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Regelmässige Sonderzahlungen werden zum verbindlichen Angebot

Regelmäßige Sonderzahlungen gelten als Zahlungsverpflichtung

Bundesarbeitsgericht, Aktenzeichen 10 AZR 266/14, Urteil vom 13.05.2015

Wurden über einen Zeitraum von drei Jahren regelmäßig ohne Vorbehalt Sonderzahlungen an Arbeitnehmer erbracht, so ergibt sich daraus ein verbindliches Angebot, das die Arbeitgeberin zur weiteren Zahlung verpflichtet. Frühere Rechtsprechungen des Bundesarbeitsgerichts, die der Arbeitgeberin Zahlung nach Gutdünken zubilligten, werden damit aufgegeben.

Ein Bauleiter bekam jährlich Weihnachtsgeld in der Höhe eines Monatsgehalts. Im Januar erhielt er über den Verlauf von drei Jahren jeweils eine Sonderzahlung, die jeweils mehr als das Doppelte eines Monatsgehalts betrug.

Für das Jahr, in dem der Bauleiter sein Arbeitsverhältnis im November beendete, zahlte die Arbeitgeberin keine Sonderzahlung. Der Bauleiter klagte vor dem Arbeitsgericht. Er argumentierte, durch die vorbehaltlose Zahlung der Sondervergütungen habe die Arbeitgeberin eine Zahlungsverpflichtung begründet. Es sei unerheblich, dass die erste der drei Sonderzahlungen geringer ausgefallen sei. Ebenso habe für die Zahlung der Sondervergütung keine Relevanz, dass kein volles Arbeitsjahr erbracht wurde.

Der Bauleiter beantragte, die Arbeitgeberin zu verurteilen, ihm eine Sondervergütung in Höhe des Betrages des Vorjahres zu zahlen. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Klage ab. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte der Bauleiter sein Zahlungsbegehren weiter.

Das BAG hob das Urteil des LAG teilweise auf und verwies das Verfahren zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurück an das LAG.

Das LAG habe zu unrecht angenommen, durch das unterjährige Ausscheiden des Bauleiters habe kein Anspruch auf die Sondervergütung bestanden.

Sind die Sondervergütungen als Gegenleistung zur Arbeitsleitung anzusehen, bestehe der Anspruch unabhängig von der Betriebszugehörigkeit. Gegenleistungen zur Arbeitsleistung entstehen etwa, wenn die Zahlungen einen wesentlichen Teil der Gesamtvergütung darstellen, keine Anspruchsvoraussetzungen genannt werden oder an konkrete quantitative und qualitative Ziele geknüpft sind. Hängen die Leistungen vom Betriebsergebnis ab, sei ebenfalls von einer Gegenleistung zur Arbeitsleistung auszugehen.

Würden andere Zwecke wie etwa Betriebstreue mit der Sondervergütung verfolgt, so müssten diese konkret benannt werden.

Sonderzahlungen in Abhängigkeit von der Arbeitsleistung könnten nicht vom Bestand des Arbeitsverhältnisses bis zum letzten Tag des Kalenderjahres abhängig gemacht werden.     

Die Auslegung der Vorträge beider Parteien ergebe, der Bauleiter habe Anspruch auf eine Sonderzahlung für das Kalenderjahr, in dem er ausschied. Der Anspruch basiere auf einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung, die in Form einer stillschweigenden Willensvereinbarung mit dem Arbeitnehmer zum Ausdruck gebracht wurde. Die Anspruchshöhe könne von der Arbeitgeberin nach billigem Ermessen bestimmt werden.

Die Arbeitgeberin habe im Verfahren vor dem LAG erklärt, die Höhe der Sonderzahlung sei vom Betriebsergebnis abhängig. Weitere Voraussetzungen wurden nicht genannt. Es gab keine Anhaltspunkte die eine Beschäftigung bis zum Jahresende als Voraussetzung für die Sonderzahlung aufzeigten.

Weiterhin sei nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberin nur in dem jeweiligen Auszahlungsjahr eine Sonderzahlung leisten und keine weitere Bindung eingehen wollte. Für Sonderzahlungen, die vom Betriebsergebnis abhängig sind, sei es typisch, dass die Höhe der Auszahlungen schwanke.  

Das BAG erklärte, nicht länger an der Auffassung im BAG-Urteil vom 28. Februar 1996 (10 AZR 516/95) festzuhalten, die besagte, bei der Leistung einer Zuwendung in jährlich individuell unterschiedlicher Höhe fehle es bereits an einer regelmäßigen gleichförmigen Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen und es komme darin lediglich der Wille der Arbeitgeberin zum Ausdruck, in jedem Jahr neu nach Gutdünken über die Zuwendung zu entscheiden.

Die Auffassung des Bauleiters, die Sonderzahlung habe in der Höhe der letzten Sonderzahlung zu erfolgen, sei jedoch nicht akzeptabel. Die Sonderzahlung habe nur in den letzten zwei, der betrachteten drei Jahre diesen höheren Wert betragen. Der Bauleiter habe das Verhalten der Arbeitgeberin so verstehen müssen, dass Jahr für Jahr neu über die Höhe der Zahlung entschieden wird.

Aus den Darlegungen des Bauleiters ergebe sich, er habe das Angebot der Arbeitgeberin auf Leistung einer von ihr festzusetzenden jährlichen Sonderzahlung durch Entgegennahme der Zahlungen durch schlüssiges Verhalten (§ 151 BGB – Bürgerliches Gesetzbuch) angenommen.

Der Einwand der Arbeitgeberin, es handele sich um freiwillige, jederzeit widerrufliche Leistung stehe dieser rechtlichen Bewertung nicht entgegen. Freiwillig bedeute lediglich, es bestehe nicht bereits durch Gesetz, Tarifvertrag oder Betriebsvereinbarung eine Zahlungsverpflichtung. Der Einwand genüge für sich jedoch nicht, einen Rechtsanspruch auf die Leistung auszuschließen.

Die Arbeitgeberin habe nicht vorgetragen, die Zahlung sei jederzeit widerruflich gewesen und nicht dargelegt, dass sie die Zahlung für das fragliche Jahr widerrufen habe. Eine Leistung könne auch nicht gleichzeitig freiwillig und widerruflich sein.

Dem Anspruch stehe nicht entgegen, dass das Arbeitsverhältnis bereits am 19.November des Jahres geendet habe, da die Sonderzahlung als zusätzliche Vergütung erfolgte. Als Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistung konnte die Sondervergütung nicht abhängig vom Bestand des Arbeitsverhältnisses zum Jahresende gemacht werden.

Dafür spreche auch die Höhe der Sondervergütung, die 15% des Gesamtjahreseinkommens des Bauleiters betrug.

Das BAG konnte nicht abschließend entscheiden, da die vom LAG getroffenen Feststellungen nicht ausreichten, um über die Höhe der Sonderzahlung entscheiden zu können. Es fehlten Angaben wie die Zahlung in Abhängigkeit vom Betriebsergebnis ermittelt wurde. Die Arbeitgeberin habe vor dem LAG darzulegen, wie sie nach billigem Ermessen im Sinne von § 315 BGB die Sonderzahlung ermittele.