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Vertretung mit befristetem Arbeitsverhältnis

Befristetes Arbeitsverhältnis bei Vertretung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.02.2015, Aktenzeichen 7 AZR 113/13

Befristete Arbeitsverträge für den Zweck der Vertretung sind generell zulässig. Voraussetzung ist das Vorliegen eines Sachgrundes für die Vertretung. Die Vertretung kann unmittelbar, mittelbar oder gedanklich zugeordnet werden.

Eine Fachassistentin war auf der Basis von insgesamt 5 befristeten Arbeitsverträgen annähernd 3 Jahre mit unveränderten Arbeitsaufgaben ununterbrochen tätig. Die Dauer des Arbeitsverhältnisses orientierte sich zweckgebunden an der Krankheitsdauer einer Mitarbeiterin und wurde jeweils zusätzlich mit einem konkreten Datum begrenzt.

Die zu vertretende Angestellte war in ihr Beschäftigungsverhältnis mit einem unbefristeten Arbeitsvertrag in Vollzeit eingebunden.

Die Fachassistentin machte mit einer Befristungskontrollklage die Ungültigkeit der Befristung des letzten Änderungsvertrages geltend. Es läge kein Sachgrund für die Vertretung vor. Die Prognose der Arbeitgeberin zur Rückkehr der vertretenen Kollegin sei unzutreffend. Die vertretene Kollegin habe sich bereits vor dem Abschluss des letzten Änderungsvertrages gegenüber einer anderen Kollegin geäußert, dass sie nicht mehr an ihren Arbeitsplatz zurückkehren werde. Das sei der Arbeitgeberin bekannt gewesen.

Weitere Voraussetzungen für eine Vertretungsbefristung seien auch nicht erfüllt worden. Es habe keine unmittelbare Vertretung gegeben, da sie deren Aufgaben zu keinem Zeitpunkt wahrgenommen hätte. Auch mittelbar habe keine Vertretung vorgelegen. Die Darstellung der Arbeitgeberin sei nicht richtig, dass sie die Vertretung einer weiteren Kollegin übernehme und diese wiederum die Arbeiten der zu vertretenden Kollegin erledige. Die Arbeitgeberin könne sich nicht auf eine sogenannte gedankliche Zuordnung berufen, da sie nach eigenen Angaben eine mittelbare Vertretung durchführen wollte.
Es läge eine missbräuchliche Kettenbefristung vor.

Die Fachassistentin beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis mit der Befristung nicht beendet wurde. Im Fall des Obsiegens soll die Arbeitgeberin verurteilt werden, die Fachassistentin zu unveränderten Bedingungen in Vollzeit weiter zu beschäftigen.

Die Arbeitgeberin beantragte, die Klage abzuweisen. Es läge ein Sachgrund für die Vertretung vor. Die Fachassistentin sei als Vertretung konkret für die Stammmitarbeiterin beschäftigt worden. Es sei unbedeutend, dass die Fachassistentin nicht direkt Aufgaben übernommen habe, sondern Aufgaben aus dem anderen Sachgebiet des Teams. Auch wenn die Mitarbeiterin F diese Tätigkeiten nicht ausgeführt habe, so wäre es doch möglich gewesen, ihr diese Aufgaben im Rahmen des Direktionsrechts zu übertragen. Die Rückkehrprognose sei zutreffend, da die Arbeitgeberin regelmäßig davon ausgehen könne, dass eine erkrankte Stammmitarbeiterin nach der Krankheit an ihren Arbeitsplatz zurückkehre.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Im Berufungsverfahren erkannte das Landesarbeitsgericht (LAG) die Anträge an.

Die Arbeitgeberin versuchte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) die Wiederherstellung der Entscheidung des Arbeitsgerichts.

Das BAG hob das Berufungsurteil auf und verwies den Rechtsstreit an das LAG zurück.

Mit der Begründung des LAG dürfe der Klage nicht stattgegeben werden. Auf der Basis der vorliegenden Tatsachenfeststellung könne nicht abschließend festgestellt werden, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses durch den Sachgrund der Vertretung gerechtfertigt sei. Der Rechtsstreit sei auch aus anderen Gründen nicht reif zur Entscheidung.

