM (Betriebliches Eingliederungsmanagement) statt, an dem eine Mitarbeiterin der Arbeitgeberin in ihrer Eigenschaft als Gesundheitsmanagerin und der Luftsicherheitsassistent teilnahmen.

Der Luftsicherheitsassistent führte sehr viel privaten Stress an, ausgelöst durch Wohnungssuche und Hochzeit. Einzelne Erkrankungen und weitere Krankheitsursachen legte er nicht dar. Über das Gespräch fertigte die Gesundheitsmanagerin als Ergebnisprotokoll eine sogenannte Gesprächsdokumentation an.

Aus der Dokumentation geht hervor, der Luftsicherheitsassistent habe privat sehr viel Stress erlitten, da er die Hochzeit im September geplant habe. Vor der Hochzeit habe er eine Wohnung gesucht und dabei Stress erlitten, da es nicht einfach gewesen sei, eine Wohnung zu finden Die Hochzeit sei glücklicherweise am 19.09.20 vollzogen worden und nun habe er auch keinen Stress mehr.

Der Luftsicherheitsassistent erklärte, dass er wieder voll einsatzfähig sei und aktuell keine Erkrankungen vorliegen würden, die ihn bei der Arbeit beeinträchtigen würden. Die Gesundheitsmanagerin erklärte, dass das bEM-Verfahren bei voller Einsatzfähigkeit geschlossen wird. Daraufhin wurde das bEM-Verfahren einvernehmlich beendet, da der Luftsicherheitsassistent wieder voll einsatzfähig war.

Im Februar 2021 hörte die Arbeitgeberin den Betriebsrat zu einer beabsichtigten ordentlichen Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Luftsicherheitsassistenten an. Zehn Tage später kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis zu Ende März 2021.

Der Luftsicherheitsassistent hat sich beim Arbeitsgericht gegen die Kündigung gewandt und für den Fall des Obsiegens seine Weiterbeschäftigung begehrt.

Der Luftsicherheitsassistent hat erklärt, die Kündigung sei sozialwidrig. Eine negative Gesundheitsprognose aufgrund seiner Erkrankungen zwischen Juli 2019 und Ende 2020 sei nicht gerechtfertigt, schon da sich die Arbeitgeberin auf Arbeitsunfähigkeiten eines zu kurzen Referenzzeitraums von 1,5 Jahren stütze.

Die von der Arbeitgeberin prognostisch zu tragende Entgeltfortzahlung überschreite das zumutbare Maß nicht. Auch führten die Erkrankungen nicht zu erheblichen Betriebsablaufschwierigkeiten.

Unstreitig beschäftige die Arbeitgeberin drei Disponenten im Planungsbüro für die Umplanung von Dienstplänen aufgrund von Ausfällen sowie pro Schicht regelmäßig 26-30 Stand-by-Kräfte (sog. überplante Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter).

In Anbetracht des bereits im Oktober 2020 durchgeführten bEM sei vor Ausspruch der Kündigung erneut ein bEM erforderlich gewesen. Die Arbeitgeberin könne sich deshalb nicht auf den Vortrag beschränken, es existiere kein für den Luftsicherheitsassistenten passender freier Arbeitsplatz, auf dem er hätte weiterbeschäftigt werden können.

Die Arbeitgeberin hat gemeint, dass eine negative Prognose von Arbeitsunfähigkeiten im bisherigen Umfang gerechtfertigt sei. Sie stütze sich auf die häufigen Kurzerkrankungen des Luftsicherheitsassistenten in der Vergangenheit, die trotz des jungen Alters auftraten, dem Umstand der Verdoppelung der Kranktage im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr und den Arbeitsunfähigkeiten auch nach dem bEM, trotz seiner Erklärung, voll einsatzfähig zu sein.

Die zu erwartenden zukünftigen Erkrankungen des Luftsicherheitsassistenten führten zu gravierenden Betriebsablaufstörungen, Mehraufwand für die Beschäftigten im Planungsbüro, Unzufriedenheit durch kurzfristige Dienstplanänderungen und Mehrbelastung aufgrund anfallender Mehrarbeitsstunden und ggf. Umsatzeinbußen, sofern Ausfälle nicht kompensiert werden könnten. Zum anderen belasteten die Arbeitgeberin die zu erwartenden erheblichen Entgeltfortzahlungskosten, wobei auch die bei ihrer Rechtsvorgängerin angefallenen Entgeltfortzahlungskosten in die Betrachtung einzubeziehen seien.

