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Betriebsrat genießt Kündigungsschutz

Kündigungsschutz für den Betriebsrat

Arbeitsgericht Marburg, Urteil vom 12.11.2010, Aktenzeichen 2 BV 4/10

Ein Mitglied des Betriebsrats darf nicht deshalb gekündigt werden, weil eine nicht vom Betriebsrat genehmigte Arbeitszeitänderung an die Aufsichtsbehörde übermittelt wurde.

 

Die Arbeitgeberin verlegte den Beginn der Montags-Nachtschicht auf den vorangegangenen Sonntag um 21.00 Uhr. Die Arbeitgeberin hatte für den vorgezogenen Beginn der Nachtschicht am Sonntag das Einverständnis der betroffenen Mitarbeiter eingeholt. Das Einverständnis des Betriebsrats lag nicht vor.

Ein Betriebsratsmitglied, im Betriebsrat als Beauftragter für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz tätig, trat bezüglich des vorgezogenen Schichtbeginns mit der zuständigen Aufsichtsbehörde telefonisch in Verbindung.

Die Arbeitgeberin beantragte daraufhin beim Betriebsrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Das Betriebsratsmitglied habe gegenüber der Aufsichtsbehörde die Unwahrheit gesagt. Die gesetzlichen Vorgaben zur Arbeitszeit würden eingehalten. Das Betriebsratsmitglied habe das Ansehen der Arbeitgeberin bei der zuständigen Aufsichtsbehörde schwer geschädigt, das Vertrauensverhältnis sei massiv gestört worden.

Der Betriebsrat verweigerte seine Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung. Der Betriebsrat habe keine Anzeige erstattet, sondern nur ein Gespräch geführt. Zwischen dem Betriebsrat und der Arbeitgeberin seien verschiedene Fragen des Arbeitsschutzes, insbesondere der Beginn der Nachtschicht ungeklärt gewesen.

Das Betriebsratsmitglied habe im Auftrag des Betriebsrats, mit dem zuständigen Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde zu klären versucht, welche Möglichkeiten bestünden, die Nachtschicht am Sonntag auf 21 Uhr vorzuverlegen. Es wurde vereinbart, dass der Mitarbeiter der Aufsichtsbehörde den Sachverhalt direkt mit der Geschäftsleitung klärt. Eine Schädigung der Arbeitgeberin habe es nicht gegeben.

Die Arbeitgeberin warf vor, das Betriebsratsmitglied habe ohne innerbetriebliche Klärung und ohne Abstimmung innerhalb des Betriebsrats die Aufsichtsbehörde eingeschaltet. Vor dem Arbeitsgericht beantragte die Arbeitgeberin, die Zustimmung des Betriebsrats zur außerordentlichen Kündigung des Betriebsratsmitgliedes zu ersetzen.

Der Betriebsrat argumentierte, bereits früher habe der Betriebsratsvorsitzende wegen zahlreicher Rechtsverstöße, vorrangig bei der Arbeitszeit, die Aufsichtsbehörde kontaktiert. Darauf habe die Arbeitgeberin ohne Beanstandungen reagiert. In einer vorhergehenden, protokollierten Betriebsratssitzung sei das Betriebsratsmitglied beauftragt worden die Aufsichtsbehörde zu kontaktieren. Das Betriebsratsmitglied habe in seiner Funktion als Betriebsrat gehandelt. Eine Verletzung arbeitsrechtlicher Pflichten liege nicht vor, eine außerordentliche Kündigung komme nicht in Betracht.

Das Arbeitsgericht bestätigt die Auffassung des Betriebsrats, das Betriebsratsmitglied habe im Auftrag des Betriebsrats gehandelt, nicht als Arbeitnehmer oder Privatperson. Eine außerordentliche Kündigung könne deshalb nicht ausgesprochen werden.

Das Arbeitsgericht stellte fest:

Ein Betriebsratsmitglied kann nicht deshalb fristlos gekündigt werden, weil er in seiner Funktion als Betriebsrat gegebenenfalls rechtswidrig gehandelt hat.

Die Arbeitgeberin habe die Vorverlegung der Nachtschicht ohne Zustimmung des Betriebsrats oder Vorliegen eines Einigungsstellenspruches vorgenommen.

Der Antrag der Arbeitgeberin zur außerordentlichen Kündigung wurde vom Arbeitsgericht zurückgewiesen.

Auch der hilfsweise Antrag zum Ausschluss des Betriebsratsmitgliedes aus dem Betriebsrat war erfolglos. Eine grobe Verletzung gesetzlicher Pflichten durch das Betriebsratsmitglied liege nicht vor. Die Arbeitgeberin könne nicht einerseits frühere Kontakte mit der Aufsichtsbehörde durch den Betriebsratsvorsitzenden billigend in Kauf nehmen, andererseits den Kontakt des Betriebsratsmitgliedes als Zerrüttung des Vertrauensverhältnisses bewerten.