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Auskunftsanspruch über im Betrieb beschäftigte schwerbehinderten/gleichgestellten Menschen

Erforderlichkeit der Übermittlung der Anzahl und Namen von schwerbehinderten/gleichgestellten Menschen an den Betriebsrat und Reichweite der vom Betriebsrat zu gewährleistenden Datensicherheit

– Beschluss des Bundesarbeitsgerichts vom 09.05.2023 – 1 ABR 14/22 –

Die Aufgabe des Betriebsrats, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern, erfasst auch die Gruppe der schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten leitenden Angestellten. Zur Erfüllung dieser sich aus dem Gesetz ergebenden Interessenvertretung der Beschäftigten hat der Betriebsrat einen Auskunftsanspruch gegen den Arbeitgeber über die Anzahl und Namen der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten/gleichgestellten Menschen. Basierend auf § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG kann er diesbezügliche personenbezogene Daten unter Einhaltung der Datenschutzvorschriften verarbeiten, muss aber die ausreichende Gewährleistung angemessener und spezifischer Schutzmaßnahmen zum Umgang mit den sensitiven Daten darzulegen.

Betriebsrat und Arbeitgeber stritten über einen Auskunftsanspruch des Betriebsrats.

Der Betriebsrat verlangte vom Arbeitgeber, ihm ein Verzeichnis über alle im Betrieb und Unternehmen beschäftigten schwerbehinderten und diesen gleichgestellten behinderten Menschen zu übermitteln, da er darauf zu achten habe, dass die Arbeitgeberin ihren vielseitigen Pflichten gegenüber dieser Personengruppe erfülle und er zudem die Aufgabe habe, auf die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung hinzuwirken. Zudem machte der Betriebsrat einen Anspruch auf Unterlassung der Störung der Betriebsratsarbeit durch die Nichtmitteilung der Namen der im Betrieb beschäftigten schwerbehinderten und ihnen gleichgestellten Menschen geltend und verlangte hierzu bei Zuwiderhandlung die Androhung eines Ordnungsgeldes gegen den Arbeitgeber. Der Betriebsrat erhielt vom Arbeitgeber zuvor lediglich die Auskunft, dass der Schwellenwert für die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung im Betrieb erreicht sei. Der Betriebsrat hat zudem für die Verarbeitung personenbezogener Daten ein entsprechendes Datenschutzkonzept erstellt. Der Arbeitgeber verneinte den Auskunftsanspruch, jedenfalls müsse er diesen aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erfüllen und das vom Betriebsrat vorgelegte Datenschutzkonzept sei unzureichend.

Das zuständige Arbeitsgericht hatte den Anträgen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Arbeitgebers zurückgewiesen, die Rechtsbeschwerde aber zugelassen.

Das Bundesarbeitsgericht hat den Auskunftsanspruch des Betriebsrats bestätigt, den Unterlassungsanspruch und den damit verbundenen Antrag auf Androhung eines Ordnungsgeldes aber als unzulässig erachtet.

