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Überwachungsrecht des Betriebsrates – betriebliches Eingliederungsmanagement

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 07.02.2012, 1 ABR 46/10

Das betriebliche Eingliederungsmanagement, kurz BEM, genannt (§ 84 Abs. 2 Satz 1 SGB IX), ist für Krankschreibungen, die länger als 6 Wochen währen, vorgesehen. Mit Hilfe des BEM soll geklärt werden, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Der Betriebsrat ist verpflichtet, den Arbeitgeber zu überwachen, ob er seiner Pflicht zum Eingliederungsmanagement nachkommt. Einer Zustimmung des Arbeitnehmers dazu bedarf es nicht.

 

Arbeitgeber und Betriebsrat regelten in einer Betriebsvereinbarung das betriebliche Eingliederungsmanagement. In § 4 der Betriebsvereinbarung wurde geregelt:

 

Der BR erhält quartalsmäßig (zusammen mit der Mitarbeiterliste) ein Verzeichnis der Mitarbeiter, die die Voraussetzungen für ein BEM erfüllen. Der Arbeitgeber teilt gleichzeitig seine Einschätzung mit, ob ein BEM aus seiner Sicht geeignet und sinnvoll ist. Er teilt zudem eine nachvollziehbare Begründung hierfür mit.

In § 7 der Betriebsvereinbarung heißt es:

Das betriebliche Eingliederungsmanagement erfolgt unter Wahrung der jeweils gültigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen.

Der Arbeitgeber weigerte sich mit dem Hinweis auf datenschutzrechtliche Bedenken, dem Betriebsrat ein Verzeichnis der Mitarbeiter zu übermitteln, die für das betriebliche Eingliederungsmanagement infrage kommen. Der Arbeitgeber wollte die Daten nur mit dem persönlichen Einverständnis der betroffenen Arbeitnehmer an den Betriebsrat übermitteln.

Der Betriebsrat verlangte lediglich Namen und Fehlzeiten der betroffenen Arbeitnehmer, jedoch keine sensiblen Gesundheitsdaten wie Art und Schwere der Erkrankung.

Das Bundesarbeitsgericht entschied, der Arbeitgeber darf die Übermittlung der Daten für das betriebliche Eingliederungsmanagement nicht vom Einverständnis der Arbeitnehmer abhängig machen.

Das Bundesarbeitsgericht erklärt:

Der Arbeitgeber hat ein betriebliches Eingliederungsmanagement allen Beschäftigten anzubieten, die im Jahreszeitraum mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig gewesen sind. Für die Ausübung seines gesetzlichen Überwachungsrechts muss der Betriebsrat diesen Personenkreis kennen; einer namentlichen Benennung stehen weder datenschutzrechtliche Gründe noch das Unionsrecht entgegen.

 

Die Kenntnis der Daten ist für den Betriebsrat notwendig, um seiner gesetzlichen Verpflichtung nachkommen zu können. Das Grundrecht des einzelnen Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung steht unter einem allgemeinen Gesetzesvorbehalt und wird durch §§ 84 Abs. 2 Satz 7 SGB IX, 80 Abs. 1, Abs. 2 BetrVG, deren Umsetzung die Betriebsvereinbarung dient, in zulässiger Weise eingeschränkt.