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Änderung einer Stellenbeschreibung verhindert nicht den Beschäftigungsanspruch

Beschäftigungsanspruch nach Änderung einer Stellenbeschreibung

Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 12.12.2016, Aktenzeichen 3 Sa 262/16

Eine Arbeitgeberin kann nicht einseitig den Inhalt der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten durch die Änderung einer Stellenbeschreibung verändern.

Ein körperlich schwerbehinderter Lademeister ist seit 1977 bei den amerikanischen Streitkräften beschäftigt. In der Stellenbeschreibung eines Lademeisters vom Juli 1983 sind keine schweren körperlichen Arbeiten erwähnt. Im Jahr 2002 wurde die Stellenbeschreibung von der Arbeitgeberin so geändert, dass die Lademeister schwere körperliche Tätigkeiten verrichten müssen. Darunter das Tragen von Gegenständen bis 34 kg Gewicht. Die Lademeister hatten ursprünglich die Aufgabe, Möbeltransporte der US-Streitkräfte zu überwachen.

Nach einer Arbeitsunfähigkeit von Mitte September bis Ende Oktober 2015 bot der Lademeister am 2. November 2015 seine Arbeitsleistung an, indem er zum von der Arbeitgeberin festgelegten Schichtbeginn erschien. Die Arbeitgeberin nahm seine Leistung nicht an, da eine medizinische Untersuchung ergab, der Lademeister könne keine Gewichte über 20 kg tragen. Entsprechend der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2002 sei er damit nicht arbeitsfähig.

Der Lademeister beanspruchte vor dem Arbeitsgericht, für ihn gelte weiterhin die Stellenbeschreibung, wie sie zum Zeitpunkt der Stellenzuweisung 1986 bestand. Die Arbeitgeberin könne nicht einseitig die Stellenbeschreibung und damit die arbeitsvertraglichen Pflichten ändern, wenn diese nicht der bisherigen Tätigkeit und Eingruppierung entspreche. Die Arbeitgeberin befinde sich seit dem 2. November 2015 im Annahmeverzug.

Der Lademeister beantragte, die Arbeitgeberin zu verurteilen, ihn als Lademeister zu den Bedingungen des Anstellungsvertrages vom Februar 1987 in der entsprechenden Vergütungsgruppe zu beschäftigen und ihm seinen Lohn seit November 2015 abzüglich seiner in dieser Zeit erhaltenen Arbeitslosenbezüge zu zahlen.

Die Arbeitgeberin argumentierte, es gebe keine Teilarbeitsunfähigkeit. Entsprechend der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2002 sei der Lademeister verpflichtet, auch körperlich schwere Arbeit, wie das Tragen von Gegenständen über 20 kg zu verrichten. Nach den Feststellungen vom November 2015 könne er das nicht und sei somit nicht in der Lage seine Arbeitstätigkeit zu verrichten. Die Arbeitgeberin befinde sich deshalb nicht im Annahmeverzug.

Das Arbeitsgericht verurteilte die Arbeitgeberin, den Lademeister zu den Bedingungen des Anstellungsvertrages vom Februar 1987 zu beschäftigen, sowie zur Zahlung des Monatslohnes für die Monate November 2015 bis Februar 2016. Gegen das Urteil des Arbeitsgerichtes legte die Arbeitgeberin Berufung beim Landesarbeitsgericht ein.

Die Arbeitgeberin argumentierte, der Umfang der Arbeitsaufgaben ergebe sich aus der Stellenbeschreibung in der Fassung vom Juli 2002. Arbeitnehmer müssten in der Lage sein, für längere Zeit körperliche Anstrengung auf sich zu nehmen und Ausstattungen von erheblichem Gewicht bis zu 32 kg heben zu können. Die Stellenbeschreibung sei abschließend, der Lademeister müsse auch Lagerarbeiten wahrnehmen. Insbesondere seien die übrigen Mitarbeiter tatkräftig zu unterstützen und ebenfalls Möbel zu transportieren. Das habe der gängigen Praxis entsprochen und sei deshalb in die Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2002 aufgenommen worden.

Vor seiner Krankheit sei der Lademeister auf einer Stelle eingesetzt worden, die niedriger bewertet sei. Der Lademeister sei dafür überqualifiziert.

