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Wann ist ein zweckbefristetes Arbeitsverhältnis wirksam?

Wirksamkeit eines zweckbefristeten Arbeitsverhältnisses

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.03.2017, Aktenzeichen 7 AZR 222/15

Beabsichtigt eine Arbeitgeberin nach einer räumlichen oder organisatorischen Änderung ihre betriebliche Tätigkeit weiterzuführen, darf sie mit Arbeitnehmern nur dann eine zeitlich begrenzte Beschäftigung vereinbaren, wenn bereits bei Vertragsabschluss feststeht, dass die vertragliche Tätigkeit für den befristet beschäftigten Arbeitnehmer am neuen Standort nicht mehr anfällt oder diese ihm nicht mehr zugewiesen werden kann.

Ein Arbeitnehmer war auf der Grundlage von sechs aufeinanderfolgenden befristeten Arbeitsverträgen als Vorlader in einem Zentrallager beschäftigt. Der letzte Arbeitsvertrag war bis zur Schließung des Zentrallagers befristet. In einem 83 km entfernten Ort errichtete die Arbeitgeberin ein neues Zentrallager, das zwei bisherige Zentrallager ersetzen soll. Darunter das Lager, in dem der Vorlader beschäftigt war. Mitarbeiter der zu schließenden Lager sollten im neuen Zentrallager tätig werden.

Im November 2011 gab die Arbeitgeberin die beabsichtigte Schließung des Zentrallagers bekannt, in dem der Vorlader beschäftigt war. Entsprechend eines Interessenausgleiches, der mit dem Gesamtbetriebsrat abgeschlossen wurde, sollte die Schließung frühestens zum Ende September 2014 erfolgen. Die Inbetriebnahme des neuen Lagers verzögerte sich mehrfach.

Der Vorlader klagte im Februar 2014 beim Arbeitsgericht gegen die Befristung seines Arbeitsverhältnisses. Es bestehe ein dauerhafter Bedarf für seine vertragliche Arbeitsleistung. Der Beschäftigungsbedarf bestehe im neuen Lager fort. Die Arbeitgeberin sei aufgrund des arbeitsvertraglich vereinbarten Direktionsrechtes zur Versetzung berechtigt gewesen. Der Vorlader beantragte festzustellen, das Arbeitsverhältnis sei nicht aufgrund der Zweckbefristung im Arbeitsvertrag befristet.

Die Arbeitgeberin argumentierte, der Bedarf für die Arbeitsleistung des Vorladers habe nur bis zur Schließung des bisherigen Zentrallagers bestanden. Die Schließung habe bereits bei Abschluss der letzten Verlängerung festgestanden. Im neuen Zentrallager sei keine Stelle als Vorlader vorgesehen gewesen. Wegen der räumlichen Entfernung habe sie den Vorlader nicht in das neue Zentrallager versetzen können.

Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Im Berufungsverfahren änderte das Landesarbeitsgericht (LAG) das Urteil des Arbeitsgerichtes ab und wies die Klage des Vorladers zurück. Der Vorlader begehrte mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Im Laufe des Revisionsverfahrens teilte die Arbeitgeberin im Februar 2016 dem Vorlader mit, der Betrieb werde zum 30. April 2016 geschlossen. Das Arbeitsverhältnis ende aufgrund der vertraglichen Befristung. Vorsorglich kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 30. April 2016. Der Vorlader legte eine Kündigungsschutzklage sowie eine Befristungskontrollklage ein. Beide Klagen waren zum Zeitpunkt der Entscheidung des BAG über das vorliegende Verfahren noch beim Arbeitsgericht anhängig.

Das BAG entschied die Aufhebung des LAG-Urteils. Das Verfahren wurde in der Sache zur neuen Entscheidung an das LAG zurückverwiesen. Mit der Begründung des LAG könne die Klage nicht abgewiesen werden. Auf der Basis der bisherigen Tatsachenfeststellung könne nicht abschließend beurteilt werden, ob das Arbeitsverhältnis aufgrund der vereinbarten Befristung geendet habe.

