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Einseitige Kürzung des vertraglichen Arbeitslohns ist unzulässig

Teilkündigung ist unzulässig

Landesarbeitsgericht, Urteil vom 25.02.2020, Aktenzeichen 5 Sa 132/19

Eine einseitige Kürzung des arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitslohns durch die Arbeitgeberin ist unzulässig, weil Vertragsbedingungen nicht einseitig entgegen dem Willen der anderen Vertragspartei geändert werden können.

Ein langjährig beschäftigter KFZ-Elektriker erhielt Ende September 2018 ein Schreiben der Arbeitgeberin, das als „Änderungskündigung Lohn“ betitelt wurde. In dem Schreiben wurde der Stundenlohn des KFZ-Elektrikers von 14 Euro/Stunde auf 13 Euro/Stunde gekürzt. Begründet wurde die Kürzung mit einer geringeren Arbeitsleistung im Durchschnittsvergleich mit seinen Kollegen. Hinweise und Aussprachen hätten zu keinem veränderten Ergebnis geführt.

Gegen diese Lohnkürzung, die ab September 2018 wirksam sein sollte, wehrte sich der KFZ-Elektriker erfolgreich vor dem Arbeitsgericht.

Mitte Januar 2019 übermittelte die Arbeitgeberin eine weitere „Änderungskündigung Lohn“. Darin führte die Arbeitgeberin aus, der Mitarbeiter hätte nichts aus den Aussprachen des Jahres 2018 gelernt. Seine Leistungen seien noch schlechter geworden. Sein Anteil am Jahresumsatz entspreche lediglich 25% des durchschnittlichen anteiligen Jahresumsatzes seiner Kollegen bezüglich des Materialeinsatzes und 56% bezüglich der Arbeitsleistung. Sein Stundenlohn werde ab Januar 2019 von 13 Euro/Stunde auf 11 Euro/Stunde reduziert.

Der KFZ-Elektriker legte auch hiergegen Klage beim Arbeitsgericht ein. Es handele sich bereits nicht um eine Änderungskündigung im Sinne von § 2 KSchG (Kündigungsschutzgesetz). Die Arbeitgeberin habe lediglich über die Kürzung seines Stundenlohns unterrichtet, aber nicht das Arbeitsverhältnis gekündigt. Eine ordentliche Kündigung des KFZ-Elektrikers sei schon aufgrund seiner Mitgliedschaft im Betriebsrat unzulässig. Die vorgetragenen Zahlen bestreitet er mit Nichtwissen. Naturgemäß sei der Umsatz eines KFZ-Elektrikers niedriger als der Umsatz eines KFZ-Mechanikers. Im Wesentlichen sei er mit der Fehlersuche befasst und baue nur in geringem Umfang Material ein. Die Arbeitgeberin habe zudem die Zeit der Betriebsratsarbeit unberücksichtigt gelassen.

Der KFZ-Elektriker beantragte die Feststellung, dass das Schreiben vom Januar 2019 sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam sei, das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbestehe und die Arbeitgeberin für den Monat Januar 2019 den Differenzbetrag zum arbeitsvertraglich vereinbarten Lohn zu zahlen habe.

Die Arbeitgeberin war der Auffassung, die Lohnkürzung sei gerechtfertigt, weil der KFZ-Elektriker weit unterdurchschnittliche Umsätze bei Material und Arbeitsleistungen erziele und sogar noch unter den Leistungen der Lehrlinge liege. Es sei der Arbeitgeberin nicht zumutbar, angesichts dieses Ungleichgewichts von Leistung und Vergütung, einen Stundenlohn von 14 bzw. 13 Euro/Stunde zu gewähren.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt, mit Ausnahme des Feststellungsbegehrens, das Arbeitsverhältnis zu unveränderten Bedingungen fortbestehen zu lassen. Die Arbeitgeberin legte Berufung beim Landesarbeitsgericht (LAG) ein.

Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass sie eine Änderungskündigung ausgesprochen habe. Sie habe nicht die Absicht gehabt, das Arbeitsverhältnis zu beenden. Das Schreiben habe lediglich dazu gedient, den Lohn zu reduzieren. Im Vergleich zu zwei anderen Betriebsratsmitgliedern erziele der KFZ-Elektriker nicht einmal die Hälfte der von ihnen erwirtschafteten Umsätze. Ein eventueller Anspruch auf die Lohndifferenz für Januar 2019 sei bereits aufgrund der vierwöchigen Ausschlussfrist nach dem Manteltarifvertrag verfallen.

Das Landesarbeitsgericht entschied, das Arbeitsgericht habe der Klage zu Recht stattgegeben. Das Schreiben der Arbeitgeberin stelle keine Änderungskündigung im Sinne von § 2 KSchG dar. Eine Änderungskündigung bedeute, dass die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis kündigt und die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter geänderten Arbeitsbedingungen anbietet. Nimmt der Arbeitnehmer die Änderungskündigung nicht an, wird das Arbeitsverhältnis durch die Änderungskündigung beendet. Eine Änderungskündigung setzt voraus, dass die Arbeitgeberin ihren Willen erkennen lässt, sich vom Arbeitnehmer endgültig zu trennen, falls dieser der Vertragsänderung nicht zustimmt.

Mit dem Schreiben vom Januar 2019 habe die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis des KFZ-Elektrikers nicht gekündigt. Sie habe nur den Stundenlohn, also einen einzelnen Vertragsbestandteil ändern wollen. Der Begriff „Änderungskündigung“ in der Überschrift beziehe sich ausschließlich auf den Lohn. Die Arbeitgeberin berufe sich auch nicht darauf, eine Kündigung ausgesprochen zu haben.

Das Schreiben vom Januar 2019 enthalte eine Teilkündigung und damit eine einseitige Willenserklärung, einzelne Vertragsbedingungen gegen den Willen der Vertragspartei zu ändern.

Die mit Schreiben vom Januar 2019 erklärte Lohnkürzung um zwei Euro sei ebenso unwirksam, wie die Lohnkürzung um einen Euro mit Schreiben vom September 2018. Über die Unwirksamkeit des Schreibens vom September 2018 habe das Arbeitsgericht bereits rechtskräftig entschieden.

Teilkündigungen, die dazu dienen einzelne Vertragsbestandteile gegen den Willen der Vertragspartei einseitig zu ändern, sind grundsätzlich unzulässig. Sie stellen einen unzulässigen Eingriff in das Vertragsgefüge dar.

Der KFZ-Elektriker habe Anspruch auf Zahlung eines Stundenlohns von 14 Euro/Stunde über August sowie Dezember 2018 hinaus. Die bisherige Vergütungsvereinbarung gelte unverändert fort. Die entstandenen und eingeklagten Entgeltdifferenzen seien nachzuzahlen.

Selbst wenn das Schreiben vom Januar 2018 als Angebot auf Abschluss eines Änderungsvertrages anzusehen wäre, sei es jedenfalls nicht angenommen worden. Der KFZ-Elektriker habe weder ausdrücklich noch durch schlüssiges Verhalten sein Einverständnis erklärt.

Der Lohnanspruch sei auch nicht nach den Regelungen des Manteltarifvertrages verfallen. Mit seiner Bestandsschutzklage vom 25. Januar 2019 habe der KFZ-Elektriker die Ausschlussfrist für Ansprüche aus Lohndifferenzen gewahrt.

Eine Revision zu dieser Entscheidung wurde nicht zugelassen.