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Antrag auf Teilzeitarbeit

Nicht abgelehnter Antrag auf Teilzeitarbeit gilt als angenommen

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.01.2015, Aktenzeichen 9 AZR 860/13

Wird einem Antrag auf Teilzeitarbeit nicht fristgerecht widersprochen, gilt der Antrag als genehmigt. Nach den Grundsätzen der Duldungs- und Anscheinsvollmacht muss die Arbeitgeberin bei gegenteiliger Meinung mindestens einen Monat vor Beginn der gewünschten Arbeitszeitverkürzung schriftlich widersprechen.

Eine Assistenzkraft befand sich nach der Geburt ihrer Tochter in Elternzeit. In einer E-Mail übermittelte sie der Chefsekretärin des Geschäftsführers den Termin zur Beendigung der Elternzeit. Gleichzeitig übermittelte sie ihren Entschluss zur Teilzeitarbeit, direkt anschließend an die Elternzeit, Montag bis Freitag von 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr.

Etwa 4 Monate vor dem Ende der Elternzeit übersandte die Assistenzkraft der Arbeitgeberin ein Beantragungsformular einer Kindertagestätte. Im Formular war unter anderem die Arbeitszeit anzugeben. Mit der Unterschrift des Geschäftsführers wurden handschriftlich die eingetragenen Zeiten für Kurzarbeit auf Vollzeit geändert. Kurz vorher lehnte der Geschäftsführer im Gespräch mit der Assistenzkraft eine Teilzeitbeschäftigung ab.

Am ersten Arbeitstag wurde die Assistenzkraft vom Geschäftsführer aufgefordert, ab dem folgenden Montag in Vollzeit zu arbeiten. Dabei wurde auf das frühere Gespräch verwiesen, in dem die Teilzeitarbeit abgelehnt wurde. Die Assistenzkraft verließ dennoch am Montag ihren Arbeitsplatz um 14.00 Uhr.

Am Folgetag erhielt die Assistenzkraft 40 Minuten vor 14.00 Uhr ein Schreiben von der Arbeitgeberin, mit der Aufforderung, am gleichen Tag Mehrarbeit zu leisten. Die Assistenzkraft versuchte vergeblich, ihre Tochter von Dritten aus der Kindertagesstätte abholen zu lassen. Sie teilte dem Geschäftsführer mit, sie könne die Mehrarbeit nicht leisten und verließ um 14.00 Uhr die Arbeitsstätte. Am darauf folgenden Tag sprach die Arbeitgeberin eine Abmahnung aus.

Einige Tage später sprach die Arbeitgeberin eine Kündigung aus und bot gleichzeitig an, das Arbeitsverhältnis ab dem Tag nach der Kündigung in Vollzeitarbeit fortzusetzen.

Die Assistenzkraft nahm die Änderungskündigung unter dem Vorbehalt an, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen sozial gerechtfertig sei.

Vor dem Arbeitsgericht beantragte die Assistenzkraft festzustellen, dass sich ihre Arbeitszeit gemäß § 8 Abs. 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) auf 30 Stunden pro Woche verringert hat und die geschuldete Arbeit an fünf Arbeitstagen jeweils sechs Stunden in der Zeit von 8:00 Uhr bis 14:00 Uhr zu leisten ist. Hilfsweise sollte die Arbeitgeberin verurteilt werden, der Verringerung der Arbeitszeit zuzustimmen.

Zudem sei festzustellen, dass die Änderungskündigung sozial unwirksam ist. Zusätzlich solle die Abmahnung aus der Personalakte entfernt werden.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Das Landesarbeitsgericht (LAG) wies die Berufung der Arbeitgeberin zurück. Vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin die Revision des Urteils, mit dem Ziel die Klage abzuweisen.

Das BAG bestätigte die Urteile der Vorinstanzen. Die allgemeinen Voraussetzungen für den Anspruch auf Teilzeitarbeit lagen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) vor. Die Assistenzkraft war länger als 6 Monate im Unternehmen angestellt und die Arbeitgeberin beschäftigte regelmäßig mehr als 15 Mitarbeiter.

Die E-Mail der Assistenzkraft sei mit der klaren Willensbildung formuliert worden, das Arbeitsverhältnis in Teilzeitarbeit fortzusetzen. Das Teilzeitbegehren ging der Arbeitgeberin rechtzeitig, mehr als 3 Monate vor der beabsichtigen Teilzeittätigkeit zu. Da die Arbeitgeberin den Teilzeitwunsch nicht mindestens 1 Monat vor dem gewünschten Beginn schriftlich ablehnte, wurde die Verringerung der wöchentlichen Arbeitszeit wirksam.

Die mündliche Ablehnung des Teilzeitwunsches durch den Geschäftsführer sei wegen Formmangels nach § 125 Satz 1 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ungültig. Wolle der Arbeitgeber den Eintritt der Zustimmungsfiktion des § 8 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 TzBfG verhindern, müsse er ausreichend klar ablehnen.

Die handschriftlichen Änderungen auf dem Antragsformular für die Kindertagesstätte hätten keinen Bezug zum Teilzeitwunsch. In der Bescheinigung wurde nicht die zukünftige, sondern zum Zeitpunkt der Antragstellung geltende Arbeitszeit abgefragt. Die Annahme spreche dafür, dass die Arbeitgeberin im irrigen Glauben, den Antrag abgelehnt zu haben, keine neue Willenserklärung abgeben wollte.

Die Ablehnung zum ersten Tag des Arbeitsbeginns erfolgte zu spät. Die Monatsfrist nach § 8 Abs. 5 Satz 1 TzBfG war bereits verstrichen.

Die Arbeitgeberin wurde verpflichtet, die Abmahnung aus den Akten zu entfernen, da die Abmahnung zu Unrecht erteilt wurde. Die Abmahnung beruhte auf einer unzureichenden rechtlichen Bewertung. Die Arbeitszeit der Assistenzkraft endete um 14.00 Uhr. Sie war nicht verpflichtet, zwischen 14.00 Uhr und 17.00 Uhr zu arbeiten.

 
Die Änderungskündigung sei nach §2 Abs. Satz 1 und §1 Abs. Satz 1 KschG (Kündigungsschutzgesetz) sozial ungerechtfertigt.

Beabsichtigt ein Arbeitgeber, den Rechtszustand herbeizuführen, der vor der reduzierten Arbeitszeit bestand, muss er das TzBfG beachten. Die Arbeitgeberin ist nur dann berechtigt, einen Teilzeitantrag des Beschäftigten abzulehnen, wenn betriebliche Gründe der gewünschten Teilzeitbeschäftigung entgegenstehen. Lehnt die Arbeitgeberin den Teilzeitantrag eines Beschäftigten ab, kann dieser vor dem Arbeitsgericht Klage erheben und vom Gericht prüfen lassen, ob betriebliche Gründe vorliegen.

Die Arbeitgeberin hat dem Arbeitnehmer die von ihm gewünschte Verkürzung der Arbeitszeit zu erörtern, mit dem Ziel zu einer Vereinbarung zu gelangen und Einvernehmen über die Verteilung der reduzierten Arbeitszeit zu erreichen.

Die Arbeitgeberin begründete die Änderungskündigung ausschließlich auf ihrem Organisationskonzept, das Teilzeitbeschäftigung nicht zulasse. Dieses Organisationskonzept habe die Arbeitgeberin bereits vor dem Ablauf der Zurückweisungsfrist erfolglos der Assistenzkraft entgegengehalten. Weitere Gründe wurden nicht vorgetragen.