Zum Zeitpunkt der Klageeinreichung sei eine Befristungskontrollklage rechtlich noch nicht möglich gewesen. Die Befristungskontrollklage sei erst möglich, nachdem die Arbeitgeberin nach § 15 Absatz 2 TzBfG (Teilzeit- und Befristungsgesetz) schriftlich darüber unterrichtet, wann der Zweck der Befristung erreicht ist. Es könne dem Vorlader nicht unterstellt werden, er habe eine rechtlich nicht mögliche Klage erheben wollen. Das auf die Unwirksamkeit der Zweckbefristung gerichtete Klagebegehren sei deshalb als allgemeine Feststellungsklage auszulegen.

Erfolgt die schriftliche Benachrichtigung über die Erreichung des Befristungszwecks erst im Laufe des Revisionsverfahrens, bedeute dies eine unzulässige Klageänderung in der Revisionsinstanz. Mit dem Abschluss der mündlichen Verhandlung in der zweiten Instanz (LAG) sei bezüglich des tatsächlichen Vortrages sowie bezüglich der eingereichten Anträge eine Entscheidungsgrundlage gebildet, die auch der Revisionsinstanz als Grundlage diene. Es liege im Interesse des Vorladers, die allein streitige Frage der Wirksamkeit der Befristung zu klären. Der Antrag sei deshalb weiterhin als Feststellungsantrag auszulegen.

Die Schließung des bisherigen Zentrallagers stehe zwischen den Parteien nicht in Streit. Die Entscheidung über den Feststellungsantrag, ob das Arbeitsverhältnis anhand der im Arbeitsvertrag formulierten Befristung geendet habe, könne den Streit endgültig beilegen und das Rechtsverhältnis zwischen den Parteien abschließend klären. Die vorliegende allgemeine Feststellungsklage habe gegenüber den beim Arbeitsgericht anhängigen Klagen zeitlichen Vorrang.

Es bedürfe weiterer Feststellungen, ob zum Zeitpunkt des Abschlusses der Befristungsabrede vom Mai 2012 der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung des Vorarbeiters nur vorübergehend bestand. Das LAG habe zutreffend festgestellt, dass im Arbeitsvertrag eine Zweckbefristung und nicht eine auflösende Bedingung nach § 21 TzBfG vereinbart wurde.

Eine Zweckbefristung lässt das Arbeitsverhältnis bei Eintritt eines zukünftigen Ereignisses nicht kalendermäßig enden. Eine auflösende Bedingung hänge ebenfalls vom Eintritt eines zukünftigen Ereignisses ab. Der Unterschied liege in der Gewissheit des zukünftigen Ereignisses. Für eine Zweckbefristung stehe das zukünftige Ereignis fest, nur der Zeitpunkt ist noch ungewiss. Ist ungewiss, ob das zukünftige Ereignis überhaupt eintreten wird, handelt es sich um eine auflösende Bedingung. Im Zweifel sei durch Auslegung zu ermitteln, was die Parteien vereinbarten.

Die Zweckbefristung sei ausreichend mit der Schließung des bestehenden Zentrallagers formuliert worden. Das LAG habe jedoch nicht annehmen dürfen, die vereinbarte Zweckbefristung sei aufgrund des Sachgrundes des nur vorübergehenden Bedarfs der Arbeitsleistung gerechtfertigt. Das LAG sei davon ausgegangen, Beschäftigungsmöglichkeiten außerhalb des zu schließenden Zentrallagers seien unbeachtlich, weil es allein auf die betriebliche Tätigkeit am bisherigen Standort ankomme. Die Annahme, der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung des Vorladers sei mit der Schließung des Lagers entfallen, halte einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

Die Befristung eines Arbeitsverhältnisses für einen vorübergehenden Bedarf an der Arbeitsleistung setze im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses mit hinreichender Sicherheit voraus, dass nach dem vorgesehenen Vertragsende für die Beschäftigung des befristet eingestellten Arbeitnehmers kein betrieblicher Bedarf mehr besteht. Die Arbeitgeberin habe bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrages eine Prognose mit konkreten Anhaltspunkten zu erstellen. Die Prognose sei ein Teil des Sachgrundes der Befristung.

Eine allgemeine Unsicherheit über die zukünftig bestehende Beschäftigungsmöglichkeit rechtfertige die Befristung nicht. Diese Unsicherheit gehöre zum unternehmerischen Risiko und dürfe nicht auf die Arbeitnehmer abgewälzt werden. Die tatsächliche Grundlage für die Prognose habe die Arbeitgeberin im Prozess darzulegen.

