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Wann kann der Betriebsrat Tablet oder Notebook verlangen?

Tablet oder Notebook für Betriebsratsmitglieder

Hessisches Landesarbeitsgericht, Urteil vom 14.03.2022, Aktenzeichen 16 TaBV 143/21

Zur Teilnahme an Betriebsratssitzungen per Videokonferenz kann der Betriebsrat die Überlassung eines Tablets oder Notebook je Betriebsratsmitglied verlangen, sofern die Voraussetzungen des § 30 Absatz 2 BetrVG vorliegen.

Im April 2021 hat der 3-köpfige Betriebsrat ein Beschlussverfahren eingeleitet, um die Bereitstellung von 3 Tablets oder Laptops zu erreichen und hat diesen Anspruch beim Arbeitsgericht geltend gemacht.

Das Arbeitsgericht gab dem Antrag statt. Vor dem Landesarbeitsgericht legte die Arbeitgeberin Revision ein. Sie führte aus, die dauerhafte Überlassung von Laptops wäre unverhältnismäßig. Es bestehe kein Vorrang der Video- vor der Telefonkonferenz. Die Zurverfügungstellung von Tablets oder Laptops führe für die Arbeitgeberin zu unverhältnismäßigen Kosten. Die Voraussetzungen des § 30 Absatz 2 BetrVG (Betriebsverfassungsgesetz) lägen nicht vor. Dessen Nr. 2 sehe einen Vorrang der Präsenzsitzungen vor.

Auch bei behördlich angeordneter Quarantäne oder der Erkrankung eines Betriebsratsmitglieds sei eine virtuelle Sitzung nicht erforderlich, da Ersatzmitglieder nachrückten. Es stelle eine unzulässige Begünstigung der Betriebsratsmitglieder nach § 78 Satz 2 BetrVG dar, wenn diese frei nach eigener Einschätzung entscheiden dürften, an einzelnen Tagen zu Hause zu bleiben und nicht in die Filiale zu kommen.

Erforderlich wären diese Geräte nur, wenn die Betriebsratsmitglieder anderenfalls ihre betriebsverfassungsrechtlichen Rechte und Pflichten vernachlässigen müssten. Dies sei nicht der Fall. Die genannten mobilen Endgeräte seien für die Betriebsratstätigkeit auch nicht dienlich, da die Betriebsratstätigkeit nicht aus dem Homeoffice ausgeübt werden dürfe. Betriebsratsarbeit sei am Sitz des Betriebs zu leisten. Zudem müssen die Betriebsratsmitglieder vor oder nach der Betriebsratstätigkeit ihren arbeitsvertraglichen Pflichten nachkommen.

Die Zurverfügungstellung der Notebooks würde ein künstliches und unnötiges „in die Länge ziehen“ der Betriebsratstätigkeit provozieren. Es bestehe die Gefahr, dass sich der Betriebsrat von sachfremden Motiven leiten ließe und hierdurch gegen das Gebot der vertrauensvollen Zusammenarbeit verstoße. Das Betriebsratsbüro sei mit 75 m² ausreichend groß, so dass genug Abstand eingehalten werden könne.

Eine dauerhafte Überlassung der Geräte würde in keinem angemessenen Verhältnis zu den dadurch verursachten Kosten von ca. 1000 € je Betriebsratsmitglied führen. Hinzu kämen noch Kosten für etwaige Software, IT-Support, Wartung- und Reparaturkosten. Die Arbeitgeberin habe ein berechtigtes Interesse daran, dass die Betriebsratsmitglieder im unmittelbaren Anschluss an die Beendigung der Betriebsratstätigkeit wieder ihre Arbeit auf der Fläche in der Filiale aufnehmen.

Die Arbeitgeberin könne dem Betriebsrat kostengünstig Einwahldaten zur Durchführung einer geschützten Telefonkonferenz zur Verfügung stellen. Dass hierbei der Sichtkontakt der einzelnen Teilnehmer nicht gegeben ist, sei vor dem Hintergrund des Ausnahmefalls der Durchführung einer virtuellen Betriebsratssitzung und dem berechtigten Kosteninteresse der Arbeitgeberin hinnehmbar.

Für die im Betriebsratsbüro anfallenden Aufgaben könne der stationäre Computer genutzt werden. Es sei nicht ersichtlich, weshalb allen Betriebsratsmitgliedern dauerhaft an 7 Tagen in der Woche ein Notebook zur Verfügung gestellt werden sollte. Es sei auch nicht erforderlich, außerhalb des Betriebsratsbüros auf Daten zuzugreifen. Nach eigenem Vortrag, sowie die Erforderlichkeit eines Notebooks bzw. einer virtuellen Sitzung unterstellt, nutzten die Betriebsratsmitglieder das Notebook an 2 Tagen wöchentlich. Eine dauerhafte Überlassung wäre daher unverhältnismäßig.

