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Betriebsübergang – Unwirksamkeit der Monatsfrist

Widerspruch Betriebsübergang

Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 26.07.2022, Aktenzeichen 8 Sa 68/20

Fehlerhafte oder unvollständige Information über einen Betriebsübergang führt zur Unwirksamkeit der Monatsfrist für den Widerspruch.

Ein Referent war als außertariflicher Mitarbeiter beschäftigt und nicht gewerkschaftlich organisiert.

Im Rahmen der Neuordnung des Energiemarktes in Deutschland wurden im Konzern strukturelle Veränderungen und personelle Anpassungen beschlossen. Im Rahmen eines Tarifvertrages wurde festgelegt, die personellen Anpassungen sozial verträglich zu gestalten. Dazu hieß es, der Konzern wird einen neuen, innovativen Stellenmarkt mit einer eigenen Vermittlungsgesellschaft (“Switch”) einrichten. Arbeitnehmer, die sich im Personalüberhang befinden, sollen zum Erhalt der Beschäftigung auf alternative Arbeitsplätze vorrangig innerhalb, aber auch außerhalb des Konzerns vermittelt werden.

Die Anwendung dieses Tarifvertrages auf außertariflich beschäftigte Arbeitnehmer in den Konzerngesellschaften wird seitens der führenden Aktiengesellschaft (AG) sichergestellt.

Mit Wirkung vom 01. Februar 2017 wurden die seinerzeit noch selbst erbrachten IT-Service-Dienstleistungen an einen externen Dienstleister übergeben. Zum Stichtag 01.02.2017 wurde das Eigentum an dem bestehenden Datacentern mit Hardware und zugehöriger Software auf den Dienstleister übertragen. Die bis zu diesem Zeitpunkt durchgeführten Tätigkeiten und anfallenden Aufgaben gingen auf den externen Dienstleister über.

Zum Ausgleich der Folgen dieser Übertragung wurde mit dem Gesamtbetriebsrat ein Interessenausgleich und Sozialplan für die übergehenden Mitarbeiter abgeschlossen. In dessen Präambel wird das Outsourcing des Bereichs IT-Service-Dienstleistungen und der dort erbrachten Dienstleistungen als Betriebsteilübergang nach § 613a BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) bezeichnet. Die Umsetzung dieser Maßnahme sei mit einer Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) verbunden und könne zu wirtschaftlichen Nachteilen für die hiervon betroffenen Mitarbeiter führen. Für außertariflich beschäftigte Mitarbeiter (im Folgenden auch: AT-Mitarbeiter) gelten vorrangig die Bestimmungen dieses Interessenausgleichs und Sozialplans oder notwendige Ergänzungen auf betrieblicher Ebene.

Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die betrieblichen Regelungen der GmbH insgesamt fortgelten sollen. Sofern den betroffenen Mitarbeitern im Falle einer Nichtfortführung materielle Nachteile entstehen, werden diese Nachteile kompensiert.

Die übergegangenen Mitarbeiter werden bei einer Rückbewerbung um eine offene Stelle bei der GmbH, bei für die betreffende Stelle gleicher Eignung und Qualifikation, vorrangig im Verhältnis zu sonstigen konzernexternen Bewerbern berücksichtigt.

Weiterhin hieß es, in Ihrem zukünftigen Betrieb gibt es zurzeit keine Betriebsvereinbarungen. Es wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die für Sie geltenden betrieblichen Regelungen Ihres bisherigen Arbeitgebers insgesamt fortgelten sollen. Sofern Ihnen im Falle einer Nichtfortführung materielle Nachteile entstehen, werden diese Nachteile kompensiert.

Ab Februar 2017 erbrachte der Referent beim externen Dienstleister seine Arbeitsleistung. Er erhielt in Folge die in Interessenausgleich und Sozialplan vorgesehenen Ausgleichszahlungen in Form von Abfindung und Treuebonus.

Im April 2019 wurde die bisherige GmbH auf den externen Dienstleister verschmolzen.

Mit Schreiben von Mai 2019 widersprach der Referent seinem Übergang auf den externen Dienstleister, ohne damit eine Einigung herbeiführen zu können.

Im August 2019 begehrte der Referent beim Arbeitsgericht die Feststellung des Bestands seines Arbeitsverhältnisses zum externen Dienstleister als Rechtsnachfolger der GmbH als ursprüngliche Arbeitgeberin.

