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Elternzeit nur schriftlich beantragen

Antrag auf Elternzeit bedarf der Schriftform

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 10.05.2016, Aktenzeichen 9 AZR 149/15

Der Antrag auf Elternzeit bedarf der strengen Schriftform als empfangsbedürftige Willenserklärung. Elektronische Übermittlung benötigt eine elektronische Signatur.

Ein Angestellter teilte seiner Arbeitgeberin per E-Mail mit, dass er für den Zeitraum von 2 Monaten für März und April Elternzeit beantrage. Die Personalreferentin forderte ihn auf, einen formvollen Antrag zu stellen, auf Papier und mit Unterschrift. Drei Tage später sandte der Angestellte per E-Mail das Formular zum Antrag auf Elterngeld sowie seine eingescannte E-Mail, die aber nicht mehr den durchgehenden zweimonatigen Zeitraum für die Elternzeit enthielt. Im Antrag auf Elterngeld benannte er die Monate März und Mai. Die Arbeitgeberin bestätigte den Eingang des Antrags auf Elternzeit und bat zu einem Gespräch.

Nach dem Gespräch mit dem damaligen Geschäftsführer teilte der Angestellte mit, dass es bei den Monaten März und Mai für die Inanspruchnahme der Elternzeit bleiben würde. Die Personalreferentin antwortete in ihrer E-Mail, dass bisher nur für den zusammenhängenden Zeitraum März und April ein form- und fristgerechter Antrag gestellt worden sei. Die Personalreferentin bat den Angestellten, erneut einen Antrag zu stellen, falls sich dieser Zeitraum geändert habe.

4 Tage später bestätigte die Personalreferentin den Eingang des Antrags auf Elternzeit für März und April. Sie werde diesem Antrag entsprechen. Mit der gleichen E-Mail wurde der Angestellte aufgefordert, den Antrag auf Elterngeld entsprechend zu ändern. Am gleichen Tag antwortete der Angestellte, er werde in den Monaten März und April keine Elternzeit beanspruchen, da er nicht die Bewilligung für die im Antrag auf Elterngeld genannten Zeiträume März und Mai erhalten habe.

Mitte Februar wurde dem Angestellten mitgeteilt, dass seine Rücktrittserklärung vom Antrag auf Elternzeit für den Zeitraum März bis April abgelehnt werde. Man freue sich auf seine Rückkehr nach diesem Zeitraum.

Der Angestellte bot erfolglos Ende Februar seine Arbeitsleistung an. Die Arbeitgeberin beschäftigte ihn nicht in den Monaten März und April und zahlte auch keine Vergütung. Der Angestellte erhielt für diesen Zeitraum Elterngeld mit der Maßgabe der Rückzahlung, falls ein wirksames Verlangen für Elternzeit nicht vorliege.

Ende April reichte der Angestellte Klage beim Arbeitsgericht ein. Er vertrat die Auffassung, keinen wirksamen Antrag auf Elternzeit gestellt zu haben. Die Arbeitgeberin habe an seinem ersten unwirksamen Antrag für März und April nur festhalten wollen, nachdem für diesen Zeitraum ein Projekt weggefallen sei. Die Arbeitgeberin sei jedenfalls verpflichtet gewesen, seinem vorzeitigen Antrag auf Beendigung der Elternzeit zuzustimmen. Der Angestellte forderte in seiner Klage, die Arbeitgeberin habe ihm das Arbeitsentgelt für die Monate März und April zu zahlen.

Die Arbeitgeberin argumentierte, für die Inanspruchnahme von Elternzeit sei die Schriftform nach § 126 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) nicht erforderlich. Der Angestellte habe wirksam die Elternzeit für März und April beantragt. Es sei rechtsmissbräuchlich, wenn sich der Angestellte nun auf die fehlende Schriftform berufe. Ein Rücktritt von der beantragten Elternzeit sei ohne Zustimmung der Arbeitgeberin nicht möglich. Diese Zustimmung sei nicht erteilt worden.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Berufung zurück. Die Arbeitgeberin verfolgte mit ihrer Revision vor dem Bundesarbeitsgericht weiterhin die Klageabweisung. Die Revision wurde nur auf die Rechtsfrage zugelassen, ob schriftlich im Sinne von § 16 Absatz 1 Satz 1 BEEG aF (Gesetz zum Elterngeld und zur Elternzeit alte Fassung) die Schriftform nach § 126 BGB voraussetze, oder die Textform nach § 126b BGB in der bis zum 12.06.2014 geltenden Fassung ausreiche.

Das BAG stellte fest, eine solche Beschränkung der Revisionszulassung sehe das Gesetz nicht vor. Die Revision sei dennoch statthaft, da die Unzulässigkeit der Berufungsbeschränkung nicht zur Wirkungslosigkeit der Revisionszulassung führe.