Der Betriebsrat erwiderte, der Anspruch ergebe sich aus § 40 Absatz 2 BetrVG. Die Arbeitgeberin habe dem Betriebsrat die für die Durchführung von Videokonferenzen erforderlichen Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Der Betriebsrat habe sich gemäß § 30 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 BetrVG eine Geschäftsordnung gegeben, welche die Durchführung von Sitzungen auch in Form von Videokonferenzen ermögliche.

Im Falle einer Quarantäne wäre es zu spät, erst dann technische Mittel zur Verfügung zu stellen. Der Umgang mit den Geräten müsse auch erst geübt werden. Inzwischen habe die Arbeitgeberin dem Betriebsrat Tablets der Marke Terra im Wert von 160,89 € bis 209,90 € zuzüglich Transponder für das Internet zur Verfügung gestellt. Unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit der Arbeitgeberin sei die Kostenbelastung zumutbar.

Das Landesarbeitsgericht beschloss, der Betriebsrat kann nach § 40 Absatz 2 BetrVG für die Sitzungen, die Sprechstunden und die laufende Geschäftsführung von der Arbeitgeberin in erforderlichem Umfang die Zurverfügungstellung von Informations- und Kommunikationstechnik verlangen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts obliegt dem Betriebsrat die Prüfung, ob ein von ihm verlangtes Sachmittel zur Erledigung von Betriebsratsaufgaben erforderlich und von der Arbeitgeberin zur Verfügung zu stellen ist.

Dabei hat er die Interessen der Belegschaft an einer sachgerechten Ausübung des Betriebsratsamtes und die berechtigten Interessen der Arbeitgeberin, auch soweit sie auf eine Begrenzung der Kostentragungspflicht gerichtet sind, gegeneinander abzuwägen.

Bei Anwendung dieser Grundsätze kann der Betriebsrat die unentgeltliche Überlassung von 3 Tablets oder Notebooks mit Internetzugang mit mindestens 7,9 Zoll Displaygröße von der Arbeitgeberin verlangen.

Hierbei handelt es sich um Informations- und Kommunikationstechnik im Sinne von § 40 Absatz 2 BetrVG. Die Entscheidung des Betriebsrats für diese Sachmittel hält sich im Rahmen des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums.

Die Geschäftsordnung sieht ebenfalls vor, dass eine Sitzung mit Beschlussfassung im Rahmen einer Videokonferenz bzw. einer Hybridsitzung immer eines sachlichen Grundes bedarf. Beispiele für sachliche Gründe sind öffentlich-rechtliche Kontaktsperren oder drohende Beschlussunfähigkeit wegen behördlich angeordneter Quarantäne gegenüber Mitgliedern des Betriebsrats, keine alternative Räumlichkeit zwecks Sitzungsdurchführung, erhöhte Inzidenzwerte, Erkrankung von Mitgliedern des Betriebsrats.

Die Geschäftsordnung sieht auch vor, dass Mitglieder des Betriebsrats, denen nach eigener Einschätzung insbesondere die Anreise mit öffentlichen Verkehrsmitteln angesichts der Infektionsgefahren mit dem Corona Virus nicht zumutbar ist, zu einer Präsenzsitzung des Betriebsrats im Rahmen einer Videokonferenz zugeschaltet werden.

Das Abstellen auf die eigene Einschätzung des betreffenden Betriebsratsmitglieds in der Geschäftsordnung ist deshalb sachgerecht, weil die von dem Coronavirus ausgehenden Gefahren für die Menschen unterschiedlich sind, z.B. wenn die betreffende Person einer so genannten Risikogruppe angehört. Im Übrigen ist es sachgerecht, wenn diejenige Person, die von den Gesundheitsgefahren selbst betroffen ist, darüber in eigener Verantwortung entscheidet, welches Risiko sie einzugehen bereit ist.

Der Vorrang der Präsenzsitzung wird bereits im 2. Absatz der Geschäftsordnung des Betriebsrats hervorgehoben. Ferner ergibt sich ein Regel-Ausnahmeverhältnis zu Gunsten der Präsenzsitzungen, da eine Videokonferenz nur bei Vorliegen eines sachlichen Grundes zulässig ist. Liegt kein sachlicher Grund vor, müssen Betriebsratssitzungen daher zwingend als Präsenzsitzungen stattfinden.

Darauf ob der Betriebsrat inzwischen ein neues, größeres Büro bezogen hat, kommt es für die Erforderlichkeit von Informations- und Kommunikationstechnik (§ 40 Absatz 2 BetrVG) für die gesetzlich garantierte Möglichkeit der Abhaltung von Betriebsratssitzungen als Videokonferenz nicht an.

