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Gleicher Lohn für Leiharbeiter

Gleiches Einkommen bei Arbeitnehmerüberlassung

Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 19.02.2014, 5 AZR 1047/12

Beschäftigte, die im Rahmen einer Arbeitnehmerüberlassung tätig sind, haben den Anspruch auf gleiche Entlohnung wie ein vergleichbarer Arbeitnehmer (Equal-Pay). Gibt es beim Entleiher keine vergleichbaren Arbeitnehmer, so hat der Entleiher Auskunft zu gewähren, zu welchen Bedingungen er eigenes Personal an diesem Arbeitsplatz beschäftigen würde.

Ein kaufmännischer Angestellter wurde als Mitarbeiter im Kombi-Außendienst überlassen. Als bereits einige Jahre seiner Tätigkeit verstrichen waren, erklärte die Arbeitgeberin schriftlich, dass statt der bisherigen Tarifverträge zukünftig die Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit Personal-Dienstleistungen e. V. (BZA) und der DGB-Tarifgemeinschaft Zeitarbeit in der jeweils gültigen Fassung zur Anwendung kämen. Später sprach die Arbeitgeberin eine Änderungskündigung aus, um die neuen Tarifverträge zur Anwendung zu bringen.

Der kaufmännische Angestellte war mit einer Änderungskündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht erfolgreich. Die Änderungskündigung sei sozial ungerechtfertigt. Auf das Arbeitsverhältnis würden keine Tarifverträge angewandt. Deshalb sei die Entleiherin verpflichtet, ihm den gleichen Arbeitslohn zu zahlen, den vergleichbare Arbeitnehmer für die geleistete Tätigkeit erhalten würden.

Der kaufmännische Angestellte ergänzte zu einem späteren Zeitpunkt seine Klage vor dem Arbeitsgericht. Er forderte für den unmittelbaren Zeitraum von 8 Monaten vor der Änderungskündigung die Differenz zwischen seinem tatsächlich gezahlten Entgelt und dem Entgelt, das einem Stammarbeitnehmer zustehen würde. Seine Tätigkeit unterliege entsprechend den schriftlichen Erklärungen der Konzernmutter der Vergütungsgruppe B2 des Manteltarifvertrages. Er übe diese Tätigkeit bereits seit Beginn seiner Überlassung aus und könne deshalb die Vergütung nach der Erfahrungsstufe 1 verlangen.

Die Entleiherin hatte die Abweisung der Klage beantragt. Auf Basis des mehrgliedrigen Tarifvertrages hätte sie vom Gebot der Gleichbehandlung abweichen dürfen. Ein Anspruch nach § 10 Abs. 4 AÜG (Arbeitnehmerüberlassungsgesetz) käme nicht infrage, da die Entleiherin keine vergleichbaren Arbeitskräfte beschäftigen würde. Der Anspruch sei auch nicht schlüssig dargelegt. Die vom Mutterkonzern eingeholten Auskünfte könnten nicht verwendet werden, da diese nicht Entleiherin sei. Wegen des über ihm eröffneten Insolvenzverfahren sei der kaufmännische Angestellte nicht aktiv legitimiert. Sein Anspruch auf gleiches Arbeitsentgelt sei zudem verfallen.

Bereits einige Jahre vor der Klage wurde ein Verbraucherinsolvenzverfahren gegen den kaufmännischen Angestellten eröffnet. Alle seine Ansprüche wurden deshalb auf ein Treuhänderkonto abgeführt.

Das Arbeitsgericht stellte fest, dass die Änderungskündigung sozial nicht gerechtfertigt und deshalb unwirksam ist. Es entsprach dem Zahlungsantrag. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht das Urteil bestätigt aber bezüglich der Höhe der Zahlungsforderungen abgeändert.

Mit der Revision vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG) forderte die Entleiherin die vollständige Klageabweisung.

