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Vorabmitteilung zum aktuellen Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 20.05.2025 – Betriebsratssitzung: Ersatzladung bei kurzfristigem Ausfall nicht erforderlich

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.05.2025, Aktenzeichen 1 AZR 35/24

Fällt ein Betriebsratsmitglied erst am Sitzungstag kurzfristig aus, muss nach Auffassung des BAG kein Ersatzmitglied in letzter Minute eingeladen werden. Damit bestätigte das Gericht zugleich die Wirksamkeit einer Betriebsvereinbarung, die zu einer Kürzung des sogenannten Entgelt-Sockelbetrags geführt hatte. 

Sachverhalt:

Ein Arbeitnehmer aus der Metallwarenindustrie, dessen Arbeitgeberin nicht tarifgebunden war, meinte trotz Aufgabe seines Arbeitsverhältnisses Ende 2021 Anspruch auf Zahlungen nach einer älteren Entgeltstruktur zu haben. Er wandte sich daher 2022 gegen die Betriebsvereinbarung (BV 2020), mit der der Sockelbetrag gekürzt worden war. Nachdem das ArbG seine Klage abgewiesen und er Berufung eingelegt hatte, beschloss der Betriebsrat im Juli 2023 vorsorglich die Genehmigung einer Nachtragsvereinbarung.

Für diese Sitzung waren Ersatzmitglieder für zwei abwesende Betriebsratsmitglieder ordnungsgemäß geladen. Am selben Vormittag meldete sich ein weiteres Mitglied krank, ohne dass noch ein Nachrücken organisiert wurde. Der Kläger sah darin einen Verfahrensfehler und hielt den Beschluss für nichtig. Das LAG Baden-Württemberg folgte seiner Ansicht und verlangte eine kurzfristige Ersatzladung, etwa per Mail oder Telefon. Auf die Revision des Unternehmens hob das BAG diese Entscheidung jedoch auf.

Entscheidung des BAG:

Nach Auffassung des BAG war die Klage unbegründet. Die Betriebsvereinbarung aus 2020 sei wirksam zustande gekommen und verstoße nicht gegen gesetzliche Vorschriften. Entscheidend sei, dass ein Beschluss des Betriebsrats auch nachträglich rückwirkend genehmigt werden könne (§ 184 Abs. 1 BGB analog). Die Genehmigung aus Juli 2023 wirke daher zurück bis zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der BV 2020.

Das Gericht stellte klar, dass ein Betriebsratsvorsitzender im Regelfall davon ausgehen dürfe, dass eine Nachladung am Tag der Sitzung nicht mehr rechtzeitig möglich ist, wenn die Verhinderung eines Mitglieds erst kurzfristig bekannt wird. Der Beschluss sei daher trotz fehlender Ersatzladung wirksam gefasst worden.

Inhaltliche Bewertung:

Auch in materieller Hinsicht bestätigte das BAG die Wirksamkeit der BV 2020. Diese verstoße weder gegen § 77 Abs. 3 Satz 1 BetrVG noch sei sie wegen Gesichtspunkten wie Vertrauensschutz oder Verhältnismäßigkeit unwirksam. Als Regelungen zur betrieblichen Vergütungsstruktur unterfielen die Inhalte der Mitbestimmung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, sodass die Ablösung der älteren Vereinbarung (BV 2007) rechtmäßig erfolgte.

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