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Urlaubsvergütung nach Arbeitszeitverringerung – Teilzeitarbeit

Urlaubsentgelt nach dem Entgeltausfallprinzip bei Teilarbeitszeit

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 20.03.2018, Aktenzeichen 9 AZR 486/17

Wird Urlaub nach Kürzung der wöchentlichen Arbeitszeit in Anspruch genommen, aber vorher erworben, so ist das Urlaubsentgelt entsprechend der Vergütung vor der Änderung zu gewähren. (Geänderte Rechtsprechung des BAG)

Eine Mitarbeiterin im Finanzministerium arbeitete 35 Stunden wöchentlich in Teilzeit und lag damit 5 Stunden unter der Vollzeitquote von 40 Wochenstunden. Seit August 2015 beträgt ihre regelmäßige Arbeitszeit 20 Stunden. Im Zeitraum von August 2015 bis Februar 2016 gewährte die Arbeitgeberin der Mitarbeiterin Urlaub, der jeweils aus der Zeit vor der Reduzierung stammte. Das Urlaubsentgelt berechnete die Arbeitgeberin hingegen nach der aktuellen Teilzeitquote von 20 Wochenstunden.

Im Dezember 2016 forderte die Mitarbeiterin die Arbeitgeberin vergeblich schriftlich auf, das Urlaubsentgelt auf der Basis ihrer vorherigen Teilarbeitszeit von 35 Stunden/Woche zu berechnen. Vor dem Arbeitsgericht verfolgte die Mitarbeiterin ihren Anspruch weiter. Die Arbeitgeberin wies die Klage mit der Begründung ab, das Entgelt sei nach dem Entgeltausfallprinzip entsprechend dem gültigen Tarifvertrag des öffentlichen Dienstes der Länder (TV-L) zu berechnen.

Die Klage wurde vom Arbeitsgericht abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht (LAG) änderte das Urteil des Arbeitsgerichts ab und gab der Klage überwiegend statt. Mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) verfolgte die Arbeitgeberin weiterhin die komplette Klageabweisung.

Das BAG entschied, die Berufung der Arbeitgeberin sei nicht begründet. Die tarifvertraglichen Regelungen im Tarifvertrag (TV-L), die einem Arbeitnehmer während des Urlaubs einen Anspruch auf die Weiterzahlung des Tabellenentgelts sowie der sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile einräumen, seien wegen der mittelbaren Benachteiligung von Teilzeitkräften nichtig, soweit sie das Urlaubsentgelt eines Arbeitnehmers, der nach der Verringerung seiner wöchentlichen Regelarbeitszeit seinen Urlaub antritt, auch in den Fällen nach dem Entgeltausfallprinzip bemessen, in denen der Urlaub aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung stammt.

Das Urlaubsentgelt sei nicht basierend auf der aktuellen Teilzeitquote in Höhe von 20/40, sondern auf Basis der vor der Reduzierung der Regelarbeitszeit geltenden Teilzeitquote in Höhe von 35/40 zu berechnen. Die Arbeitgeberin sei zur Zahlung des Differenzbetrages verpflichtet.

Die Regelungen im Tarifvertrag der Länder (TV-L) seien wegen Verstoßes gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitkräften gemäß § 4 Absatz 1 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) und § 134 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) nichtig, soweit sie für die Berechnung des Urlaubsentgelts auf das im Urlaubszeitraum vom Arbeitnehmer zu beanspruchende Entgelt auch in den Fällen abstellen, in denen der Arbeitnehmer nach der Verringerung seiner wöchentlichen Regelarbeitszeit Urlaub nimmt, der aus der Zeit vor der Arbeitszeitreduzierung stammt.

Nach § 4 Absatz 1 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) darf ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer wegen der Teilzeitarbeit nicht schlechter behandelt werden als ein vergleichbarer vollzeitbeschäftigter Arbeitnehmer, es sei denn, sachliche Gründe rechtfertigen eine unterschiedliche Behandlung. Einem teilzeitbeschäftigten Arbeitnehmer ist deshalb Arbeitsentgelt oder eine andere teilbare geldwerte Leistung, wie etwa Urlaubsentgelt, mindestens in dem Umfang zu gewähren, der dem Anteil seiner Arbeitszeit an der Arbeitszeit eines vergleichbaren vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers entspricht.

Eine Ungleichbehandlung wegen der Teilzeitarbeit liegt dann vor, wenn die Dauer der Arbeitszeit das Kriterium darstellt, an das die Differenzierung hinsichtlich der unterschiedlichen Arbeitsbedingungen anknüpft.

Das Landesarbeitsgericht sei rechtsfehlerhaft davon ausgegangen, im Falle einer Arbeitszeitreduzierung könne § 21 Satz 1 TV-L im Hinblick auf unionsrechtliche Vorgaben dahin gehend ausgelegt werden, dass dem Arbeitnehmer für Urlaub, den er vor der Verringerung der Regelarbeitszeit erworben habe, ein Urlaubsentgelt zustehe, das auf der Grundlage des seinerzeitigen Beschäftigungsumfangs zu berechnen sei.

