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Lohnausfall für ein Betriebsratsmitglied

Zahlung des Lohnausfalls für ein Betriebsratsmitglied

Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 22.02.2012, 17 Sa 2212/12

Ein Betriebsratsmitglied war als Kraftfahrer tätig. Die normale durchschnittliche Arbeitszeit des Kraftfahrers enthielt stetig Überstunden. Für seine Tätigkeit als Betriebsratsmitglied wurde der Kraftfahrer zur Hälfte der Arbeitszeit freigestellt. Die Tätigkeit als Betriebsrat verminderte deutlich die Möglichkeit, Überstunden zu leisten. Im Halbjahr vor der umstrittenen Vergütung konnte der Kraftfahrer wegen seiner Betriebsratstätigkeit lediglich in 5 Wochen Überstunden leisten. Daraus resultierte die Streitfrage, auf welcher Basis die Tätigkeit als Betriebsratsmitglied vergütet wird.

Das Arbeitsverhältnis unterlag den tariflichen Bestimmungen des Tarifvertrages für Kraftfahrer (TV Kraftfahrer) sowie dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TvöD-Bund). Der Arbeitgeber zahlte in den strittigen Monaten Januar bis März 2011 keine Pauschalvergütung nach TV-Kraftfahrer, sondern Überstundenzuschläge.

Der Kraftfahrer machte die Vergütungsdifferenz zwischen der Pauschalvergütung nach dem TV-Kraftfahrer und der gezahlten Vergütung (ohne Überstundenzuschläge) geltend. Wäre der Kraftfahrer nicht als Betriebsratsmitglied aktiv, hätte er in mehr als 5 Wochen Überstunden geleistet. Der TV-Kraftfahrer setzt für diesen speziellen Fall voraus, dass im vorherigen Halbjahr in mehr als 6 Wochen Überstunden geleistet wurden.

Der Arbeitgeber argumentiert, nicht geleistete Überstunden könnten nicht berücksichtigt werden. Deshalb wurde keine Pauschalvergütung gemäß TV-Kraftfahrer angesetzt. Es könnten keine Überstunden berücksichtigt werden, die nicht geleistet wurden, weil das zu einer ungerechtfertigten Bevorteilung eines Betriebsratsmitgliedes führen würde.

Das LAG Berlin-Brandenburg urteilte:

Dem Kraftfahrer steht auch für die Monate Januar bis März 2011 eine Pauschalvergütung nach Maßgabe des TV-Kraftfahrer zu; er muss sich jedoch die für diesen Zeitraum gezahlten Überstundenzuschläge auf seinen Vergütungsanspruch anrechnen lassen.

Der TV-Kraftfahrer setzt gemäß § 8 Abs. 2 voraus, dass ein Arbeitsverhältnis mindestens seit dem 30.09.2005 bestanden haben muss. Darauf basierend kann eine Pauschalvergütung angesetzt werden, wenn im vorhergehenden Halbjahr mehr als 6 Wochen Überstunden geleistet wurden.

Dem Kraftfahrer steht eine Pauschalvergütung gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG für die Monate Januar und März 2011 zu. Mitglieder des Betriebsrats sind nach BetrVG für eine erforderliche Betriebsratstätigkeit von ihrer beruflichen Tätigkeit ohne Minderung des Arbeitsentgelts zu befreien. Das Betriebsratsmitglied hat die Vergütung zu beanspruchen, die es ohne die Betriebsratstätigkeit erhalten hätte. Diese Regelung gilt nach § 38 BetrVG ebenso für Betriebsratsmitglieder, die teilweise von der Arbeit freigestellt sind, wie in diesem Fall der Kraftfahrer. Damit soll gewährleistet werden, dass Betriebsratsmitglieder keine Benachteiligung bezüglich ihrer Vergütungsansprüche erleiden.

Die erforderliche Zahl an Überstunden konnte eindeutig nicht erzielt werden, weil der Kraftfahrer als Betriebsratsmitglied mit Teilfreistellung tätig war. Dass der TV-Kraftfahrer nicht anwendbar ist, beruht ausschließlich auf der Tätigkeit als Betriebsratsmitglied. Dem Kraftfahrer steht jedoch die Vergütung zu die er erzielt hätte, wenn er nicht im Betriebsrat tätig gewesen wäre. Um eine Benachteiligung als Betriebsratsmitglied zu vermeiden, ist deshalb die Pauschalvergütung des TV-Kraftfahrer anzuwenden.

Die vom Arbeitgeber angewandte Vergütungsregelung führte zu einer Benachteiligung eines Betriebsratsmitglieds im Sinne des § 78 BetrVG, weil die Ausübung des Betriebsratsamtes zu einer Verringerung des Entgelts führen würde.

Die Klage ist dennoch unbegründet, weil mit der Pauschalvergütung u. a. die Zeitzuschläge für Überstunden abgegolten (§ 4 Abs. 1 TV-Kraftfahrer) sind. Die von der Beklagten gezahlten Überstundenzuschläge für den genannten Zeitraum sind deshalb Bestandteil der Pauschalvergütung.