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Annahmeverzug – Vergütung bei fehlender Beschäftigungsmöglichkeit

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 24.08.2016, Aktenzeichen 5 AZR 853/15

Ein Arbeitnehmer kann die vereinbarte Vergütung verlangen, nachdem er seine Arbeitsleistung wörtlich angeboten hat und die Arbeitgeberin die Arbeitsleistung ablehnt oder eine erforderliche Mitwirkungshandlung unterlässt.

Hält die Arbeitgeberin eine Weiterbeschäftigung eines Arbeitnehmers im Anschluss an seine Ausbildung wegen fehlender Beschäftigungsmöglichkeit für unzumutbar, ist dieses Verhalten der Arbeitgeberin ebenfalls als Ablehnung zu verstehen. Ein Kfz-Mechatroniker gehörte der Jugend- und Auszubildendenvertretung an. Noch während seiner Ausbildung, etwa zwei Monate vor der Abschlussprüfung, verlangte der Mechatroniker schriftlich seine ausbildungsgerechte Weiterbeschäftigung nach § 78 Absatz 2 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz). Zum Ende seiner Ausbildung verlangte der Mechatroniker erneut in einem Schreiben an die Arbeitgeberin seine Weiterbeschäftigung.

Die Arbeitgeberin beantwortete beide Schreiben nicht. Vier Tage nach dem zweiten Schreiben unterrichtete die Arbeitgeberin den Betriebsrat, sie wolle den Mechatroniker nach dem Ende seiner Ausbildung nicht in ein Arbeitsverhältnis übernehmen bzw. das Arbeitsverhältnis auflösen. Wenige Tage später beantragte die Arbeitgeberin beim Arbeitsgericht, das nach Beendigung der Ausbildung begründete Arbeitsverhältnis aufzulösen. Der Arbeitgeberin sei die Beschäftigung des Mechatronikers unzumutbar, da kein freier Arbeitsplatz zur Verfügung stehe. Es gebe auch keine anderen Arbeitsaufgaben, mit denen er beschäftigt werden könne.

Das Arbeitsgericht wies den Antrag der Arbeitgeberin zurück. Die Arbeitgeberin legte Beschwerde beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein. Das LAG löste das Arbeitsverhältnis auf. Die Auflösung wurde erst wirksam, nachdem das Urteil des LAG rechtskräftig war.

In einem weiteren Verfahren wies das Arbeitsgericht die Klage des Mechatronikers auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für den Zeitraum von 10 Monaten nach Ausbildungsende ab. Im Berufungsverfahren gab das LAG der Klage des Mechatronikers statt. Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen die Nichtzulassung der Revision wurde vom Bundesarbeitsgericht (BAG) als unzulässig verworfen.

Vor dem Arbeitsgericht formulierte der Mechatroniker in einer weiteren Klage Entgeltansprüche für weitere 2,5 Monate. Nach seiner Ansicht sei das Angebot seiner Arbeitsleistung entbehrlich gewesen. Die Entgeltansprüche richteten sich nach der tariflichen Vergütung für Mechatroniker abzüglich bereits erhaltener anderweitiger Verdienste in Höhe von etwa einem Drittel der Mechatroniker-Vergütung.

Die Arbeitgeberin beantragte Klageabweisung, da der Mechatroniker seine Arbeitsleistung nach Begründung des Arbeitsverhältnisses nicht angeboten habe. Das während der Ausbildung abgegebene Angebot genüge nicht. Der Mechatroniker hätte seine Arbeitsleistung tatsächlich vor Ort anbieten müssen. Den Bestand des Arbeitsverhältnisses habe die Arbeitgeberin zu keinem Zeitpunkt in infrage gestellt.

Das Arbeitsgericht wies die Klage ab. Das LAG wies die Berufung des Mechatronikers zurück. Mit der Revision vor dem BAG verfolgte der Mechatroniker seinen Anspruch weiter.

