BLOG RECHTSPRECHUNG

Massenentlassungsanzeige fehlerhaft – Kündigung unwirksam

Kündigung wegen fehlerhafter Massenentlassungsanzeige unwirksam

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 13. Februar 2020, Aktenzeichen 6 AZR 146/19

Wird der Betriebsbegriff nicht entsprechend der Massenentlassungsrichtlinie (MERL) gemäß Artikel 3 der Richtlinie 98/59/EG angewandt, kann die Massenentlassungsanzeige unwirksam sein.

Eine insolvente deutsche Fluggesellschaft stand bezüglich der geplanten Massenentlassungen gegenüber dem zuständigen Arbeitsamt unter der Anzeigepflicht nach § 17 Absatz 1 KSchG (Kündigungsschutzgesetz). Das Unternehmen verkannte jedoch den Betriebsbegriff und erstattete die Massenentlassungsanzeige an ein Arbeitsamt, das örtlich nicht zuständig war. Die Anzeige enthielt auch nicht die erforderlichen Daten. Die betroffenen Kündigungen waren somit unwirksam.

Die Fluggesellschaft unterhielt an mehreren deutschen Flughäfen sogenannte Stationen, denen jeweils Personal der Bereiche Boden, Kabine und Cockpit zugeordnet waren. Unter anderem wurde einem Piloten, mit Einsatzort Düsseldorf, wegen Stilllegung des Flugbetriebs im Rahmen eines Insolvenzverfahrens zu Ende November 2017 gekündigt.

Die Massenentlassungsanzeige bezog sich auf den Betrieb, der innerhalb der Fluggesellschaft bundesweit das Cockpit-Personal umfasst. Der Betriebsbegriff basierte bei der Fluggesellschaft auf dem Betriebsverständnis für tarifvertraglich getrennte Vertretungen jeweils für das Boden-, Kabinen- und Cockpit-Personal unabhängig vom Einsatzort der Mitarbeiter. Der Flugbetrieb wurde zentral vom Sitz der Fluggesellschaft in Berlin gesteuert. Deshalb erfolgte die Massenentlassungsanzeige bei der zuständigen Agentur für Arbeit in Berlin.

Der Pilot bestritt vor dem Arbeitsgericht die Entscheidung zur Stilllegung. Der Flugbetrieb werde teilweise durch andere Fluggesellschaften fortgesetzt. Die Massenentlassungsanzeige sei fehlerhaft. Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht (LAG) wiesen die Kündigungsschutzklage des Piloten ab.

Die Revision des Piloten vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) hingegen war erfolgreich. Das BAG entschied, die Kündigung sei unwirksam. Der Betriebsbegriff nach § 17 Abs. 1 KSchG entspreche den Vorgaben aus Artikel 3 der Richtlinie 98/59/EG (Massenentlassungsrichtlinie – MERL). Bei den Stationen der Fluggesellschaft handele es sich um Betriebe im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes. Der Pilot war der Station Düsseldorf zugeordnet. Die Massenentlassungsanzeige hätte bei der zuständigen Agentur für Arbeit in Düsseldorf erfolgen müssen. Die Auswirkungen der Massenentlassungen traten in Düsseldorf auf. Durch eine frühzeitige Einschaltung der Agentur für Arbeit Düsseldorf hätte den Auswirkungen der Massenentlassungen entgegengewirkt werden sollen.

Die zwingend erforderlichen Angaben in der Anzeige hätten sich zudem nicht auf das Cockpit-Personal beschränken dürfen, sondern müssten auch das Boden- und Kabinenpersonal umfassen.

Für den Betriebsbegriff der MERL sei ohne Belang, dass diese Beschäftigtengruppen kollektivrechtlich in andere Vertretungsstrukturen eingebettet waren.

Am Tag der Urteilsverkündigung hatte das BAG über 7 gleichgelagerte Verfahren entschieden.