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Unwirksame außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist kann als ordentliche Kündigung gedeutet werden – Kündigungsschutzklage bleibt ohne Erfolg

Bundesarbeitsgericht (2. Senat), Urteil vom 18.06.2025, Aktenzeichen 2 AZR    228/23

Leitsatz: 

Erweist sich eine außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist als unwirksam, endet das Arbeitsverhältnis aber aufgrund einer durch Umdeutung gewonnenen ordentlichen Kündigung zum selben Termin, ist die Kündigungsschutzklage insgesamt abzuweisen.

Hintergrund und Sachverhalt:

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hatte über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Änderungskündigung mit Auslauffrist zu entscheiden, die einem langjährigen Arbeitnehmer (Technical Project Manager, zuletzt vollständig im Homeoffice tätig) ausgesprochen wurde. Die Beklagte bot dem Kläger gleichzeitig eine Weiterbeschäftigung an anderem Standort an, was dieser ablehnte. Der Kläger war zum Zeitpunkt der Kündigung ehrenamtlicher Richter beim Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg und bis April 2017 Mitglied des Betriebsrats einer Konzerneinheit.

Kernaussagen des Urteils:

Das BAG entschied, dass sich die außerordentliche Kündigung mit Auslauffrist als unwirksam erwies, weil die Voraussetzungen für eine außerordentliche Kündigung – insbesondere die Unverhältnismäßigkeit – nicht vorlagen. Allerdings wurde das Arbeitsverhältnis durch Umdeutung (gem. § 140 BGB) in eine ordentliche Kündigung zum selben Termin dennoch beendet. Die Kündigungsschutzklage wurde folglich insgesamt abgewiesen.

Rechtlicher Rahmen

  • Außerordentliche Kündigungen mit Auslauffrist sind zulässig, wenn besondere Schutzvorschriften einer ordentlichen Kündigung entgegenstehen, etwa bei Betriebsräten oder ehrenamtlichen Richtern.
  • Entscheidend ist, ob die Schutzvorschriften tatsächlich greifen. Im konkreten Fall lehnte das BAG den besonderen Kündigungsschutz nach Art. 110 Abs. 1 Satz 2 der Verfassung Brandenburg ab, weil der Arbeitgeber keinen hinreichenden Bezug zum „Staatsvolk“ Brandenburgs und keinen Betrieb im Land hatte – ein bloßer Wohnsitz des Arbeitnehmers genügt  nicht.
  • Ebenso schied ein Kündigungsschutz aus § 15 KSchG für Betriebsratsmitglieder aus, da die Betriebsratstätigkeit mit Wegfall der Zuordnung zur Region Nord-Ost 2017 endete und seither keine Betriebsstruktur im Inland mehr bestand.

Umdeutung und deren Voraussetzungen:

Das Gericht stellte die Umdeutung der unwirksamen außerordentlichen Kündigung zur ordentlichen Kündigung auf denselben Termin als zulässig dar, wenn daraus klar der Wille des Arbeitgebers erkennbar ist, das Arbeitsverhältnis jedenfalls zu beenden.

  • Der Beklagte hatte bereits mehrere erfolglose Kündigungsversuche unternommen und den Kläger seit über einem Jahr unwiderruflich freigestellt. Es war für ihn klar erkennbar, dass keine Weiterbeschäftigung zu alten Bedingungen gewollt war.
  • Auch das Änderungsangebot beinhaltete bei Ablehnung die Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. Juni 2022.

Die ordentliche Kündigung war mangels besonderer Schutzvorschriften und fehlender Zuordnung zu einem Betriebsrat wirksam. Sozialrechtliche Einwände und fehlende Betriebsratsanhörung waren unbeachtlich, weil die Voraussetzungen dafür nicht vorlagen.

Bedeutung und Praxishinweis:

Die Entscheidung bestätigt, dass eine formal unwirksame außerordentliche Kündigung in eine ordentliche Kündigung umgedeutet werden kann, sofern erkennbar ist, dass das Arbeitsverhältnis zum fraglichen Zeitpunkt in jedem Fall beendet werden sollte.

  • Arbeitsverhältnis endet auch bei unwirksamer außerordentlicher Kündigung, wenn die Umdeutung greift.
  • Homeoffice und fehlende Betriebszuordnung beeinflussen die Anwendung von Kündigungsschutzgesetz und betrieblichen Arbeitnehmervertretungsrechten entscheidend.
  • Für Arbeitgeber bedeutet das Urteil, dass auch Kündigungen mit formalen Mängeln Bestand haben können, sofern der Beendigungswille und tatsächliche Voraussetzungen klar vorliegen.

Das BAG betonte die maßgebliche Rolle des mutmaßlichen Arbeitgeberwillens und die Bedeutung exakter Betriebszuordnung bei Homeoffice-Konstellationen; besondere Schutzvorschriften greifen nur, wenn die Voraussetzungen streng erfüllt sind.