Das BAG erklärte, die vom Landesarbeitsgericht berechnete Differenzvergütung sei neu zu berechnen.

Das BAG bestätigte, dass der kaufmännische Angestellte trotz des schwebenden Verbraucherinsolvenzverfahrens prozessführungsbefugt sei. Im Prozessrecht sei die gerichtliche Geltendmachung eines fremden Rechts im eigenen Namen anerkannt. Der kaufmännische Angestellte habe auch ein rechtsschutzwürdiges Eigeninteresse an der Einforderung der an die Treuhänderin abzutretenden Ansprüche, da somit die Verbindlichkeiten getilgt werden. Das gelte auch, wenn der Schuldner im Rahmen der Restschuldbefreiung pfändbare Dienstbezüge abtritt und damit nicht mehr Inhaber der Forderungen sei. Das Eigeninteresse des Schuldners bei Restschuldbefreiung erlösche nicht, weil während der 6-jährigen Wohlverhaltensphase nicht sicher ist, ob die Restschuldbefreiung tatsächlich erfolgen wird.

Das BAG erklärte, es stehe noch nicht fest, in welchem Umfang die Klage zur Differenzvergütung berechtigt sei. Aufgrund der bisherigen Entscheidung des LAG könne nicht festgestellt werden, in welcher Höhe dem kaufmännischen Angestellten eine Differenzvergütung zustehe. Der Anspruch auf gleiche Arbeitsvergütung (Equal-Pay) sei jedenfalls nicht verfallen.

Es sei unerheblich, ob die Entleiherin vergleichbare Stammarbeitnehmer beschäftige. Maßgeblich sei das Gehalt, das die Entleiherin gezahlt hätte, wenn der Arbeitnehmer bei der Entleiherin eingestellt worden wäre.

Zur Ermittlung der Ansprüche seien die Gesamtentgelte im Überlassungszeitraum zu betrachten. Neben Lohn, Urlaubsvergütung und Entgeltfortzahlung gehörten dazu auch vermögenswirksame Leistungen, Zulagen, Zuschläge und steuerpflichtige geldwerte Vorteile wie etwa die Überlassung eins Firmenwagens zur privaten Nutzung.

Es sei korrekt, wenn sich der kaufmännische Angestellte für die Ermittlung des Differenzbetrages zunächst auf die Auskunft bezüglich einer fiktiven Eingruppierung der Konzernmutter berufe. Es läge an der Verleiherin, die maßgeblichen Umstände der Auskunft in erheblicher Art im Einzelnen zu bestreiten. Die Schreiben der Konzernmutter seien ordnungsgemäße Schreiben gemäß § 13 AÜG. Selbst wenn keine vergleichbaren Stammarbeitnehmer beschäftig seien, müsste die Entleiherin Auskunft über das innerbetriebliche Entgeltschema leisten.

Die Entleiherin habe nicht dargelegt, was an der Auskunft der Konzernmutter fehlerhaft sein sollte. Die vorgetragenen Argumente der Entleiherin seien nicht stichhaltig genug um die Auskunft der Konzernmutter zu widerlegen.

Das LAG habe jedoch unzutreffend eine Stundenbasis für die Berechnung des Differenzbetrages herangezogen, da die Vergütung auf monatlicher Basis berechnet wird. Der Gehaltsanspruch des kaufmännischen Angestellten basiere auf Monatsgehalten. Es verbiete sich das Herunterrechnen auf einen fiktiven Stundenlohn.

Da die Entleiherin den kaufmännischen Angestellten für 40 Stunden angefordert habe, die wöchentliche Arbeitszeit bei der Entleiherin jedoch nur 38 Stunden betrage, seien alle über die 38-Stundenwoche hinausgehend geleisteten Arbeitsstunden als Mehrarbeit anzusehen und zu vergüten.

Das Berufungsurteil wurde aufgehoben und das Verfahren zur Neuverhandlung an das Landesarbeitsgericht (LAG) zurückverwiesen.