 Das BAG entschied, die Revision sei nicht begründet. Das LAG habe die Berufung zu Recht zurückgewiesen. Der Angestellte habe gegenüber seiner Arbeitgeberin Anspruch auf Zahlung des Bruttoarbeitsentgeltes, das sich aus dem Arbeitsvertrag für den streitigen Zeitraum ergebe.

Die Arbeitgeberin befand sich mit der Annahme der vom Angestellten ordnungsgemäß angebotenen Arbeitsleistung in Verzug. Die Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis pausierten nicht wegen einer Elternzeit des Angestellten.

Die Hauptpflichten eines Arbeitsverhältnis ruhten während der Elternzeit, falls diese wirksam in Anspruch genommen werde. Die elektronischen Erklärungen des Angestellten verkörperten nicht eine eigenhändig unterzeichnete Urkunde im Sinne von § 126 Absatz 1 BGB. Es sei dem Angestellten auch nicht verwehrt, sich auf diesen Formmangel zu berufen. Eine Erklärung in Textform nach der alten Fassung von § 126b BGB genüge nicht zur Wahrung der Form. Werde die Form nicht eingehalten, sei die Erklärung nach § 125 Satz 1 BGB nichtig.

Die Inanspruchnahme von Elternzeit sei eine rechtsgestaltende empfangsbedürftige Willenserklärung. Das Verlangen auf Elternzeit richte sich direkt darauf, das Arbeitsverhältnis ruhen zu lassen, um sich der Kinderbetreuung zu widmen. Es führe unmittelbar zum Ruhen der sich aus dem Arbeitsvertrag ergebenden gegenseitigen Pflichten. Dafür sei keine Zustimmung der Arbeitgeberin erforderlich.

Durch die Wahrung der Schriftform werde bei der Inanspruchnahme von Elterngeld Rechtssicherheit für die Vertragsparteien sowie Beweiserleichterung bewirkt. Es sei besser feststellbar ob und für welche Zeiträume Elternzeit verlangt wurde. Durch die Unterschrift werde der Aussteller der Urkunde erkennbar. Die Verbindung von Erklärungstext und Unterschrift gewährleiste, dass die Erklärung inhaltlich vom Unterzeichner stamme.

Die Wahrung der Schriftform entfalte für die Arbeitnehmer eine Warnfunktion. Das Arbeitsverhältnis kann durch die Elternzeit bis zu einem Zeitraum von 3 Jahren ruhen. Der dem Lebensunterhalt dienende Vergütungsanspruch entfällt.

Mit seinen per E-Mail eingereichten Erklärungen habe der Angestellte die Schriftform nach § 126 Absatz 1 BGB nicht gewahrt. Wird gesetzlich die Schriftform vorgeschrieben, muss die Urkunde durch eigenhändige Namensunterschrift oder notarielles Handzeichen unterzeichnet werden. Die schriftliche Form kann nach § 126 Absatz 3 BGB durch die elektronische Form ersetzt werden, falls sich aus dem Gesetz nicht anderes ergibt. Für die elektronische Form muss der Aussteller seinen Namen hinzufügen und mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem SigG (Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen) versehen.

Die erste E-Mail entsprach diesen Anforderungen nicht, weil es sich nicht um eine Urkunde mit eigenhändiger Unterschrift handelte. Eine elektronische Signatur war nicht vorhanden.

Die Anhänge der zweiten E-Mail in Form von PDF-Dateien entsprachen ebenfalls nicht der verlangten Form. Es könne zwar sein, dass der Angestellte zunächst eine Urkunde mit eigenhändiger Unterschrift erstellte. Die PDF-Datei stelle aber nur eine Ablichtung der Urkunde dar. Ebenso wie beim Telefax genüge diese Form der Ablichtung nicht dem Schriftformgebot.

Das LAG habe zu Recht angenommen, dass der Angestellte mit seiner Berufung auf einen Formmangel nicht rechtsmissbräuchlich handele. Der Angestellte habe zu keinem Zeitpunkt erklärt, er werde sich nicht auf den Formmangel berufen. Die Parteien seien zu keiner Übereinkunft über die Elternzeit gekommen. Der Angestellte hatte dem Bestätigungsschreiben der Personalreferentin unverzüglich widersprochen. Eine beidseitige Einigung hätte auch der Schriftform bedurft.

Mit der Ablehnung der Rücktrittserklärung des Angestellten und der Erklärung, dass er erst nach der Elternzeit weiter beschäftigt werde, genügte nach § 295 Absatz 1 BGB das wörtliche Angebot der Arbeitsleistung um die Arbeitgeberin in Verzug zu setzen. Die Arbeitgeberin beschäftigte den Angestellten tatsächlich nicht und zahlte für die Monate März und April keine Vergütung. Somit ist der Anspruch des Angestellten zur Zahlung der Vergütung für die Monate März und April gerechtfertigt.