Ein etwaiger Wille der Tarifvertragsparteien, das Urlaubsentgelt solle nicht in allen, sondern lediglich in den Fällen einer unveränderten Regelarbeitszeit nach dem Entgeltausfallprinzip berechnet werden, hat in den Tarifvorschriften keinen Niederschlag gefunden. Nach dem TV-L ist allein der Beschäftigungsumfang während des Urlaubszeitraums maßgeblich.

Die Tarifvorschrift knüpft an den Begriff der „Entgeltfortzahlung“ an und bestimmt, dass das Tabellenentgelt sowie die sonstigen in Monatsbeträgen festgelegten Entgeltbestandteile weitergezahlt werden. Eine Fort- bzw. Weiterzahlung im Tarifsinne bezieht sich auf das Entgelt, auf das der Arbeitnehmer unter Berücksichtigung des aktuellen Beschäftigungsumfangs Anspruch hat. Berechnet man das Urlaubsentgelt auf der Grundlage einer im Vergleich zum aktuellen Beschäftigungsumfang höheren Beschäftigungsquote, wird das Entgelt nicht weitergezahlt, sondern für den Urlaubszeitraum erhöht.

In dieselbe Richtung deuten Sinn und Zweck von § 26 Absatz 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L. Die Tarifnormen bezwecken eine Verstetigung des Entgelts in den Fällen, in denen der Arbeitnehmer urlaubsbedingt an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert ist. Der Arbeitnehmer soll darauf vertrauen können, dass diese Zeiten seiner Abwesenheit vom Arbeitsplatz nicht in Einkommenseinbußen resultieren. Diesem Regelungszweck entsprechend berechnet der TV-L die Entgeltansprüche eines im Urlaub befindlichen Arbeitnehmers nach dem Entgeltausfallprinzip. Dem im TV-L angelegten Verstetigungsgedanken wird bereits durch die Fortzahlung des aktuellen Entgelts Rechnung getragen. Ein Rückgriff auf Entgeltansprüche aus vergangenen Zeiträumen ist hierzu weder erforderlich noch angezeigt. Die Regelungen knüpfen nicht unmittelbar an die Dauer der Arbeitszeit an. Anknüpfungspunkt ist vielmehr das Entgelt, das dem Arbeitnehmer zustände, wenn er seine Arbeitsleistung erbracht hätte.

Vor diesem Hintergrund hat der Senat bisher angenommen, Tarifvorschriften, die das Urlaubsentgelt unter Rückgriff auf das Entgeltausfallprinzip berechnen, seien rechtlich nicht zu beanstanden, wenn sie sicherstellen, dass der Arbeitnehmer mindestens das Urlaubsentgelt erhält, das er bei Weiterarbeit ohne Freistellung gewöhnlich erwarten könnte. An dieser Rechtsprechung könne aufgrund der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 22. April 2010 (- C-486/08) für Alturlaub, den ein Arbeitnehmer nach der Verringerung seiner wöchentlichen Regelarbeitszeit antritt, nicht festgehalten werden.

Der Gerichtshof der Europäischen Union hat entschieden, § 4 Nummer 2 der Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeit steht einer nationalen Bestimmung entgegen, nach der bei einer Änderung des Beschäftigungsausmaßes eines Arbeitnehmers das Ausmaß des noch nicht verbrauchten Erholungsurlaubs in der Weise angepasst wird, dass der von einem Arbeitnehmer, der von einer Vollzeit- zu einer Teilzeitbeschäftigung übergeht, in der Vollzeit erworbene Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub, dessen Ausübung dem Arbeitnehmer während dieser Zeit nicht möglich war, reduziert wird oder der Arbeitnehmer diesen Urlaub nur mehr mit einem geringeren Urlaubsentgelt verbrauchen kann.

Im vorliegenden Fall führte die von dem beklagten Land vorgenommene Bemessung des Urlaubsentgelts unter Zugrundelegung einer Teilzeitquote von 20/40 zu einer Verringerung des Entgeltanspruchs der Mitarbeiterin. Nach den oben genannten Grundsätzen steht dem das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten entgegen. Das Urlaubsentgelt der Mitarbeiterin sei deshalb unter Zugrundelegung einer Teilzeitquote von 35/40 zu berechnen.

Das beklagte Land könne sich nicht auf ein geschütztes Vertrauen in die bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berufen. Zur Vereinbarkeit der Regelungen in § 26 Absatz 1 Satz 1 und § 21 Satz 1 TV-L lag schon keine gefestigte Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor. Im Übrigen vereinbarten die Parteien die Verringerung der Arbeitszeit der Mitarbeiterin nach der Bekanntgabe der Entscheidung des Gerichtshofs vom 22. April 2010.

Das Bundesarbeitsgericht verurteilte die Arbeitgeberin zur Zahlung des geforderten Differenzbetrages für das Urlaubsgeld.