Das BAG entschied, die Revision des Mechatronikers sei teilweise begründet. Es bestehe Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs für den letzten halben Monat im streitigen Zeitraum. Nach § 615 Satz 1 und § 293 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) könne der Arbeitnehmer die vereinbarte Vergütung verlangen, wenn die Arbeitnehmerin mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug gerate, indem sie die angebotene Arbeitsleistung im erfüllbaren Arbeitsverhältnis nicht annehme.

Durch das form- und fristgerechte Übernahmeverlangen im Anschluss an das Ausbildungsverhältnis sei kraft Gesetzes nach § 78a Absatz 2 Satz 1 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) ein unbefristetes Arbeitsverhältnis im Ausbildungsberuf begründet worden. Das Arbeitsverhältnis bestand bis zur rechtskräftigen Auflösung durch das Urteil des LAG vom 19. Juli 2013 und damit im gesamten streitigen Zeitraum.

Ein tatsächliches Angebot, wie es im Sinne von § 294 BGB notwendig ist, sei entbehrlich gewesen. Hat die Arbeitgeberin erklärt, sie werde die Leistung nicht annehmen, genüge ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB. Die Argumentation der Arbeitgeberin, es fehle an Beschäftigungsmöglichkeit, deshalb sei die Weiterbeschäftigung unzumutbar, musste der Mechatroniker als Weigerung verstehen, ihn weiter zu beschäftigen. Die Arbeitgeberin habe auch keine vorübergehend ausbildungsgerechte oder anderweitige Arbeit angeboten.

Der Mechatroniker habe seine Arbeitsleistung entsprechend § 295 BGB für den streitigen Zeitraum angeboten. Er habe durch das Festhalten am Verlangen zur Weiterbeschäftigung nach Begründung des Arbeitsverhältnisses seine Arbeitskraft schlüssig angeboten. Nach § 295 BGB genüge es, wenn der Arbeitnehmer seine Bereitschaft zum Ausdruck bringt, indem er gegen die Ablehnung seiner Arbeitsleistung oder die unterlassene Mitwirkungshandlung der Arbeitgeberin protestiert.

 Mit dem form- und fristgerechten Weiterbeschäftigungsverlangen nach § 78a Abs. 2 Satz 1 BetrVG wahre ein Mitglied der Jugend- und Auszubildendenvertretung die erste Stufe einer tariflichen Ausschlussfrist für den Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs. Der Verzug entstehe, indem die Arbeitgeberin die Begründung eines Arbeitsverhältnisses leugnet, oder die Beschäftigung, unter Berufung auf die in § 78a Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 BetrVG aufgeführten Gründe, als unzumutbar ablehnt.

Für die Arbeitgeberin sei erkennbar gewesen, dass das Weiterbeschäftigungsverlangen nicht nur auf die unbefristete Beschäftigung zur Sicherung der wirtschaftlichen Grundlage gerichtet war, sondern auch auf die Aufrechterhaltung der Vergütungsansprüche, die aus der Ablehnung resultieren könnten.

Die Vergütungsansprüche für den Monat September 2013 wurden rechtzeitig geltend gemacht. Für die Monate Juli und August 2013 sei die Frist jedoch verstrichen. Die Frist für die Ansprüche begann mit deren Fälligkeit. Nach dem Haustarifvertrag waren die Vergütungen für Mitarbeiter bis zum 10. Tag des Folgemonats fällig. Im Haustarifvertrag wurde für die Geltendmachung von Ansprüchen eine Drei-Monats-Frist festgelegt. Diese Frist wurde für den Monat September eingehalten, indem die Klageschrift am 23. Dezember eingereicht wurde.

Für die Monate Juli und August kam die Klageschrift jedoch zu spät. Ein Anspruch lasse sich auch nicht aus dem vorhergehenden Verfahren ableiten, da dort nur Ansprüche bis zum 30. Juni 2013 geltend gemacht wurden. Das BAG sprach dem Mechatroniker einen Anspruch auf Vergütung für die streitigen Tage im Monat September 2013 zu.