In der Abteilung des Lademeisters habe es Missmanagement gegeben. Mitarbeiter seien wiederholt außerhalb ihrer arbeitsvertraglichen Tätigkeit oder auf wenige Aufgaben ihres Aufgabenfeldes reduziert eingesetzt worden. Die Arbeitgeberin wolle nun die Planstellen wie im Stellenplan vorgesehen ausfüllen. Der Personalhaushalt solle somit exakter geplant und bewirtschaftet werden.

Nach einem Gutachten solle der Lademeister aus ergonomisch ungünstiger Position keine Lasten heben, tragen und bewegen, die schwerer als 20 kg seien. Zudem solle der Lademeister nicht häufig oder über einen längeren Zeitraum in einer Wirbelsäulenzwangshaltung arbeiten. Auch sei von Tätigkeiten mit dauerhaften oder häufigen Überkopfarbeiten sowie Tätigkeiten im Zusammenhang mit häufigem Besteigen von Treppen und Leitern ausdrücklich abzuraten. Auch dauerhafte stehende Tätigkeiten sollten möglichst vermieden werden.

Diese Einschränkungen seien von dauerhafter Natur. Es werde deshalb bestritten, dass der Lademeister ohne Gefährdung seiner Gesundheit in der Lage sei, die Tätigkeit als Möbelüberprüfer/Lademeister zu erbringen. Da der Lademeister zur Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung nicht imstande sei, seien die US-Stationierungsstreitkräfte nicht bereit, sein Arbeitsangebot anzunehmen und bewerteten ihn als arbeitsunfähig. Wegen der Arbeitsunfähigkeit sei der Beschäftigungsanspruch nicht begründet.

Nach Verkündung des Urteils des Arbeitsgerichts schlossen Arbeitgeberin und Lademeister einen Änderungsvertrag ab. Der Lademeister war daraufhin seit Mai 2016 als Fachlagerist tätig. Damit war der Beschäftigungsanspruch erledigt. In seiner Klageerweiterung vor dem LAG erhob der Lademeister weiterhin seinen Anspruch auf Lohnzahlung, erweitert um einen Monat gegenüber dem ursprünglich vor dem Arbeitsgericht geäußerten Anspruch.

Das LAG entschied, der Beschäftigungsanspruch war bis zum Zeitpunkt der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung der Prozessparteien im Berufungsverfahren begründet.

Es bestehe kein Beschäftigungsanspruch, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist. Es bestehe grundsätzlich keine Teilarbeitsunfähigkeit. Ist ein Arbeitnehmer begrenzt arbeitsunfähig, weil er die geschuldete Leistung nur noch in zeitlich verringertem Umfang, zu anderen Tageszeiten oder beschränkt auf bestimmte Tätigkeiten erbringen kann, gilt diese Teilarbeitsunfähigkeit grundsätzlich als Arbeitsunfähigkeit. Es mache keinen Unterschied, ob der Arbeitnehmer durch seine Krankheit ganz oder teilweise arbeitsunfähig wird. Auch der vermindert Arbeitsfähige sei arbeitsunfähig krank im Sinne des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EFZG), da er seine vertragliche Leistung nicht voll erfüllen kann.

Das Gesetz kennt eine Teilarbeitsunfähigkeit ebenso wenig wie die Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Teilleistung. Die Arbeitgeberin könne deshalb keine Teiltätigkeit verlangen. Eine abweichende Vereinbarung sei jedoch im Rahmen geltender Gesetze und Bestimmungen zwischen den Vertragsparteien möglich.

Arbeitsfähig ist der Arbeitnehmer danach allerdings wieder dann, wenn die Arbeitsvertragsparteien die vom Arbeitnehmer an sich vertraglich geschuldete Arbeitsleistung einvernehmlich vorübergehend auf die Tätigkeiten beschränken, die er ihrer Art und/oder ihrem zeitlichen Umfang nach trotz seiner Erkrankung verrichten kann, ohne den Heilungsprozess zu beeinträchtigen.

Ist der Arbeitnehmer nicht in der Lage, der gesamten Bandbreite der arbeitsvertraglich an sich möglichen Leistungsbestimmungen im Rahmen des § 106 GewO (Gewerbeordnung) gerecht zu werden, müsse die Arbeitgeberin nach Möglichkeit und billigem Ermessen Rücksicht nehmen.

