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Recht des Betriebsrats auf externe E-Mail-Nutzung

Betriebsrat – Recht auf externe E-Mail-Nutzung

Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 19.01.2022, Aktenzeichen 3 TaBV 10/21

Der Betriebsrat kann die Einrichtung technischer Möglichkeiten zur betriebsexternen Nutzung von vorhandenen E-Mail-Konten des Betriebsrats bzw. der Betriebsratsmitglieder verlangen, sofern berechtigte Belange der Arbeitgeberin nicht entgegenstehen.

Der Betriebsrat begehrt von der Arbeitgeberin, seinen Mitgliedern zu ermöglichen, auch von außerhalb der Betriebsräume auf die E-Mail-Konten des Betriebsrats zugreifen zu können. Der Betrieb der Arbeitgeberin, die an vielen Standorten in Deutschland Alten-, Pflege- und Betreuungseinrichtungen betreibt, besteht aus drei Betriebsteilen, wovon ein Betriebsteil mehr als 25 km entfernt gelegen ist.

Die sieben Mitglieder des Betriebsrats verteilen sich auf die beiden Betriebsteile am gleichen Standort. Im entfernten Betriebsteil ist kein Betriebsratsmitglied beschäftigt.

Nach der konstituierenden Sitzung im Juni 2019 richtete die Arbeitgeberin ein Betriebsrats-E-Mail-Konto beim externen Anbieter Deutsche Telekom ein. Der Zugriff erfolgte sowohl innerhalb der Betriebsräume als auch von außerhalb, über die privaten Geräte der Betriebsratsmitglieder. Die Arbeitgeberin belegte dann den E-Mail-Zugang mit einem Compliance Filter, der die Nutzung zunächst erheblich einschränkte und untersagte den Gebrauch schließlich ganz, wegen der erheblichen Bedenken der Konzernmutter zur Datensicherheit, da die Daten auf einem außerbetrieblichen Server gespeichert wurden.

Die Arbeitgeberin richtete dann ein Funktions-E-Mail-Postfach sowie für jedes Betriebsratsmitglied eine personalisierte E-Mail-Adresse ein. Der Zugriff auf diese E-Mail-Konten des Betriebsrates bzw. der Betriebsratsmitglieder war nur von der Betriebsstätte aus möglich. Den Betriebsratsmitgliedern, welche sämtlich im Schichtsystem arbeiten, war der Zugriff von außerhalb des Betriebes bei Nutzung privater Geräte nicht mehr möglich. Dienstliche Geräte zum Abruf der E-Mails von außerhalb des Betriebes standen den Betriebsratsmitgliedern nicht zur Verfügung.

Das Arbeitsgericht hat dem Antrag des Betriebsrates entsprochen und im Wesentlichen ausgeführt, die Arbeitgeberin sei gemäß § 40 Absatz 2 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) verpflichtet, dem Betriebsrat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Büropersonal sowie Informationstechnik und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Hierzu zähle auch die Einrichtung und Konfiguration von E-Mail-Konten und zwar sowohl zur externen als auch zur internen Kommunikation.

Unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BAG habe der Betriebsrat die Einrichtung einer technischen Möglichkeit für den Abruf seiner Betriebsrats-E-Mail-Konten auch von außerhalb der Betriebsräume für erforderlich halten dürfen. Basierend auf dem gegebenen Sach- und Streitstand sei der Betriebsrat nicht auf die vorhandenen technischen Möglichkeiten im Betrieb beschränkt.

Gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts legte die Arbeitgeberin Beschwerde beim Landesarbeitsgericht ein.

Die Arbeitgeberin argumentierte, es sei nicht ersichtlich, auf welcher tatsächlichen Grundlage eine Beschränkung des Betriebsrates auf die in der betrieblich zur Verfügung gestellte Ausstattung unzureichend sein soll. Erst recht sei eine Erforderlichkeit im Sinne des § 40 Absatz 2 BetrVG im Hinblick auf einen außerbetrieblichen E-Mail-Zugang für den Betriebsrat nicht dargelegt worden.

Es sei beispielsweise völlig unbeachtet geblieben, dass keiner der Arbeitnehmer des Betriebes über die Möglichkeit eines Zugriffs auf die dienstlichen E-Mails von außerhalb verfüge. Auch sei nicht hinreichend berücksichtigt worden, dass nach den gesetzlichen Vorgaben die Betriebsratsarbeit während der betriebsüblichen Arbeitszeiten zu bewerkstelligen sei. Erschwerend komme hinzu, dass alle Betriebsratsmitglieder pflegerische Tätigkeiten ausüben und mithin keine Möglichkeiten zur Durchführung von “Home-Office” bestünden.

