BLOG RECHTSPRECHUNG

Fehlendender Interessenausgleich mit Betriebsrat

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 18.10.2011, 1 AZR 336/10

Ein Bodenlegerhelfer erhielt mit 10 anderen Beschäftigten eine betriebsbedingte Kündigung. Der Betriebsrat wurde benachrichtigt. Der Betriebsrat strebte einen Interessenausgleich an. Der Interessenausgleich wurde vom kündigenden Unternehmen nicht verhandelt. Der Bodenlegerhelfer klagte auf Nachteilsausgleich.

Fehlender Interessenausgleich

Das beklagte Unternehmen hat mit der Kündigung von 11 Arbeitnehmern eine Betriebsänderung vorgenommen, ohne mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich versucht zu haben.

Unternehmen mit in der Regel mehr als 20 Arbeitnehmer müssen nach § 111 Satz 1 BetrVG den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen, die wesentliche Nachteile für die Belegschaft oder erhebliche Teile der Belegschaft zur Folge haben können, rechtzeitig und umfassend unterrichten und die geplanten Betriebsänderungen mit ihm beraten. Die Entlassung von mehr als 5 Arbeitnehmern gilt als Betriebseinschränkung durch bloßen Personalabbau. Laut Kündigungsschutzgesetz, § 17 Abs. 1, gilt die Zahlengröße von mindestens 5 Arbeitnehmern für Betriebe mit einer Beschäftigtenzahl zwischen 20 und 60.

Zum Zeitpunkt der Unterrichtung des Betriebsrates beschäftigte das Unternehmen 20 eigene Mitarbeiter und eine Leiharbeitnehmerin. Leiharbeitnehmer sind mit zu zählen, falls sie bereits mindestens 3 Monate im Unternehmen beschäftigt sind. Leiharbeitnehmer müssen zu den „in der Regel“ Beschäftigten gehören, nicht nur eine vorübergehende Tätigkeit ausüben.

Unternehmensgröße für Interessenausgleich

Zur Ermittlung der maßgebenden Unternehmensgröße ist ein kombinierter Blick in Vergangenheit und Zukunft notwendig. Werden Arbeitnehmer zeitweise beschäftigt, so müssen sie mindestens 6 Monate im Jahr für das Unternehmen arbeiten.

Nach diesen Grundsätzen waren zum Zeitpunkt der beabsichtigten Kündigungen mehr als 20 Arbeitnehmer im Unternehmen beschäftigt.

Die für Buchführungsaufgaben eingesetzte Leiharbeitnehmerin musste mitgezählt werden, weil sie

  • bereits länger als 6 Monate im Unternehmen beschäftigt war,

  • ein Ende ihres Einsatzes, zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Entlassungen, nicht absehbar war.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) argumentiert:

Die betriebsbedingte Kündigung von elf Arbeitnehmern stellt eine Betriebsänderung iSd. § 111 Satz 3 Nr. 1 BetrVG dar. Hierdurch wurden die Zahlen- und Prozentangaben in § 17 Abs. 1 KSchG deutlich überschritten. Die Beklagte war deshalb auch verpflichtet, mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich zu versuchen.

Das Unternehmen hat trotz Aufforderung des Betriebsrates keinen Interessenausgleich versucht.

Die Klage auf Nachteilsausgleich hatte Erfolg. Das BAG legte für den Bodenlegerhelfer eine Abfindung unter Berücksichtigung des Lebensalters und der Betriebszugehörigkeit fest.