Das Unterrichtungsschreiben aus dem Dezember 2016 sei fehlerhaft, so dass die Monatsfrist zum Erklären des Widerspruchs nicht in Gang gesetzt worden sei. Durch das Unterrichtungsschreiben werde nicht klar, ob die tariflichen Regelungen sowie der Sozialplan individualrechtlich oder kollektivrechtlich gelten würden.

Die Ausführungen auf Seite 4 des Unterrichtungsschreiben erweckten fehlerhaft den Eindruck, die Betriebsparteien könnten im Rahmen einer Betriebsvereinbarung über Interessenausgleich und Sozialplan eine kollektivrechtliche unmittelbare Geltung von Tarifverträgen regeln.

Mangels einer Vereinbarung zwischen der GmbH und dem Erwerber würden etwa Mitarbeiter nicht entsprechend des Tarifvertrages “Switch” in anderen Konzerngesellschaften vermittelt bzw. deren Betreuung sichergestellt werden.

Das Informationsschreiben selbst enthalte auch keine ausreichenden Angaben zu den wirtschaftlichen Hintergründen.

Allein ein Verweis auf Anlagen sei unzureichend. Die Übergabe eines USB-Sticks, auf dem u.a. der Interessenausgleich und Sozialplan gespeichert sei, entspreche nicht der geforderten Textform. Ob und welche Betriebsmittel auf die Erwerberin übergegangen sind, sei zudem nicht genannt.

Der Referent sei aufgrund des Informationsschreibens davon ausgegangen, jederzeit im Rahmen für ihn geltender kollektivrechtlicher Regelungen berechtigt zu sein, an internen Stellenausschreibungen des externen Dienstleisters und der GmbH als Rechtsvorgängerin sowie weiterer Konzernunternehmen teilnehmen zu können. Diese Möglichkeit habe aber nie bestanden, so dass ihm eine berufliche Weiterentwicklung im Konzern verwehrt worden sei.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Zwischen den Parteien habe über den 31.01.2017 hinaus kein Arbeitsverhältnis mehr bestanden, weil der Referent dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den externen Dienstleister gemäß § 613a BGB nicht wirksam widersprochen habe. Sein Widerspruch vom 13.05.2019 habe die gesetzliche Monatsfrist des § 613a Absatz 6 Satz 1 BGB nicht gewahrt.

Gegen das Urteil des Arbeitsgerichts legte der Referent Berufung beim Landesarbeitsgericht ein. Er sei, so seine Auffassung, weder zureichend über den Betriebsteilübergang unterrichtet worden noch sei sein Widerspruchsrecht verwirkt.

Das Landesarbeitsgericht entschied, zwischen den Parteien hat über dem 31.01.2017 hinaus ein Arbeitsverhältnis bestanden.

Der Referent hat dem Betriebsübergang mit anwaltlichem Schreiben vom 13.05.2019 fristgemäß und insgesamt wirksam gemäß § 613a Absatz 6 Satz 1 BGB widersprochen. Das Unterrichtungsschreiben vom 02.12.2016 entsprach nicht den Vorgaben des § 613a Absatz 5 BGB und war deshalb nicht geeignet, die einmonatige Widerspruchsfrist des § 613a Absatz 6 Satz 1 BGB in Gang zu setzen.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lassen sich die einschlägigen Anforderungen an eine hinreichende Unterrichtung der Arbeitnehmer im Sinne des § 613a Absatz 5 BGB wie folgt zusammenfassen:

Die einmonatige Widerspruchsfrist nach § 613a Absatz 6 Satz 1 BGB wird nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung nach § 613a Absatz 5 BGB in Lauf gesetzt.

Veräußerer und/oder Erwerber haben den Arbeitnehmer so zu informieren, dass dieser sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613a Absatz 5 BGB genannten Umstände ein Bild machen kann. Er soll durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts erhalten.

Ob eine erfolgte Unterrichtung den Anforderungen des § 613a Absatz 5 BGB entsprochen hat, unterliegt der gerichtlichen Überprüfung.

Gemäß § 613a BGB haben der bisherige Arbeitgeber oder der neue Betriebsinhaber die vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer nicht nur in Textform über den Zeitpunkt und den Grund für den Übergang zu unterrichten, sondern auch über die rechtlichen, wirtschaftlichen und sozialen Folgen des Übergangs und die hinsichtlich der Arbeitnehmer in Aussicht genommenen Maßnahmen.