Die Arbeitgeberin sei technisch gar nicht in der Lage, einen externen Zugang zu den E-Mail-Accounts des Betriebsrates zu gewähren, da die Arbeitgeberin ein beherrschtes Konzernunternehmen in einem Konzernverbund sei und die Muttergesellschaft die Administration des durch die Arbeitgeberin genutzten IT-Systems einschließlich der E-Mail-Accounts innehabe.

Das Ausstattungsniveau des Betriebes sei eine freie unternehmerische Entscheidung, die nicht der gerichtlichen Kontrolle unterliege. Die Arbeitgeberin habe sich entschieden, keine umfassende Digitalisierung durchzuführen, sondern sich auf die Kernaufgabe, die Pflege und Betreuung pflegebedürftiger Menschen, zu konzentrieren. Diese unternehmerische Entscheidung zum technischen Ausstattungsniveau sei auch vom Betriebsrat zu berücksichtigen und unterliege nicht der Mitbestimmung des Betriebsrats.

Eine Vorgabe des Digitalisierungsniveaus durch den Betriebsrat käme einem Eingriff in den durch Artikel 14 GG (Grundgesetz) geschützten eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gleich.

Das Landesarbeitsgericht entschied, die Beschwerde der Arbeitgeberin ist nicht begründet. Die Arbeitgeberin ist verpflichtet, den ordentlichen Mitgliedern des Betriebsrats jeweils eine betriebsexterne Zugriffsmöglichkeit auf die vorhandenen individuellen E-Mail-Konten der Betriebsratsmitglieder sowie auf das vorhandene Betriebsrats-E-Mail-Konto zu eröffnen.

Gemäß § 40 Absatz 2 BetrVG hat die Arbeitgeberin dem Betriebsrat für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung in erforderlichem Umfang Räume, sachliche Mittel, Büropersonal sowie Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen. Hierzu zählt grundsätzlich auch die Einrichtung und Konfiguration von E-Mail-Konten. Nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betrifft dies nicht nur die interne Kommunikation, sondern vielmehr auch externe Kommunikationsmöglichkeiten.

Der Betriebsrat kann Informations- und Kommunikationstechnik für jedes seiner Mitglieder allerdings nur in dem Umfang verlangen, wie dies zur ordnungsgemäßen Wahrnehmung der ihm nach dem Gesetz obliegenden Aufgaben erforderlich ist.

Dem Betriebsrat obliegt die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und von der Arbeitgeberin zur Verfügung zu stellen ist. Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung der gesetzlich vorgegebenen Betriebsratstätigkeit einerseits und berechtigte Interessen der Arbeitgeberin auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen.

Das Begehren des Betriebsrates nach Einrichtung betriebsexterner Zugriffsmöglichkeiten auf eben diese E-Mail-Konten ist dem Grunde nach ermessensfehlerfrei. Dies gilt erst recht, wenn ein Teil oder gar alle Mitglieder des Betriebsrates in einem Schichtsystem tätig sind, da in diesen Fällen betriebsexterne Zugriffsmöglichkeiten auf Nachrichten, Hinweise und Dokumente die Betriebsratsarbeit erheblich erleichtern und beschleunigen können.

Allein schon die dem Betriebsratsmitglied einzuräumende hinreichende Vorbereitung auf eine anstehende ordentliche bzw. außerordentliche Betriebsratssitzung in einem Schichtbetrieb macht deutlich, dass der Betriebsrat die Gestellung betriebsexterner Zugriffsmöglichkeiten auf vorhandene E-Mail-Konten des Betriebsrates im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens grundsätzlich als erforderlich erachten darf.

Die Umsetzung der Durchführung einer Betriebsratssitzung mittels einer Video- und Telefonkonferenz auf der Grundlage entsprechender Regelungen in der Geschäftsordnung des Betriebsrates setzt für das nicht anwesende Betriebsratsmitglied u. a. auch die Teilnahmebestätigung per Textform gegenüber dem Vorsitzenden sowie die Übersendung der notwendigen Unterlagen und Informationen durch den Vorsitzenden an das betroffene Betriebsratsmitglied zum Zweck der Vorbereitung auf die Sitzung im Zuge der Einladung zur Sitzung voraus.

Befindet sich das Betriebsratsmitglied nicht am Arbeitsplatz (z. B. Freischicht, pandemiebedingte Quarantäne etc.), stellt der betriebsexterne Zugang zu den vorhandenen E-Mail-Konten eine angemessene und mithin im Sinne des § 40 Absatz 2 BetrVG erforderliche Kommunikationsmöglichkeit dar.