Die Interessenabwägung gehe zu Lasten des Bestandsinteresses des Luftsicherheitsassistenten. Es existiere kein freier Arbeitsplatz, auf dem der Luftsicherheitsassistent mit seiner Qualifikation eingesetzt werden könne und die zu erwartenden krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht zu erheblichen Störungen des Betriebsablaufs führen würden. Das bEM sei ordnungsgemäß erfolgt.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Die bisherigen Fehlzeiten indizierten keine negative Gesundheitsprognose. Nur in einem Jahr, 2020, sei der Ausfall erheblich gewesen. Überdies sei der Luftsicherheitsassistent nach dem bEM-Gespräch am 29.10.2020 bis zum Ausspruch der Kündigung rund vier Monate später nur noch an elf Kalendertagen arbeitsunfähig erkrankt gewesen, weshalb ebenfalls nicht auf eine negative Gesundheitsprognose geschlossen werden könne.

Die Arbeitgeberin legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung beim Landesarbeitsgericht ein. In den beiden von ihr herangezogenen Jahren habe der Luftsicherheitsassistent länger als sechs Wochen krankheitsbedingt gefehlt. Auch das Fehlen des Luftsicherheitsassistenten an elf Kalendertagen zwischen bEM und Ausspruch der Kündigung stehe der negativen Prognose nicht entgegen, weil der Luftsicherheitsassistent in dem Gespräch am 29.10.2020 unstreitig seine volle Einsatzfähigkeit mitteilte.

In Anbetracht der häufigen Infektionen der Atemwege, der häufigen Leiden im Bereich des Rückens bzw. der Wirbelsäule sowie des Bewegungsapparates und der häufigen Magen-Darm-Erkrankungen sei der Luftsicherheitsassistent für entsprechende Krankheiten augenfällig besonders krankheitsanfällig, sodass für die Zukunft mit entsprechenden Fehlzeiten zu rechnen sei. Auch die Zeiträume, für die der Luftsicherheitsassistent mangels Vorliegens von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen keine Ursachen dargestellt habe, seien in die negative Prognose einzubeziehen.

Der Luftsicherheitsassistent hat die behandelnden Ärztinnen und Ärzte von der ärztlichen Schweigepflicht entbunden.

Das Landesarbeitsgericht entschied, die ausgesprochene Kündigung ist wirksam.

Bei häufigen (Kurz-)Erkrankungen ist, damit sie eine Kündigung sozial rechtfertigen können, zunächst eine negative Gesundheitsprognose erforderlich. Es müssen im Kündigungszeitpunkt objektive Tatsachen vorliegen, die die Besorgnis weiterer Erkrankungen im bisherigen Umfang befürchten lassen – erste Stufe.

Die prognostizierten Fehlzeiten müssen außerdem zu einer erheblichen Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen führen, was als Teil des Kündigungsgrundes – zweite Stufe – festzustellen ist. Diese Beeinträchtigungen können sowohl in Betriebsablaufstörungen als auch in zu erwartenden Entgeltfortzahlungskosten liegen, sofern die Zahlungen einen Umfang von sechs Wochen übersteigen.

Im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung – dritte Stufe – ist schließlich zu prüfen, ob die Beeinträchtigungen von der Arbeitgeberin gleichwohl hingenommen werden müssen.

Treten während der letzten Jahre jährlich mehrere (Kurz-)Erkrankungen auf, spricht dies für eine entsprechende künftige Entwicklung des Krankheitsbildes, es sei denn, die Krankheiten sind ausgeheilt.

Zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung bestand die Prognose, dass der Luftsicherheitsassistent weiter im bisherigen Umfang arbeitsunfähig erkrankt sein wird (1. Stufe).

Die Arbeitgeberin hat aus den beiden von ihr als Referenzzeitraum herangezogenen Jahren 2019 und 2020 36 bzw. 82 Arbeitstage dargelegt, an denen der Luftsicherheitsassistent krankheitsbedingt ausgefallen war und behauptet, in Zukunft seien entsprechende Arbeitsunfähigkeiten zu erwarten.

Der Luftsicherheitsassistent ist dieser Behauptung nicht hinreichend entgegengetreten, sodass sie nach § 138 Absatz 2 ZPO (Zivilprozessordnung) als zugestanden gilt.

Er hat bereits nicht vorgetragen, seine Ärztinnen und Ärzte hätten die gesundheitliche Entwicklung als positiv bewertet, sondern sie bloß ohne weiteren Kommentar von ihrer ärztlichen Schweigepflicht entbunden. Zurecht weist die Arbeitgeberin zudem darauf hin, dass der Luftsicherheitsassistent nicht erklärt hat, die jeweils aufgetretenen Erkrankungen seien vollständig ausgeheilt.

Vielmehr stützen die eingeräumten Erkrankungen die negative Gesundheitsprognose, da sie auf eine nicht unerhebliche Krankheitsanfälligkeit schließen lassen. Bei Erkältungs- und Entzündungskrankheiten und Beschwerden des Bewegungsapparates kann regelmäßig von einer Wiederholungsgefahr ausgegangen werden, wenn keine besonderen Therapiemaßnahmen erfolgen.