Es läge ein sachlicher Grund zur Befristung eines Arbeitsverhältnisses nach § 14 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 Nr. 3 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) vor, wenn der Arbeitnehmer zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers beschäftigt wird. Die Befristung sei damit begründet, dass die Arbeitgeberin zum vorübergehend nicht verfügbaren Mitarbeiter bereits in einem Rechtsverhältnis steht. Die Stammkraft habe einen arbeitsvertraglichen Anspruch darauf, nach der Rückkehr ihre vertraglich vereinbarte Tätigkeit wieder aufzunehmen.

Der Sachgrund der Vertretung kann vorgeschoben sein, falls der ausgefallene Arbeitnehmer vor Abschluss des Vertretungsvertrages seiner Arbeitgeberin verbindlich erklärt habe, er werde seine Arbeit nicht wieder aufnehmen.

Der Sachgrund der Vertretung benötige einen kausalen Zusammenhang. Er setze voraus, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Beschäftigungsbedarfs eingestellt worden sei. Bei Vertragsabschluss sei zu beurteilen, ob der Bedarf für die Beschäftigung des Vertreters auf die Abwesenheit der zu vertretenden Person zurückzuführen sei.

Für die Vertretung seien drei Fallgruppen zu betrachten.

Eine unmittelbare Vertretung liege vor, wenn der eingestellte Mitarbeiter die Arbeiten der ausgefallenen Stammkraft ausführt.

Von einer mittelbaren Vertretung wird ausgegangen, wenn die Arbeiten der ausgefallenen Person einer dritten Person übertragen werden und die Vertretung die Arbeiten der dritten Person übernimmt. In diesem Fall habe die Arbeitgeberin den Kausalzusammenhang der Vertretungskette darzulegen.

Für die gedankliche Zuordnung sei erforderlich, dass die Arbeitgeberin bei Vertragsabschluss mit dem Vertreter dessen Aufgaben einem oder mehreren vorübergehend abwesenden Beschäftigten nach außen erkennbar gedanklich zuordnet. Dies kann insbesondere durch eine entsprechende Angabe im Arbeitsvertrag geschehen. Bei der gedanklichen Zuordnung können dem befristeten Mitarbeiter Tätigkeiten zugewiesen werden, die der vertretene Mitarbeiter zu keinem Zeitpunkt ausgeübt hat, sofern der Arbeitgeber rechtlich und tatsächlich in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden Arbeitnehmer im Falle seiner Weiterarbeit nicht seine bisherigen Tätigkeiten, sondern den Aufgabenbereich des Vertreters zu übertragen.

Das LAG sei zwar zutreffend davon ausgegangen, dass kein Sachgrund für eine unmittelbare Vertretung vorläge. Für eine mittelbare Vertretung habe die Arbeitgeberin die Vertretungskette nicht ausreichend dargelegt. Das LAG habe aber zu unrecht angenommen, die Arbeitgeberin könne keine gedankliche Zuordnung der Vertretung vorgenommen haben. Maßgeblich sei, ob die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Abschlusses des letzten Änderungsvertrages eine nach außen erkennbare Zuordnung der Stammkraft zu den Aufgabenbereichen der Vertreterin vorgenommen habe und sie rechtlich und tatsächlich in der Lage gewesen wäre, die Stammkraft dort einzusetzen.

 Der Senat vermag aber nicht abschließend zu beurteilen, ob die Beklagte die Stammkraft F nicht nur rechtlich, sondern nach einer etwaigen Einarbeitung auch fachlich auf dem Arbeitsplatz der Klägerin hätte einsetzen können. Die fachliche Qualifikation von Frau F sei streitig. Die Feststellungen hierzu seien vom LAG nachzuholen.

Die Behauptung der Fachassistentin, die Stammkraft habe gegenüber einer Kollegin geäußert, sie werde nicht zurückkehren und die Arbeitgeberin hätte davon gewusst, sei nicht ausreichend für die Begründung, dass kein Sachgrund für die Befristung vorgelegen habe. Der Sachgrund wäre nur dann nicht ausreichend, wenn die Stammkraft diese Äußerung gegenüber einem bevollmächtigten Vertreter der Arbeitgeberin verbindlich erklärt hätte.    

Der Befristungskontrollantrag war vom LAG neu zu entscheiden.