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Kündigung bei wiederholter Krankheit

Mehrfach wiederholte Krankheit ist nicht zwangsläufig ein Kündigungsgrund

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 23.01.2014, Aktenzeichen 2 AZR 582/13

Häufige Kurzerkrankungen können zwar generell zu einer Kündigung führen, es müssen jedoch die konkreten Begleitumstände betrachtet werden.

Eine Hilfsgärtnerin war bei einem Friedhofsunternehmen in einem ordentlich nicht kündbaren Arbeitsverhältnis beschäftigt. Wegen unterschiedlicher Krankheiten war sie in den vergangenen 10 Jahren wiederholt arbeitsunfähig erkrankt. Nach Angaben der Arbeitgeberin habe sie in diesem Zeitraum durchschnittlich 75 Arbeitstage pro Jahr krankheitsbedingt gefehlt. Die Arbeitgeberin habe versucht, durch Krankengespräche und Umsetzungen den Arbeitsausfall zu reduzieren. Wenige Wochen vor der letzten Erkrankung führte die Arbeitgeberin ein betriebliches Eingliederungsmanagement durch.

Der personalärztliche Dienst der Stadt stellte der Hilfsgärtnerin im Laufe der Jahre mehrfach positive Prognosen für die jeweilige Krankheit.

Während der letzten Krankheit teilte die Arbeitgeberin der Hilfsgärtnerin mit, dass sie beabsichtige, das Arbeitsverhältnis zu kündigen. Zum gleichen Zeitpunkt unterbreitete die Arbeitgeberin ein Angebot für einen Aufhebungsvertrag, das innerhalb der nächsten 4 Wochen gültig war.

Die Hilfsgärtnerin nahm das Angebot nicht an. Nach Ablauf der Frist für den Aufhebungsvertrag beantragte die Arbeitgeberin beim Personalrat die Zustimmung zur außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist. Der Personalrat verweigerte seine Zustimmung. Die Arbeitgeberin ließ die Zustimmung des Personalrats von der Einigungsstelle ersetzen. Am selben Tag kündigte die Arbeitgeberin das Arbeitsverhältnis mit sozialer Auslauffrist zum Ende des 6. Monats nach der Kündigung, hilfsweise zum nächstmöglichen Zeitraum.

Gegen die Kündigung erhob die Hilfsgärtnerin Klage. Es läge kein wichtiger Grund für die außerordentliche Kündigung vor. Die Erkrankungen ihres Bewegungsapparates seien ausgeheilt. Es bestehe keine Gefahr, dass eine der bisherigen Infektionskrankheiten wieder auftrete. Sie könne zudem als Friedhofsbetreuerin leidensgerecht eingesetzt werden. Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) sei zudem nicht gewahrt worden.

Die Hilfsgärtnerin beantragte festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis nicht durch die Kündigung beendet wurde und die Arbeitgeberin zu verurteilen sie weiterhin zu unveränderten Bedingungen als Hilfsgärtnerin weiter zu beschäftigen.

Die Arbeitgeberin argumentierte, der Kündigungsgrund sei gerechtfertigt. Kündigungsgrund sei die Gesamtheit aller Krankheiten der vergangenen 10 Jahre und der daraus folgenden Anfälligkeit der Hilfsgärtnerin für Kurzkrankheiten. Es handele sich um einen Dauertatbestand.

Vor dem Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht war die Hilfsgärtnerin mit ihrem Antrag erfolgreich. Die Arbeitgeberin verfolgte vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) weiterhin die Klageabweisung.

Das BAG erläuterte, es genüge nicht, die krankheitsbedingten Fehlzeiten und die daraus folgenden Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen zu betrachten. Es müsse auch deren zunehmende Dauer betrachtet werden. Ohne diese Betrachtung würde die Arbeitgeberin zu einer möglichst frühen Erklärung der Kündigung angehalten. Der Bestandsschutz des ordentlich unkündbaren Arbeitnehmers würde geschmälert.