Nach der Darstellung des Luftsicherheitsassistenten führt bei ihm sehr viel privater Stress offenbar zu Krankheitserscheinungen an verschiedenen Organen und Bereichen des Körpers. Sehr viel privater Stress kann den Luftsicherheitsassistenten jedoch in allen Lebenslagen ereilen, nicht nur aufgrund von Wohnungssuche und Hochzeit, sondern auch durch Nachwuchs, erneuten Umzug oder notwendig werdender Betreuung naher Verwandter. Es liegt dann auch nahe, dass die verschiedenen, stressbedingten Erkrankungen erneut auftreten.

In die Prognose einzubeziehen sind schließlich die Krankheitstage ohne vorgelegte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen, für die der Luftsicherheitsassistent keinen Grund vorgetragen hat. Insoweit bleibt es ohne Weiteres bei der Behauptung der Arbeitgeberin, die Fehlzeiten würden auch zukünftig auftreten.

Der Kammer erscheint bedeutsam, dass der Luftsicherheitsassistent in den ersten elf Monaten des Arbeitsverhältnisses keinerlei Krankentage aufwies und dies, obwohl die einzelnen späteren Erkrankungen auf eine nicht unerhebliche Krankheitsanfälligkeit des Klägers schließen lassen und er als Ursache sehr viel privaten Stress anführt. Dies legt die Vermutung nahe, dass die häufigeren Arbeitsunfähigkeiten im unbefristeten, gesicherten Arbeitsverhältnis eher signifikant für die Konstitution des Luftsicherheitsassistenten sind.

Dem steht nicht entscheidend entgegen, dass die Arbeitsunfähigkeitszeiträume nach dem bEM-Gespräch abnahmen, sie traten in nicht unerheblichem Umfang auf.

Der Referenzzeitraum von zwei Jahren stellt vorliegend eine hinreichende Basis der negativen Prognose dar. Unter den Umständen des Einzelfalls, dem starken Anstieg der Fehlzeiten nahezu ab Übergang in das unbefristete Arbeitsverhältnis, den Erkrankungen mit den drei Schwerpunkten Atemwege, Magen-Darm und Rücken/Bewegungsapparat und ihre Begründung mit sehr viel privatem Stress, besteht auf der Grundlage der beiden Referenzjahre 2019 und 2020 eine negative Gesundheitsprognose.

Die Kammer geht deshalb aufgrund der Arbeitsunfähigkeiten von insgesamt 36 Arbeitstagen im Jahr 2019 und 82 Arbeitstagen im Jahr 2020 davon aus, dass zum Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs die berechtigte Prognose bestand, dass der Luftsicherheitsassistent auch zukünftig im bisherigen Umfang arbeitsunfähig erkrankt sein würde.

Die betrieblichen Interessen der Arbeitgeberin sind durch die zukünftigen Arbeitsunfähigkeiten des Luftsicherheitsassistenten erheblich beeinträchtigt (2. Stufe).

Fällt der Luftsicherheitsassistent zukünftig jährlich mindestens 36 Arbeitstage aus, muss die Arbeitgeberin für mehr als 31,5 Arbeitstage, also für mehr als sechs Wochen, Entgeltfortzahlung leisten.

Die Entgeltfortzahlungszeiträume in der Vergangenheit sind unstreitig, die Erwartung zukünftig entsprechender Zahlung ist dargelegt und besteht auch nach Einschätzung der Kammer.

In Anbetracht der für Umplanungen zuständigen drei Disponenten und der regelmäßig eingeplanten Stand-by-Kräfte bestehen Zweifel, ob erhebliche Betriebsablaufschwierigkeiten zu befürchten sind. Diese resultierten nicht allein aus den Fehlzeiten des Luftsicherheitsassistenten, sondern es müsste eine Vielzahl von Ausfällen diverser Luftsicherheitsassistenten hinzukommen. Dies kann nicht die Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Luftsicherheitsassistenten begründen, was aber wegen der zu besorgenden Entgeltfortzahlungskosten dahinstehen kann.

Die Kündigung ist auch verhältnismäßig (3. Stufe).

Eine Kündigung ist durch Krankheit nicht im Sinne von § 1 Absatz 2 Satz 1 KSchG “bedingt”, mithin nicht erforderlich, wenn es angemessene mildere Mittel zur Vermeidung oder Verringerung künftiger Fehlzeiten gibt.

Ein milderes Mittel zur Vermeidung oder Verringerung der Fehlzeiten ist nicht ersichtlich. Auch das von der Arbeitgeberin im Herbst 2020 durchgeführte, von den Parteien einvernehmlich abgeschlossene bEM hat ein solches Mittel nicht aufgezeigt. Ein erneutes bEM vor Ausspruch der Kündigung war nicht geboten.