Entscheidend ist, dass der Betriebsrat die Technik benötigt, um von der in § 30 Absatz 2 BetrVG eingeräumten Möglichkeit der Abhaltung von Betriebsratssitzungen mittels Videokonferenz Gebrauch zu machen. Ohne die begehrte Technik ist dies nicht möglich.

Der Betriebsrat braucht sich auch nicht auf Telefonkonferenzen verweisen zu lassen. § 30 Absatz 2 BetrVG lässt gerade Videokonferenzen ausdrücklich zu. Dies schließt es aus, ihn auf Telefonkonferenzen zu beschränken.

Der vom Bundesarbeitsgericht in seiner Entscheidung vom 10. Juli 2013 -7 ABR 22/12-aufgestellte Grundsatz, Betriebsratsmitglieder müssten während ihrer arbeitsvertraglichen Arbeitszeit im Betrieb am Sitz des Betriebsrats anwesend sein, findet für die Dauer der Teilnahme an einer Videokonferenz nach § 30 Absatz 2 BetrVG eine Einschränkung. Die Durchführung von Videokonferenzen macht von vornherein keinen Sinn, wenn sämtliche Teilnehmer sich im Betriebsratsbüro aufhalten müssen.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass mit der Regelung dem Gesundheitsschutz der Betriebsratsmitglieder Rechnung getragen werden soll, d.h. dass sie, ohne sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Arbeitsplatz begeben zu müssen, von einem sicheren Ort im Sinne des Infektionsschutzes aus ihre Betriebsratstätigkeit wahrnehmen können. Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Erscheinen am Arbeitsplatz aufgrund der Infektionszahlen zu gefährlich ist. Gerade dann muss aber die Betriebsratstätigkeit gewährleistet bleiben, beispielsweise um Beschlüsse über die Einführung von pandemiebedingter Kurzarbeit zu fassen.

Wenn jedoch § 30 Abs. 2 BetrVG die Teilnahme an Videokonferenzen des Betriebsrats, die regelmäßig von zu Hause aus erfolgt, ausdrücklich zulässt, ist es der Arbeitgeberin zugleich zuzumuten, dass zwischen dem Ende der Videokonferenz und der Arbeitsaufnahme im Betrieb für die Zurücklegung der Wegstrecke zum Arbeitsplatz eine gewisse Zeit anfällt. Ob diese von der Arbeitgeberin zu vergüten ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

Richtig ist die Ansicht der Arbeitgeberin, dass § 30 BetrVG keine Verpflichtung des Betriebsrats zur Durchführung von Videokonferenzen vorschreibt. Die zitierte Norm sieht sie jedoch ausdrücklich als eine mögliche Arbeitsform des Betriebsrats vor. Wenn dieser sich in einer Geschäftsordnung hierfür entscheidet, hat die Arbeitgeberin ihm nach § 40 Absatz 2 BetrVG die dafür erforderliche Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung zu stellen.

Die Kosten für diese Technik dürften insgesamt für 3 Geräte einschließlich Transponder 750 € nicht übersteigen. Maßgeblich ist jeweils der aufzuwendende Geldbetrag je Betriebsratsmitglied. Dieser ist der Arbeitgeberin hier zuzumuten. Aus der Betriebsgröße, die in Relation zur Anzahl der Betriebsratsmitglieder steht, lässt sich auf eine entsprechende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Betriebs schließen, die nach Überzeugung der Kammer eine derartige Ausgabe für die Arbeitgeberin verkraftbar erscheinen lässt.

Darauf, dass Telefonkonferenzen des Betriebsrats für die Arbeitgeberin billiger wären, kommt es nicht entscheidend an. Der Betriebsrat begründet im Einzelnen, warum er Videokonferenzen gegenüber Telefonkonferenzen für das geeignetere Kommunikationsforum hält, nämlich wegen der Visualisierung. Dieser Grund ist sachlich berechtigt, so dass die Entscheidung des Betriebsrats auch insoweit innerhalb des ihm zustehenden Beurteilungsspielraums liegt.

Dem Betriebsrat ist die gewünschte Informations- und Kommunikationstechnik auch dauerhaft zur Verfügung zu stellen. Insbesondere kann der Betriebsrat nicht darauf verwiesen werden, jeweils bei der Arbeitgeberin um die Aushändigung der Tablets oder Notebooks zu bitten, wenn er diese benötigt. Die Erforderlichkeit einer Videokonferenz kann sich sehr kurzfristig ergeben, so dass nicht immer gewährleistet ist, dass der betreffende Ansprechpartner auf Seiten der Arbeitgeberin diese sogleich herausgeben kann. Dies gilt umso mehr, wenn diese nicht lediglich verwahrt, sondern von anderen Mitarbeitern in der täglichen Arbeit tatsächlich genutzt werden.

Eine Rechtsbeschwerde zu dieser Entscheidung wurde nicht zugelassen.