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Betriebsbedingte Kündigung bedarf Sozialauswahl

Betriebsbedingte Kündigung ohne Sozialauswahl unwirksam

Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.01.2014, Aktenzeichen 1 Sa 230/13

Bevor ein Außendienstmitarbeiter betriebsbedingt gekündigt wird, ist die soziale Rechtfertigung der Kündigung zu prüfen. Vertriebsmitarbeiter mit gleichen Aufgaben in anderen Vertriebsbezirken sind für die Sozialauswahl betrachtbar, wenn der Arbeitsvertrag keine Einschränkung auf ein Vertriebsgebiet enthält.

Ein Vertriebsmitarbeiter wurde nach 5 ½ Jahren betriebsbedingt gekündigt. Sein Vertriebsbezirk sei unrentabel. Die Arbeitgeberin verzichte auf diesen Vertriebsbezirk. Gleichzeitig hatte die Arbeitgeberin eine Vertriebsstelle für Süddeutschland und Österreich ausgeschrieben.

Der Vertriebsmitarbeiter reichte Klage beim zuständigen Arbeitsgericht Elshorn (Aktenzeichen 3 Ca 2171 d/12, Urteil vom 06.06.2013) ein. Der Vertriebsmitarbeiter argumentierte, er hätte auf eine andere Vertriebsstelle versetzt werden können. Diese Vertriebsstelle in einem anderen Vertriebsbezirk wurde rund 3 Monate nach seinem Kündigungstermin frei, da der Stelleninhaber zu diesem Zeitpunkt das Rentenalter erreichte.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt und begründete das Urteil mit der fehlenden Sozialauswahl. Der Vertriebsmitarbeiter sei mit seinen Kollegen vergleichbar, er könne auf deren Arbeitsplätze versetzt werden.

Die Arbeitgeberin legte gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Berufung ein. Sie argumentierte, die Tätigkeit des Vertriebsmitarbeiters habe sich im Laufe der Beschäftigung auf seinen Vertriebsbezirk eingegrenzt. Er sei ausschließlich in diesem Vertriebsgebiet tätig gewesen. Er sei gerade wegen seines Wohnsitzes im Vertriebsbezirk für den Außendienst eingestellt worden. Im Handelsvertretervertrag, der vor der Übernahme in ein festes Arbeitsverhältnis abgeschlossen wurde, sei das konkrete Einsatzgebiet benannt worden. Eine nochmalige Nennung im Arbeitsvertrag sei nicht notwendig.

Der Vertriebsmitarbeiter wies darauf hin, dass er als Angestellter einen größeren Vertriebsbezirk betreute und auch neue Mitarbeiter in andere Vertriebsgebiete eingearbeitet habe.

Das Landesarbeitsgericht entschied, die Kündigung sei nach § 1 Abs. 2 S.1 KSchG unwirksam, da nicht sozial gerechtfertigt. Eine betriebsbedingte Kündigung setze voraus, dass der Beschäftigungsbedarf für einen oder mehrere Arbeitnehmer für den gekündigten Arbeitnehmer auf Dauer entfalle und der Arbeitnehmer nicht auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiter beschäftigt werden kann. Der Arbeitgeberin sei es jedoch zumutbar gewesen, den Vertriebsmitarbeiter auf einem anderen freien Arbeitsplatz weiter zu beschäftigen. Bevor eine Beendigungskündigung von der Arbeitgeberin ausgesprochen würde, sei dem Arbeitnehmer ein freier Arbeitsplatz zuzuweisen. Falls notwendig unter Ausspruch einer Änderungskündigung.  

Der freie Arbeitsplatz sei vorhanden gewesen. Das gehe aus einer Stellenanzeige hervor, die bereits zum Zeitpunkt der Kündigung für den Bereich Süddeutschland Österreich ausgeschrieben war. Der Arbeitgeberin sei es zumutbar gewesen, den Vertriebsmitarbeiter auf diese Stelle zu verweisen. Das gelte auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Stelle erst drei Monate nach dem Kündigungstermin frei wurde.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes seien Arbeitsplätze für die Weiterbeschäftigung einzubeziehen, die zu einem zumutbaren Zeitpunkt nach der Kündigung frei werden. Zumutbar sei ein Zeitraum, den ein anderer Bewerber für die Einarbeitung auf diese Stelle benötigen würde. Nach Angaben der Arbeitgeberin gäbe es eine Einarbeitungszeit von 3 bis 6 Monaten für Vertriebsmitarbeiter.

Es sei der Arbeitgeberin zumutbar gewesen, den Zeitraum von 3 Monaten zu überbrücken. Die fachliche Eignung des Vertriebsmitarbeiters sei unbestritten gewesen.

Zusätzlich sei die Arbeitgeberin verpflichtet eine Sozialauswahl zu treffen. Die anderen 7 Außendienstmitarbeiter im Geschäftsbereich, mit vergleichbaren Arbeitsaufgaben, müssten im Rahmen der betriebsbedingten Kündigung für die Sozialauswahl berücksichtigt werden.

Die Berufung der Arbeitgeberin gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes wurde zurückgewiesen.
Eine Revision gegen dieses Urteil wurde nicht zugelassen.