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Kündigung ohne Abmahnung sozialwidrig

Sozialwidrige Kündigung eines leitenden Angestellten

Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 04.12.2014, Aktenzeichen 6 Sa 582/14

Die betriebsbedingte Kündigung eines leitenden Angestellten bedarf keiner Zustimmung des Betriebsrats. Die Kündigung ist jedoch sozial nicht gerechtfertigt, falls vorher keine Abmahnung erfolgt.

Ein Leiter Entwicklung und Konstruktion (Leiter E und K) arbeitete in einem Maschinenbauunternehmen. Die Geschäftsführung kündigte ihm wegen unzureichender, nicht vertragskonformer Arbeitsleistung. Die Kündigung wurde nach Anhörung des Betriebsrats wiederholt.

Der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht wurde stattgegeben. Nach Ansicht des Arbeitsgerichts sei der Leiter E und K kein leitender Angestellter im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz). Die Kündigung sei zudem sozial ungerechtfertigt, da keine vorherige Abmahnung beweisbar sei. Der Vorwurf eines fehlenden Innovationsmanagements sei keine konkrete Pflichtverletzung. Die Arbeitgeberin wurde verpflichtet, den leitenden Angestellten bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses weiter zu beschäftigen. Als Basis für die Berechnung der Vergütung wurde jedoch nur der monatliche variable Teil zugelassen, nicht die Jahresvergütung einschließlich aller Sonderzahlungen.

Die Arbeitgeberin legte vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Berufung gegen das Urteil ein. Sie vertiefte ihre Ansicht, dass eine Anhörung des Betriebsrats nicht notwendig gewesen sei, da es sich um einen leitenden Angestellten im Sinne von §§ 5 Abs. 3 BetrVG handele. Er sei zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern berechtigt gewesen. Die Kündigungen seien materiell berechtigt, da sich der leitende Angestellte monatelang den Weisungen des Geschäftsführers zur Einführung eines professionellen Innovationsmanagements widersetzt hätte. Daran hätten auch eine mündliche Abmahnung sowie ein späterer Seminarbesuch nichts geändert.

Die Arbeitgeberin beantragte, die Klage kostenpflichtig abzuweisen, hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern.

Der Leiter Entwicklung und Konstruktion argumentierte hingegen er sei kein leitender Angestellter im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG sowie § 14 Abs. 2 KschG (Kündigungsschutzgesetz). Das Arbeitsverhältnis sei nicht zerrüttet. Im Rahmen eines Vergleichs sei er jedoch bereit, das Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung von drei Jahresgehältern einschließlich Sonderzahlungen zum Jahresende zu beenden.

Das LAG bescheinigte der Berufung teilweisen Erfolg. Die ausgesprochenen Kündigungen seien sozial ungerechtfertigt nach § 1 KschG. Die Verurteilung der Arbeitgeberin zur Zahlung einer angemessenen Abfindung entspreche den gesetzlichen Regelungen in § 9 Absatz 1 und § 10 Absatz 1 KschG. Auch die Verurteilung zur Zahlung von Sondervergütungen sei gerechtfertigt.

Das Arbeitsverhältnis sei jedoch zerrüttet und deshalb fristgerecht aufzulösen. Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit nach § 9 Absatz 1 KschG sei nicht zu erwarten.

Die Anhörung des Betriebsrats zur Kündigung sei nicht erforderlich gewesen, da es sich um einen leitenden Angestellten im Sinne von § 5 Abs. 3 BetrVG handele. Als Leiter Entwicklung und Konstruktion nahm er unternehmerische Teilaufgaben wahr, die für den Bestand und die Entwicklung des Unternehmens bedeutsam seien. Er nahm einen beachtlichen der Teilbereich der unternehmerischen Gesamtaufgabe wahr und war dem Geschäftsführer direkt unterstellt. Damit gehörte er wie die Prokuristen zur Leitungsebene der leitenden Angestellten unterhalb der Geschäftsführung. Die fehlende Handlungsvollmacht oder Prokura stehe der Einschätzung eines leitenden Angestellten im betriebsverfassungsrechtlichen Sinne nicht entgegen.

Die Kündigungen seien sozial unwirksam, da sie nicht im Verhalten des Leiters Entwicklung und Konstruktion oder in dringenden betrieblichen Erfordernissen, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, begründet seien.

Es müsse nicht darauf eingegangen werden, ob die Arbeitgeberin die Pflichtverletzungen im Bezug auf das Innovationsmanagement ausreichend dargelegt habe. Die Kündigungen seien allein deshalb unverhältnismäßig, weil es an einer vorherigen Abmahnung fehlte. Einer Abmahnung als milderndes Mittel zur Kündigung bedürfe es nur dann nicht, wenn eine Verhaltensänderung nach der Abmahnung nicht zu erwarten sei oder die Pflichtverletzung so schwerwiegend sei, dass ihre Hinnahme nach objektiven Maßstäben, die auch für den Arbeitnehmer erkennbar sein müssten, unzumutbar wäre.

Die Arbeitgeberin hätte die Existenz einer Abmahnung beweisen müssen. Es könne nicht sicher festgestellt werden, ob in dem „Abmahnungsgespräch“ hinreichend konkret und für den Leiter E und K ausreichend nachvollziehbar die Abmahnung formuliert wurde. Es könne nicht sicher festgestellt werden, ob mit der nötigen Klarheit auf die Bestandsgefährdung für das Arbeitsverhältnis bei zukünftigem weisungswidrigen Verhalten hingewiesen wurde. Der Geschäftsführer erinnere sich zwar an eine sinngemäße Warnung in dieser Deutlichkeit ohne sagen zu können ob eine Kündigung oder eine drohende Beendigung des Arbeitsverhältnisses erwähnt wurde.

Die Arbeitgeberin habe sich widersprüchlich verhalten, da sie in ihrem Schreiben an den Betriebsrat eine Kündigung aus dringenden betrieblichen Erfordernissen beschrieb, diese aber gerichtlich nicht geltend machte.

Eine den Betriebszwecken dienliche weitere Zusammenarbeit sei nach Ansicht des LAG nicht zu erwarten. Das Arbeitsverhältnis sei unheilbar zerrüttet. Das folge schon aus der gegenseitigen Provokation bei der Formulierung möglicher Beendigungsbedingungen. Die vom Leiter E und K geforderte Abfindungshöhe in Höhe von drei Jahresgehältern einschließlich Sondervergütungen stehe in keinem Verhältnis zur Dauer seines Arbeitsverhältnisses von 5,5 Jahren. Er wolle damit nur die Geschäftsführung weiter reizen und die unausweichliche Trennung so teuer wie möglich gestalten. Die Arbeitgeberin habe hingegen nur eine Abfindung in Höhe von zwei Monatsgehältern ohne Sonderzahlungen gewähren wollen.

Da ein Auflösungsgrund vorliege, müsse nicht geprüft werden, ob der Leiter E und K die besonderen Voraussetzungen als leitender Angestellter zur selbständigen Einstellung und Entlassung von Arbeitnehmern im Sinne von § 14 Abs. 2 KschG erfülle.

Die Arbeitgeberin habe mangels fehlender Abmahnung keinen hinreichenden Kündigungsgrund dargelegt. Daher waren die Kündigungen in hohem Maß sozialwidrig und begründen eine relativ hohe Abfindung. Im Rahmen des § 10 Abs. 1 KschG wurde eine Abfindung in Höhe von 12 Monatsvergütungen festgesetzt.

Eine Revision zu diesem Urteil wurde nicht zugelassen.