Der Auskunftsanspruch des Betriebsrats – auf die dem Arbeitgeber bekannten Daten beschränkt – ist nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BetrVG begründet. Nach dieser Norm hat der Arbeitgeber den Betriebsrat zur Durchführung seiner Aufgaben rechtzeitig und umfassend zu unterrichten. Erfordert die Aufgabenwahrnehmung des Betriebsrats entsprechende Informationen, folgt hieraus ein entsprechender Auskunftsanspruch. Der Betriebsrat muss den notwendigen Aufgabenbezug allerdings hinreichend darlegen. So hat er dargetan, dass ihm sowohl nach § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG als auch nach § 176 Satz 1 SBG IX die Aufgabe obliegt, die Eingliederung schwerbehinderter Menschen zu fördern und u. a. darauf zu achten, dass die dem Arbeitgeber nach §§ 154, 155 und 164 bis 167 SBG IC obliegenden Verpflichtungen erfüllt werden. Eine entsprechende Überwachung dieser für den Arbeitgeber normierten Vorgaben ist integraler Bestandteil der dem Betriebsrat obliegenden Pflicht § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG iVm. § 176 Satz 1 SGB IX. Der personellen Reichweite des § 156 Abs. 1 SBG IX unterfallen auch leitende Angestellte, so dass sich der vorgegebene Inhalt der dem Betriebsrat in § 176 Satz 2 SGB IX beispielhaft zugewiesenen Aufgaben – mithin seine Förderpflicht – auch leitende Angestellte mit einbezieht. Ebenso sind leitende Angestellte – soweit sie schwerbehindert oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt sind – im Hinblick auf die Wahl einer Schwerbehindertenvertretung wahlberechtigt. Diese Förderaufgabe auch für entsprechende leitende Angestellte hat der Gesetzgeber bewusst dem Betriebsrat zugewiesen. Das BAG führt aus, dass § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG – soweit die Norm die allgemeine Aufgabe des Betriebsrats vorsieht, die „Eingliederung schwerbehinderter Menschen … zu fördern“ – nicht nur dieselbe sachliche, sondern auch dieselbe personelle Reichweite wie § 176 SGB IX habe. § 5 Abs. 3 Satz 1 BetrVG steht dem nicht entgegen. Zwar gilt das Betriebsverfassungsgesetz nach dieser Vorschrift grundsätzlich nicht für leitende Angestellte. Das gilt jedoch nur, soweit „in … [diesem Gesetz] nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist“. Eine solche abweichende Bestimmung hat der Gesetzgeber mit § 80 Abs. 1 Nr. 4 BetrVG getroffen. Der Auskunftsanspruch des Betriebsrats aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG ergibt die unerlässliche Erforderlichkeit der vom Betriebsrat vom Arbeitgeber erstrebten Informationen, er benötigt also nicht nur die Anzahl der schwerbehinderten bzw. ihnen gleichgestellten Arbeitnehmern im Betrieb, sondern auch die Namen. Nur dann kann der Betriebsrat überwachen, ob der Arbeitgeber seinen normierten Vorgaben zur Fürsorge gegenüber diesen Arbeitnehmern nachkommt.

Der Auskunftsanspruch des Betriebsrats besteht unabhängig davon, ob die betroffenen Arbeitnehmer ihr Einverständnis erteilt haben. Die Erfüllung der dem Betriebsrat per Gesetz zugewiesenen Aufgaben ist nicht von einer Einwilligung der Arbeitnehmer abhängig. Das Gericht führt weiter aus, dass dem Auskunftsanspruch des Betriebsrats auch keine datenschutzrechtlichen Gründe entgegenstehen. Nach § 26 Abs. 3 iVm. § 22 Abs. 2 BDSG ist die Datenweitergabe an den Betriebsrat zulässig und die Verarbeitung der personenbezogenen Daten – abweichend von Art. 9 Abs. 1 DSGVO – in diesem Rahmen zulässig, weil sie zur Erfüllung der rechtlichen Pflichten des Betriebsrats erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse der betroffenen Personen an dem Ausschluss der Verarbeitung überwiegt. Entsprechend § 22 Abs. 2 BDSG sind für die Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten durch den Betriebsrat jedoch angemessene und spezifische Maßnahmen zur Wahrung der Interessen der betroffenen Personen vorzusehen, die entweder den in § 26 Abs. 3 Satz 3 iVm. § 22 Abs. 2 BDSG genannten Regelbeispielen oder – bei wertender Betrachtung – den aufgelisteten Kriterien entsprechen müssen. Der Betriebsrat ist nicht von seiner Pflicht, die Datensicherheit und -sparsamkeit eigenverantwortlich durch technische und organisatorische Maßnahmen – insbesondere solche nach § 22 Abs. 2 BDSG – innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs sicherzustellen, befreit, weil nach § 79a BetrVG der Arbeitgeber im Sinne der datenschutzrechtlichen Vorschriften der Verantwortliche für die Datenverarbeitung ist