Das Unterrichtungsschreiben vom 02.12.2016 konnte die Widerspruchsfrist des § 613a Absatz 6 BGB nicht in Gang setzen, weil die dort enthaltenen Informationen teilweise, wenn auch nicht notwendig falsch, so doch zumindest unklar und unvollständig waren. Ihm ließ sich nicht entnehmen, ob der TV Switch im Falle des Übergangs des Arbeitsverhältnisses des Referenten auf den externen Dienstleister fortgelten sollte oder nicht. Dieser Umstand ist so bedeutend, dass er als relevantes Kriterium für einen möglichen Widerspruch des Referenten gegen einen Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf den externen Dienstleister in Betracht kam.

Dem Informationsschreiben vom 02.12.2016 konnte der Referent nicht entnehmen, ob nach Auffassung der am Betriebsteilübergang beteiligten Unternehmen der TV Switch auch nach dem Betriebsübergang auf das Arbeitsverhältnis des Referenten Anwendung finden würde. Einen eindeutigen Rechtsstandpunkt hierzu haben die beteiligten Unternehmen nicht eingenommen.

Die übergegangenen Mitarbeiter durften jedenfalls annehmen, dass sich der Verlust ihres Arbeitsplatzes als “Personalüberhang” im Sinne des TV Switch darstellte und damit der Weg zur Vermittlung und Betreuung durch eine Personalservicegesellschaft, einer dortigen Anstellung, und einem Anspruch auf den Erhalt zumutbarer alternativer Arbeitsangebote geebnet sein würde.

Ob die beteiligten Unternehmen die Anwendung des TV Switch auf außertarifliche Angestellte für gegeben hielten, war in einer Gesamtschau des Inhalts des Informationsschreibens vom 02.12.2016 und der einschlägigen materiellen Bestimmungen unklar.

Folgt man der Argumentation der Arbeitgeberin soll der TV Switch auf außertarifliche übergegangene Mitarbeiter wie dem Referenten keine Anwendung finden. Eine klare Aussage trifft das Unterrichtungsschreiben insoweit nicht. Der TV Switch findet an keiner Stelle des Schreibens Erwähnung.

Der Unterrichtungswert wird dadurch in Frage gestellt, dass an mehreren Stellen des Schreibens auf die Geltung des J. DCO verwiesen wurde, in dem “Regelungen zu den Modalitäten des Betriebsübergangs getroffen” worden seien und dessen Maßgeblichkeit (der Wortlaut war auf dem beigefügten Datenträger enthalten) ja auch völlig unstreitig war. Damit würden sich für einen Juristen dann die oben skizzierten Fragen stellen, der arbeitsrechtliche Laie ist schlicht überfordert. Keinesfalls wird die Dimension des Problems deutlich.

Dem Referenten fehlte eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts, weil weder das Problem der Fortgeltung des TV Switch auf dem Tisch lag noch er wissen konnte, wie die beteiligten Unternehmen sich dessen Lösung vorstellte.

Es ist keinesfalls ausgeschlossen, dass der Referent sich für einen Verbleib bei der GmbH entschieden hätte, wäre er von einer Nichtgeltung des TV Switch auf sein neues Arbeitsverhältnis ausgegangen.

Das Widerspruchsrecht des Referenten war im Zeitpunkt seiner Ausübung am 13.05.2019 nicht verwirkt.

Enthält eine Unterrichtung die “grundlegenden Informationen” zum Betriebsübergang und arbeitet der Arbeitnehmer beim Erwerber über einen Zeitraum von sieben Jahren widerspruchslos weiter, kann sich ein späterer Widerspruch allein aufgrund des Zeitablaufs als mit Treu und Glauben unvereinbar erweisen.

Im vorliegenden Fall fehlt es am Vorliegen des Umstandsmoments. Mit Blick auf die reine Weiterarbeit des Referenten beim externen Dienstleister ist eine Frist von 7 Jahren bei weitem nicht erreicht. Der Referent hat auch nicht aktiv auf die Gewährungen von Leistungen hingewirkt, die ein Einverständnis mit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses voraussetzen.

Der Referent muss nicht auf berechtigte Ansprüche verzichten, um sein Recht auf Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses nicht zu verwirken. Er befindet sich vielmehr in einer ersichtlichen Zwickmühle, die die Arbeitgeberin nicht überbewerten darf, erst Recht nicht, weil sie sie durch ihre unzureichende Information mitverursacht hat.

Gegen dieses Urteil wurde die Revision zugelassen.