Zwar ist es zutreffend, dass die Betriebsratsarbeit gemäß § 37 Absatz 2 BetrVG grundsätzlich während der Arbeitszeit auszuführen ist. Dies schließt jedoch eine gegebenenfalls erforderliche Betriebsratstätigkeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit nicht aus. Dieser Umstand ergibt sich bereits unmittelbar aus § 37 Absatz 3 BetrVG und bedarf daher keiner weiteren Erörterung.

Ob die Arbeitgeberin vorliegend eine ausreichende technische Ausstattung in den Betriebsräumlichkeiten zur Aufgabenerfüllung für den Betriebsrat zur Verfügung stellt, ist nicht Gegenstand des Antrages und mithin jedenfalls nicht unmittelbar rechtsrelevant. Vorliegend geht es vielmehr darum, ob der Betriebsrat im Rahmen des bestehenden Ermessens die externe Zugriffsmöglichkeit auf vorhandene Betriebsrat-E-Mail-Konten für erforderlich halten darf.

  • 37 Absatz 3 BetrVG lässt offensichtlich eine gegebenenfalls erforderliche Betriebsratstätigkeit auch außerhalb der individuellen Arbeitszeit zu. Vorliegend können tatsächliche Konstellationen auftreten, die dazu führen, dass ein oder gar mehrere Betriebsratsmitglieder sich trotz bestehender Notwendigkeit zur Durchführung von Betriebsratsarbeit nicht in den Betriebsräumlichkeiten der Arbeitgeberin befinden (z. B. Freischichten; pandemiebedingte Quarantäne etc.).

Es mag sein, dass die Betriebsorganisation bei der Arbeitgeberin es grundsätzlich nicht notwendig macht, E-Mail-Konten einzurichten und eine betriebsexterne Zugangsmöglichkeit zu schaffen. Dieser Umstand lässt jedoch keine Schlussfolgerung dahingehend zu, dass ein Ansinnen des Betriebsrates auf betriebsexterne Zugriffsmöglichkeiten auf vorhandene Betriebsrats-E-Mail-Konten als nicht erforderlich anzusehen ist.

Die Frage der Erforderlichkeit nach § 40 Absatz 2 BetrVG knüpft nicht an die betrieblichen Notwendigkeiten an, sondern hat sich vielmehr danach zu richten, ob die Durchführung der konkreten Betriebsratsarbeit bestimmte technische Ausstattungsnotwendigkeiten mit sich bringen und der Betriebsrat die entsprechende Ausstattung im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens für erforderlich halten darf.

Die Einrichtung einer technischen Möglichkeit für den externen E-Mail-Abruf muss nicht notwendigerweise mit zusätzlicher Hardware verbunden sein. Unverhältnismäßige Kosten zu Lasten der Arbeitgeberin sind nicht ersichtlich.

Wenn ein Betriebsrat zur Durchführung notwendiger Betriebsratsarbeit eine technische Ausstattung verlangt, die er im Rahmen des ihm zustehenden Ermessens für erforderlich halten darf, so hat die Arbeitgeberin gemäß § 40 Absatz 2 BetrVG die entsprechenden Kosten zu tragen. Einen unzulässigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb nach Artikel 14 GG vermag das erkennende Gericht bereits im Ansatz nicht zu erkennen.

Im Hinblick auf eine etwaige technische Unmöglichkeit überzeugt die Argumentation der Arbeitgeberin bereits deshalb nicht, weil zwischen den Beteiligten unstreitig ist, dass der Betriebsrat in der Vergangenheit bereits über entsprechende externe Zugriffsmöglichkeiten auf die vorhandenen Betriebsrats-E-Mail-Konten verfügt hat. Es sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die der Wiederherstellung dieses früheren Zustandes entgegenstehen könnten. Im Hinblick auf denkbare Sicherheitsrisiken ist bereits erstinstanzlich auf die Nutzungsmöglichkeit sogenannter „VPN-Tunnel“ hingewiesen worden.

Entscheidungen des Konzerns im Hinblick auf die technische Ausstattung sind rechtlich weder bindend noch maßgeblich. Ansprechpartnerin für den Betriebsrat ist die Arbeitgeberin. Die Frage der Gestellung der notwendigen Ausstattung zur Durchführung der erforderlichen Betriebsratsarbeit im Sinne des § 40 Absatz 2 BetrVG richtet sich unmittelbar gegen die Arbeitgeberin. Mithin ist die Arbeitgeberin auch verpflichtet, die notwendige technische Ausstattung im erforderlichen Umfang zur Verfügung zu stellen.

Eine Rechtsbeschwerde zu dieser Entscheidung wurde nicht zugelassen.