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Festes Arbeitsverhältnis falls Arbeitnehmerüberlassung unwirksam

Unwirksamkeit gewerbsmäßiger Arbeitnehmerüberlassung führt zu Arbeitsverhältnis

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.10.2014, Aktenzeichen 9 AZR 1021/12

Werden Arbeitnehmer innerhalb eines Konzerns an andere Konzernbetriebe mit Gewinnabsicht verliehen, ist eine Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung erforderlich. Liegt die Erlaubnis nicht vor, entsteht mit dem entleihenden Betrieb ein festes Arbeitsverhältnis.

Ein Fachreferent wurde von seiner Arbeitgeberin, einer Aktiengesellschaft, betriebsbedingt gekündigt und anschließend in einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft in einem befristeten Arbeitsverhältnis weiter beschäftigt. Von der Tochtergesellschaft wurde er an die Aktiengesellschaft bei unveränderter Tätigkeit befristet ausgeliehen. Die Tochtergesellschaft beschäftigte sich zu diesem Zeitpunkt vor allem mit dem Verleih der bei ihr angestellten Mitarbeiter an andere Firmen innerhalb der Aktiengesellschaft.

Der Geschäftsbereich, an den der Fachreferent ausgeliehen war, wurde in eine weitere hundertprozentige Tochtergesellschaft ausgelagert. Der Geschäftsbereich wurde von der neuen Tochtergesellschaft mit dem gleichen Personal fortgesetzt. Das Personal wurde übernommen und eingegliedert. Die Tätigkeit des Fachreferenten wurde nun in der neuen Tochtergesellschaft als neue Entleiherin über einen neuen befristeten Arbeitsvertrag fortgesetzt. Darin war unter anderem geregelt, dass die bisherige Firmenzugehörigkeit zur Aktiengesellschaft anerkannt werde und fortbestehe.

Zwei Wochen vor dem Ende des befristeten Arbeitsverhältnisses klagte der Fachreferent vor dem Arbeitsgericht, dass sein Arbeitsverhältnis nicht zum Befristungstermin ende, sondern darüber hinaus unbefristet fortbestehe.

Die beklagte Arbeitgeberin argumentierte hingegen, die Befristung sei als sachgrundlose Befristung nach § 14 Abs. 2 Satz 1 TzBfG (Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge) wirksam. Da die Vertragsparteien nicht identisch seien, habe auch keine Vorbeschäftigung im Sinne von § 14 Abs. 2 Satz 2 TzBfG vorgelegen. Es sei auch kein Arbeitsverhältnis gemäß § 10 Abs. 1, § 9 Nr. 1 AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) mit einer der beiden entleihenden Firmen entstanden, weil der Fachreferent ohne eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung verliehen worden sei. Die verleihende Firma habe nicht mit Gewinnabsicht gehandelt und benötigte deshalb keine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin weiterhin die Abweisung der Klage.

Das BAG stellte fest, die Revision sei nicht begründet. Es habe ein Arbeitsverhältnis bestanden, weil der Fachreferent im Rahmen einer gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verliehen wurde, das verleihende Unternehmen aber nicht über die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung verfügte. Das Arbeitsverhältnis sei deshalb auf die entleihende Firma übergegangen.

Es sei eindeutig, dass die Arbeitnehmerüberlassung nicht nur gelegentlich stattfand. Die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung des verleihenden Unternehmens sei auf eine gewisse Dauer ausgelegt und stelle eine auf mittelbare oder unmittelbare wirtschaftliche Vorteile ausgerichtete selbständige Tätigkeit dar.

Für die Gewerbsmäßigkeit der Tätigkeit war die Gewinnerzielungsabsicht ausschlaggebend. Dabei käme es nicht darauf an, ob tatsächlich ein Gewinn erzielt wurde, sondern darauf, ob ein Überschuss der Erträge gegenüber den Aufwendungen angestrebt wurde. Bei Wirtschaftsunternehmen, die keine gemeinnützigen, karitativen oder sonstigen ideellen Ziele verfolgen, ist grundsätzlich anzunehmen, dass sie aus der Arbeitnehmerüberlassung unmittelbare oder mittelbare wirtschaftliche Vorteile ziehen wollen.

Es läge nahe, dass konzernzugehörige Unternehmen, die sich damit befassen, Arbeitnehmer konzernintern zu verleihen, das Ziel verfolgen, entweder selbst einen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen oder dem konzerninternen Entleiher oder der Konzernmutter einen solchen zu verschaffen. Im Hinblick auf die Schutzbedürftigkeit der überlassenen Arbeitnehmer mache es keinen Unterschied, ob der Gewinn erst bei dem Arbeitnehmerüberlassungsunternehmen ausgewiesen und dann abgeführt würde oder ob er sogleich bei der Konzernmuttergesellschaft oder einem anderen entleihenden Konzernunternehmen entstünde.

Es sei zumindest von einer indirekten also mittelbaren Gewinnerzielungsabsicht auszugehen. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Konzern kostenträchtig den Verwaltungsaufwand steigere, ohne sich einen Gewinn davon zu versprechen.

Es sei davon auszugehen, dass durch die Zwischenschaltung des Verleihunternehmens direkte wirtschaftliche Vorteile für den Konzern entstanden. Allein schon deswegen, weil das konzernweit geltende Tarifwerk für befristet tätige Mitarbeiter Einschränkungen vorsehe.

Von einer Gewinnerzielungsabsicht sei aber auch dann auszugehen, wenn ein konzernzugehöriges Unternehmen Arbeitnehmer einstellt, um sie an andere Konzernunternehmen zu Bedingungen zu überlassen, die für diese Unternehmen mit geringeren Kosten verbunden sind, als wenn sie die Arbeitnehmer selbst einstellen würden.

Aufgrund der tariflichen Regelungen für befristet beschäftigte Mitarbeiter waren teilweise geringere Leistungen zu erbringen als für unbefristet beschäftigte Arbeitnehmer.

Der zwischen dem verleihenden Unternehmen und der Entleiherin geschlossene Arbeitnehmerüberlassungsvertrag sei gemäß § 9 Nr. 1 AÜG ebenso unwirksam wie der Arbeitsvertrag zwischen dem Fachreferenten und dem verleihenden Unternehmen. Infolgedessen gelte gemäß § 10 Abs. 1 AÜG ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und der Entleiherin als zustande gekommen.