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Freigestellte Betriebsratsmitglieder müssen sich abmelden

Abmeldepflicht für freigestellte Betriebsratsmitglieder

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.02.2016, Aktenzeichen 7ABR 20/14

Freigestellte Mitglieder des Betriebsrats sind verpflichtet, sich für die Dauer außerhalb des Betriebs zu erledigender Aufgaben bei der Arbeitgeberin abzumelden und die voraussichtliche Dauer mitzuteilen.

Mehrere von der Arbeit freigestellte Betriebsratsmitglieder beabsichtigten, mit dem Betriebsrat ihren Verfahrensbevollmächtigten in seiner Kanzlei aufzusuchen. Sie wollten sich für die Einigungsstellensitzung rechtlich beraten lassen, die Taktik besprechen und Positionen klären.

Anhand der Antragsformulare für Dienstreisen beantragten die Betriebsratsmitglieder eine Woche vor dem Termin eine Reise zum Ort der Kanzlei mit der Begründung: „Besprechung mit unseren Beratern in Rechtsfragen“. Am Tag der Reise teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat schriftlich mit, dass sie die Anträge so nicht genehmigen könne. Es fehle ein sachlicher Grund.

Einige Tage später teilte die Arbeitgeberin in einem Schreiben an den Betriebsrat mit, der bloße Hinweis auf die Betriebsratsarbeit sei nicht ausreichend. Für Kosten auslösende Maßnahmen müsse abgeschätzt werden können, ob der Betriebsrat im Rahmen seiner Aufgaben nach dem Betriebsverfassungsgesetz tätig sei. In einem weiteren Schreiben teilte die Geschäftsführerin dem Betriebsrat weitere Vorgaben mit. Verlassen Betriebsratsmitglieder während der Arbeitszeit den Betrieb, haben sie sich bei der Geschäftsführung schriftlich abzumelden und nach Wiederkehr wieder anzumelden. Betriebsratsmitglieder müssen Ort, voraussichtliche Dauer und Beschreibung der betriebsverfassungsrechtlichen Aufgaben angeben.

Der Betriebsrat vertrat die Auffassung, die Arbeitgeberin habe kein berechtigtes Interesse an der An- und Abmeldung freigestellter Betriebsratsmitglieder während der Betriebsratstätigkeit außerhalb des Betriebes. Der Betriebsrat sei ständig erreichbar, weil notfalls der freigestellte Betriebsratsvorsitzende über das dienstliche Mobiltelefon angerufen werden könnte.

Der Betriebsrat beantragte beim Arbeitsgericht die Feststellung, dass die vollständig von der Arbeitspflicht befreiten Betriebsratsmitglieder nicht verpflichtet seien, sich vor Verlassen des Betriebes innerhalb der Arbeitszeit abzumelden. Sie seien nicht verpflichtet Ort und voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit anzugeben und seien auch nicht verpflichtet, sich bei der Geschäftsführerin bzw. in der Personalabteilung zurückzumelden.

Die Arbeitgeberin beantragte, den Antrag abzuweisen.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies den Beschwerdeantrag der Arbeitgeberin zurück. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin weiterhin die Antragsabweisung des Betriebsrats.

Das BAG hielt die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin für überwiegend begründet. Das Urteil des Arbeitsgerichts wurde teilweise abgeändert und überwiegend aufgehoben.

Die freigestellten Betriebsratsmitglieder seien verpflichtet, sich innerhalb der Arbeitszeit vor Verlassen des Betriebes abzumelden, die voraussichtliche Dauer der Abwesenheit mitzuteilen und sich bei ihrer Rückkehr bei der Geschäftsführerin bzw. der Personalabteilung zu melden.

Die Betriebsratsmitglieder seien jedoch nicht verpflichtet, vor Verlassen des Betriebes den Ort ihrer Betriebsratstätigkeit mitzuteilen.

Die Pflicht zur Ab-und Abmeldung der Betriebsratsmitglieder ergebe sich aus dem Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit nach § 2 Abs. 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz). Die Meldepflicht sei auch eine arbeitsvertragliche Nebenpflicht nach § 241 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch). Die Meldepflicht für nicht freigestellte Mitglieder diene der Arbeitgeberin zur Erleichterung der Arbeitseinteilung. Es genüge, wenn Ort und voraussichtliche Dauer der Betriebsratstätigkeit angegeben werden.

Freigestellte Betriebsratsmitglieder sind von beruflicher Tätigkeit freigestellt, nicht aber von der Pflicht zur Anwesenheit im Betrieb. Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied unterliege der Anwesenheitspflicht, sich während seiner vertraglichen Arbeitszeit im Betrieb des Betriebsratssitzes aufzuhalten und für Betriebsratstätigkeit bereitzuhalten. Ein freigestelltes Betriebsratsmitglied müsse nicht nachweisen, dass es Betriebsratstätigkeit leiste.

Die Gesetzgebung geht davon aus, dass für eine bestimmte Betriebsgröße eine bestimmte Anzahl von freigestellten Betriebsratsmitgliedern notwendig ist. Dennoch sind freigestellte Betriebsratsmitglieder nicht von der Ab- und Anmeldepflicht entbunden, wenn sie der Betriebsratstätigkeit außerhalb des Betriebes nachgehen. Die Arbeitgeberin habe ein berechtigtes Interesse daran, darüber informiert zu sein, dass die freigestellten Betriebsratsmitglieder vorübergehend als Ansprechpartner für mitbestimmungspflichtige Angelegenheiten nicht zur Verfügung stehen.

Die Arbeitgeberin habe ein berechtigtes Interesse im  Voraus zu erfahren, ob und wie lange ein freigestelltes Betriebsratsmitglied abwesend ist. Diesem berechtigten Interesse könne nicht durch eine nachträgliche Mitteilung der Abwesenheitszeiten oder mitführen eines Mobiltelefons durch Betriebsratsmitglieder entsprochen werden.

Die Arbeitgeberin habe jedoch kein berechtigtes Interesse daran, den Ort der beabsichtigten Betriebsratstätigkeit vor dem Verlassen der freigestellten Betriebsratsmitglieder zu erfahren. Um Anordnungen in Abwesenheit der freigestellten Betriebsratsmitglieder treffen zu können, sei diese Information nicht notwendig. Zur Kostenerstattung und Prüfung, ob die außerhalb des Betriebes wahrgenommenen Betriebsratsaufgaben notwendig waren, genüge eine nachträgliche Information der Arbeitgeberin über den Ort und gegeben falls weiterer Einzelheiten.