Für eine Zweckbefristung muss sich die Prognose auf die Erreichung des Zwecks richten. Der Vertragszweck für eine Zweckbefristung muss sich auf eine hinreichende Prognosedichte stützen, dass der Vertragszweck im Rahmen des Vorhersehbaren sicher eintreten wird. Die Prognose müsse sich auf einen hinreichend bestimmten arbeitsorganisatorischen Ablauf stützen. Am Ende des Ablaufs müsse der Wegfall des Bedarfs für die Tätigkeit des Arbeitnehmers stehen. An die Zuverlässigkeit der Prognose würden umso höhere Anforderungen gestellt, je weiter die vereinbarte Zweckerreichung in der Zukunft liegen.
Für die Feststellung des betrieblichen Bedarfs an der Arbeitsleistung sind bezogen auf die betriebliche Tätigkeit die Verhältnisse in dem Betrieb, in dem der Arbeitnehmer vorübergehend eingestellt ist. Für den Bedarf sind die Verhältnisse nicht auf die Arbeitgeberin oder die Betriebsorganisation zu beziehen, sondern auf die Betriebstätigkeit.

Eine Zweckbefristung des Arbeitsverhältnisses wegen einer beabsichtigten Schließung eines betrieblichen Standortes sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Arbeitgeberin zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses des befristeten Arbeitsvertrages eine sichere Vorstellung darüber habe, wie sich die betriebliche Tätigkeit und damit der Bedarf an Arbeitsleistung danach konkret entwickelt.

Der Sachgrund der Zweckbefristung solle dem berechtigten Interesse der Arbeitgeberin Rechnung tragen, nur dann eine zeitlich begrenzte vertragliche Bindung einzugehen, wenn absehbar die vereinbarten Arbeitsaufgaben nur vorübergehend anfallen und die Arbeitnehmer deshalb voraussichtlich nach Wegfall der Aufgaben im Betrieb nicht mehr beschäftigt werden können.

Beabsichtigt die Arbeitgeberin bei Vertragsabschluss ihre betriebliche Tätigkeit nach einer räumlichen oder organisatorischen Änderung weiterzuführen, und bestehe der betriebliche Bedarf an der Arbeitsleistung des befristet eingestellten Arbeitnehmers dort fort, seien die Voraussetzungen von § 14 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 TzBfG nicht ohne Weiteres erfüllt. Der fortbestehende betriebliche Bedarf an Arbeitsleistung müsste durch einen neu einzustellenden Arbeitnehmer gedeckt werden. Deshalb bestehe ein berechtigtes Interesse der Arbeitgeberin an einem befristeten Arbeitsverhältnis in diesem Falle nur dann, wenn bereits bei Vertragsabschluss feststehe, dass die vertragliche Tätigkeit für den befristet beschäftigten Arbeitnehmer am neuen Standort nicht mehr anfällt oder diese ihm nicht mehr zugewiesen werden könnte.

Für den Vorlader wäre ein betrieblicher Bedarf an seiner Arbeitsleistung nur dann vorübergehend, wenn für ihn nach den Planungen der Arbeitgeberin eine Beschäftigung im neuen Zentralager tatsächlich nicht in Betracht komme. Das LAG habe dazu, aus seiner Sicht konsequent, noch keine Feststellungen getroffen.

Das BAG könne nicht beurteilen, ob bei Vertragsabschluss im Mai 2012 feststand, dass die vertragliche Tätigkeit des Vorladers mit der Schließung des bisherigen Standortes ersatzlos entfallen sollte, oder ob für diese Tätigkeit nach den Planungen der Arbeitgeberin ein Bedarf auch in der neuen betrieblichen Organisation im neuen Zentrallager bestehen würde.

Es seien auch keine Feststellungen dazu getroffen worden, ob ein fortbestehender Beschäftigungsbedarf in dem neuen Zentralager durch Arbeitnehmer abgedeckt werden könne, die bereits in den beiden zu schließenden Standorten unbefristet beschäftigt waren. Durch das LAG sei schließlich zu prüfen, ob sie im Rahmen ihres arbeitsvertraglichen Direktionsrechtes dem Vorlader nach den allgemeinen Grundsätzen des § 106 GewO (Gewerbeordnung) eine Tätigkeit im neuen Zentrallager hätte zuweisen können.

Das Verfahren wurde zur erneuten Entscheidung an das LAG zurückverwiesen.