Mit Hilfe eines bEM können mildere Mittel als die Beendigung des Arbeitsverhältnisses erkannt und entwickelt werden.

Das im Herbst 2020 durchgeführte bEM erweist sich vor allem wegen seines einvernehmlichen Abschlusses als nicht fehlerhaft, sodass der Arbeitgeberin keine erweiterten Darlegungslasten zur Verhältnismäßigkeit der Kündigung erwachsen.

Nach ihrem Kenntnisstand bei Durchführung des bEM waren private, aber erledigte Umstände ursächlich für die Erkrankungen.

Das bEM-Gespräch vom 29.10.2020 genügte jedoch inhaltlich den aus § 167 Absatz 2 SGB IX (Sozialgesetzbuch) abzuleitenden gesetzlichen Mindeststandards nicht. Eines seiner Ziele ist die Klärung, aufgrund welcher gesundheitlichen Einschränkungen es zu den bisherigen Ausfallzeiten gekommen ist. Dass ernsthaft versucht wurde, dies mit dem Luftsicherheitsassistent zu erörtern, ist nicht ersichtlich. Besprochen wurden offenbar nur die Auslöser seiner Beschwerden, die der Luftsicherheitsassistent ausschließlich im privaten Bereich verortete, nicht aber sein pathologischer Status als solcher.

Ein anderes Ziel ist die Klärung, mit welchen Hilfen oder Leistungen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann. Diesem Ziel wird eine Erörterung kaum gerecht, die bei Feststellen “voller Einsatzfähigkeit” geschlossen wird.

Wird ein bEM-Verfahren bloß mit der Begründung beendet, dass derzeit keine Beeinträchtigungen bestünden, hat kein Vorbeugen stattgefunden, jedenfalls kein an diesem Ziel orientierter ernsthafter Versuch eines verfahrensoffenen Suchprozesses.

Dennoch bewertet die Kammer das inhaltlich unvollständige bEM als nicht fehlerhaft, da der Luftsicherheitsassistent und die Vertreterin der Arbeitgeberin es einvernehmlich abschlossen.

Im Ergebnis hat die Arbeitgeberin den Pflichten aus § 167 Absatz 2 SGB IX genügt, indem sie im Herbst 2020 den Luftsicherheitsassistenten über das Verfahren hinreichend aufgeklärt und ein inhaltlich unzureichendes, aber einvernehmlich beendetes bEM durchgeführt hat.

Da der Luftsicherheitsassistent zwischen Ende Oktober 2020 und Ausspruch der Kündigung nicht mehr als 31,5 Arbeitstage arbeitsunfähig erkrankt war, war ein weiteres bEM nicht veranlasst.

Die Kündigung war auch angemessen. Die vorzunehmende Interessenabwägung geht zu Lasten des Luftsicherheitsassistenten. Für sein Bestandsschutzinteresse sind in die Abwägung die Unterhaltsverpflichtung gegenüber der Ehefrau und der Umstand einzubeziehen, dass die Fehltage in den 3,5 Monate zwischen bEM-Gespräch und Betriebsratsanhörung zurückgingen. Zudem sei zu Gunsten des Luftsicherheitsassistenten unterstellt, dass zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung im Februar 2021 der Arbeitsmarkt jedenfalls für Luftsicherheitskräfte wegen der Covid19-Pandemie angespannt gewesen sein dürfte.

Indes überwiegt das Beendigungsinteresse der Arbeitgeberin, der auf Dauer nicht zumutbar war, die zu erwartenden Störungen hinzunehmen. Der Luftsicherheitsassistent wies erst eine Betriebszugehörigkeit von etwa 2,5 Jahren auf, hatte also noch keinen ins Gewicht fallenden Besitzstand aufgebaut. In diesem Zeitraum waren bereits viele Fehltage zu verzeichnen, die sich im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt hatten, wenn deren Zahl zuletzt auch abnahm. Es war auch zukünftig von erheblichen Arbeitsunfähigkeiten mit Entgeltfortzahlung auszugehen, ausgelöst durch mannigfaltige Beschwerden.

Die Kündigung ist nicht nach § 102 Absatz 1 Satz 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) unwirksam, da die Arbeitgeberin den für die Niederlassung gebildeten Betriebsrat ordnungsgemäß vor Ausspruch der Kündigung angehört hat.

Die Anhörung des Betriebsrats vom 15.02.2021 war in Ordnung. Insbesondere wurden dem Betriebsrat die Kündigungsgründe, auf welche die Arbeitgeberin die Kündigung zu stützen gedachte, umfangreich dargestellt.

Eine Revision zu dieser Entscheidung wurde zugelassen.