Ob durch die wiederholten krankheitsbedingten Fehlzeiten eine berechtigte negative Prognose abzuleiten sei, wollte das BAG nicht beurteilen. Die Kündigung sei jedenfalls unwirksam, da es an einem wichtigen Grund nach § 626 Abs.1 BGB fehle.

Krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit könne prinzipiell einen wichtigen Grund darstellen. Der Arbeitgeberin sei jedoch die Einhaltung einer Kündigungsfrist zumutbar. Bereits an eine ordentliche Kündigung wegen Arbeitsunfähigkeit sei ein strenger Maßstab anzulegen. Eine außerordentliche Kündigung komme daher nur in Ausnahmefällen in Betracht, falls etwa die ordentliche Kündigung aus tariflichen oder einzelvertraglichen Gründen ausgeschlossen sei.

Die betrieblichen Fehlzeiten und die sich daraus ergebenden Beeinträchtigungen betrieblicher Interessen müssten bei einer außerordentlichen Kündigung deutlich über das Maß hinausgehen, welches eine ordentliche Kündigung sozial gerechtfertigt. Es müsste ein gravierendes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung vorliegen. Das wäre etwa der Fall, wenn die Arbeitgeberin möglicherweise über Jahre erhebliche Entgelte zahlen müsste, ohne dass eine nennenswerte Arbeitsleistung gegenübersteht. Es sei auch möglich, dass durch Dauer und Häufigkeit der Ausfälle der Einsatz des Arbeitnehmers nicht mehr sinnvoll geplant werden könne.

Entsprechend den Vorträgen der Arbeitgeberin sei die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses jedoch zumutbar.

Die Arbeitgeberin argumentierte, die Hilfsgärtnerin sei anfällig für bestimmte Krankheiten. In den Jahren 2006 bis 2011 habe die Arbeitgeberin für sie mehr als 34 000 Euro für Entgeltfortzahlung aufgewandt. Die Fehlzeiten hätten zu Ablaufstörungen im Betrieb geführt. Die vertretenden Kollegen seinen einer nicht zumutbaren Arbeitslast ausgesetzt gewesen. Daraus hätten sich Verzögerungen in der Grabpflege und Kundenbeschwerden ergeben.

Nach Ansicht des BAG genügten die vorgetragenen Umstände nicht einem wichtigen Grund zur Kündigung.

In den drei Jahren vor der Kündigung seien die krankheitsbedingten Fehlzeiten deutlich zurückgegangen auf durchschnittlich 12 Wochen pro Jahr. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Ausfallzeiten künftig wieder steigen würden.

Selbst die von der Arbeitgeberin prognostizierten Fehlzeiten von künftig rund 19 Wochen würden nicht zu unakzeptablen Betriebsstörungen führen. Der sich aus den Ausfallzeiten ergebende Vertretungsbedarf sei nicht ungewöhnlich und zumutbar. Die Hilfsgärtnerin könne die überwiegende Zeit des Jahres sinnvoll eingesetzt werden, die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses sei zumutbar.

Die Interessenabwägung falle auch zugunsten der Hilfsgärtnerin aus. Sie verfüge über mehr als drei Jahrzehnte Betriebszugehörigkeit. Es sei ihr Alter von 52 Jahren und die damit verbundenen Schwierigkeiten der Arbeitsplatzsuche zu berücksichtigen. Zudem seien die krankheitsbedingten Ausfallzeiten in den vergangenen drei Jahren erheblich zurückgegangen. Die Interessen der Hilfsgärtnerin gegenüber den Interessen der Arbeitgeberin würden überwiegen.

Das BAG stellte fest, das Arbeitsverhältnis sei durch die außerordentliche Kündigung nicht aufgelöst worden.

Den Antrag auf Weiterbeschäftigung hatte das BAG nicht zu entscheiden, da er als Antrag auf Weiterbeschäftigung bis zur Beendigung des Rechtsstreits zu verstehen sei. Das Kündigungsschutzverfahren wurde mit dem Urteil des BAG rechtskräftig abgeschlossen.