Ein schwerbehinderter Mensch bzw. ein einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellter Arbeitnehmer habe gemäß § 81 Absatz 4 Nummer 1 SGB IX (Sozialgesetzbuch 9) einen Anspruch darauf, dass ihm die Arbeitgeberin im Rahmen der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten solche Aufgaben zuweist, die er aufgrund seiner Schwerbehinderung ausüben kann und bei denen er seine Fähigkeiten und Kenntnisse möglichst voll verwerten und weiter entwickeln kann. Dieser Anspruch greife selbst dann ein, wenn schwerbehinderte Arbeitnehmer ihre vertraglich geschuldeten Arbeitsleistungen aufgrund ihrer Behinderung nicht mehr erfüllen könnten, die Arbeitgeberin allerdings die Möglichkeit habe, ihm andere Tätigkeiten zuzuweisen.

Das Arbeitsgericht führte aus, der Lademeister könne unstreitig die Tätigkeit nach der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 1986 verrichten. Er sei lediglich körperlich nicht in der Lage, Gewichte bis 34 kg zu heben und zu tragen, wie sie in der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2002 aufgeführt wurden.

Die Arbeitgeberin könne nicht einseitig den Inhalt der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeiten durch die Änderung einer Stellenbeschreibung verändern. Der Lademeister habe sich nicht zu andersartigen, minderwertigen Tätigkeiten verpflichtet.

Die Vergütungsgruppe des Lademeisters sei eine Gehaltsgruppe für Angestellte, die überwiegend geistige Tätigkeiten verrichten. Die körperlich schweren Arbeiten wie in der Stellenbeschreibung aus dem 2002 aufgeführt, seien hingegen in eine Lohngruppe für Arbeiter einzuordnen.

Aus § 81 Absatz 4 SGB 9 (Sozialgesetzbuch) ergebe sich für die Arbeitgeberin die Verpflichtung, den Lademeister zu beschäftigen. Es bestünden vielfältige und gebotene Möglichkeiten, den Lademeister arbeitsvertraglich zu beschäftigen, da er vielfältige Aufgaben im administrativen Bereich erfüllen könne. Es bestünden keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich der Inhalt der geschuldeten Arbeit nach der Stellenbeschreibung aus dem Jahr 2002 zu richten habe. Es sei zwischen den Parteien keine Änderungsvereinbarung für die Zeit nach der Wiedergenesung des Lademeisters abgeschlossen worden. Deshalb war der Lademeister vertraglich nicht anders verpflichtet. Der überqualifizierte Einsatz des Lademeisters auf einer niedriger bewerteten Stelle ändere nichts an der arbeitsvertraglich geschuldeten Tätigkeit.

Für das Arbeitsverhältnis gelte die Stellenbeschreibung aus dem Jahr 1983, die zur tariflichen Eingruppierung des Lademeisters passe. Eine Gehaltsgruppe für Arbeitnehmer mit überwiegend geistigen Tätigkeiten. Es bestand keine arbeitsrechtliche Befugnis für die Arbeitgeberin, im Jahr 2002 im Wege einer Anpassung den Inhalt der arbeitsvertraglich geschuldeten Arbeit so zu ändern, dass es sich nun um eine Arbeitertätigkeit handele. Die geschuldete Leistung habe nicht ohne Änderungskündigung verändert werden können. Dem Beschäftigungsantrag wurde vom Arbeitsgericht zu Recht stattgegeben.

Die geltend gemachten Zahlungsansprüche seien in vollem Umfang begründet. Nachdem der Lademeister seine Arbeitskraft ordnungsgemäß angeboten hatte, indem er zum von der Arbeitgeberin festgelegten Schichtbeginn erschien, befand sich die Arbeitgeberin in Annahmeverzug, da sie das Angebot nicht annahm. Die Arbeitgeberin sei somit verpflichtet, dem Lademeister seine arbeitsvertragliche Vergütung zu zahlen, ohne dass dieser zur Nachleistung verpflichtet ist. Davon sind die von der Bundesagentur für Arbeit gezahlten Beträge für Arbeitslosengeld abzuziehen.

Eine Revision zu dieser Entscheidung wurde nicht zugelassen.